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Einsamkeit
Mein Leben ist voll davon. Seit vielen Jahren. Die meisten würden das abtun als Übertreibung. Die meisten würden sagen, ich soll es als Freiheit sehen, wenn ich es sagen würde. Daher heute und hier das hier. Das bedeutet Einsamkeit wirklich. Stellt euch einfach mal 10 Minuten vor, das hier wär euer Leben, das hier beträfe euch. Würdet ihr es dann immer noch Übertreibung nennen?
1. Seit 15 Jahren mache ich alleine Urlaub (von wenigen Ausnahmen abgesehen).
2. Seit bald 9 Jahren (lassen wir die 2-3 Monate vor 2 Jahren mal aussenvor) muss ich Freunde ab und zu mal bitten, dass sie mich einmal in den Arm nehmen, wenn ich sie mal sehe. Denn menschliche Nähe, Berührungen und Geborgenheit gibt es sonst nicht.
3. Seit bald 9 Jahren ist an vielen Wochenenden der letzte Satz am Freitag die Verabschiedung von meinen Kollegen und der nächste Satz die Begrüßung derselben am Montag. Dazwischen liegen 2,5 Tage Stille und Schweigen. Und wer mich kennt, weiß, dass ich eigentlich sehr gesellig bin.
4. Seit bald 9 Jahren mündet jeder Feierabend in die Frage, wie ich den Abend rum bekomme. So kam es, dass ich vermehrt Politik gemacht hab. Jüngst warf mir eine Freundin vor, ich hätte nie Zeit. Leider komplett falsch. Sie traf mit ihren beiden Terminvorschlägen nur zufällig die letzte Wahlkampfwoche. Aber sonst ist auch abends Stille. Seit vorletztem Jahr Neuseeland gehe ich aus Langeweile oft früh ins Bett. Auch mal so um 19:30h. Einfach nur, damit der Abend vorbei ist.
5. In bald 9 Jahren hab ich gelernt, alles allein zu entscheiden und mit mir selbst zu beraten. Man kann sich so nie zurücklehnen und auf Gedanken anderer vertrauen, auf deren Rat oder Impuls. Jede Entscheidung, so wichtig oder unwichtig sie auch sein mag, lastet auf mir.
6. Darauf folgt auch, dass auch jede Konsequenz von mir allein zu tragen ist. Keiner fängt einen auf, tröstet einen, hört zu, beruhigt. Nichts. Außer man überwindet sich, die Freunde vollzujammern in der Hoffnung, dass a) eine nette Reaktion kommt, die hilft und b) die Freundschaft nicht darunter leidet, weil das im Regelfall nämlich sehr einseitig ist, weil ja jeder jemanden hat.
7. Seit fast 9 Jahren kreisen meine Gedanken unaufhörlich. Gute wie schlechte. Wenn also etwas doofes passiert, bleibt es in meinem Kopf und Bauch solange es will. Denn keiner lenkt mich ab. Die Konsequenz, wenn es ganz dicke kommt? Trübe Abende, Wochenende, schlimme Nächte. Ohne Schlaf, ohne Trost, ohne Beruhigung. Denn wenn man selbst etwas schlimm findet, es aber keinen gibt, der das runterfährt, bleibt es schlimm.
8. Seit dem Tod meiner Oma ist mir noch klarer als vorher: ich muss für mich alleine vorsorgen. Ich muss regeln was mit mir passiert, wenn mir etwas passiert. Denn keiner ist zuständig, keiner kennt mich gut genug, um zu wissen, was ich will.
9. Dazu gehört auch gleich dieser Gedanke: wenn mir am Freitag nach der Arbeit etwas passiert, wird man es frühestens am Montag merken. Aber nur, weil ich meine Arbeit nicht erledige. Schlimmer noch ist der Gedanke bei Urlauben: wenn ich nicht regelmäßig irgendwem die Info aufdrücke was ich vorhab (und sei es nur über diesen Blog, den eh fast keiner liest offenbar), wird keiner wissen wo und wann etwa ich verloren gegangen sein könnte. Die Vorstellung finde ich wirklich schlimm. Mein Blog im Urlaub ist also irgendwie meine Lebensversicherung. In der Hoffnung, dass irgendwer regelmäßig mit liest und merken würde, wenn etwas nicht stimmt und sich dann hoffentlich dazu verpflichtet fühlen würde irgendetwas zu tun.
10. Ach ja, und Einsamkeit bedeutet auch: du selbst musst für Stimmung und Programm sorgen. Schlechte Laune und kein Antrieb bleibt so, wenn du dir nicht selbst in den Hintern trittst. Und bei Gott, ich hab verdammt oft in den Hintern getreten in den letzten Jahren. Ich kann mich selbst bespassen und selbst aus jedem Loch ziehen. Und ich bin unendlich stolz darauf, weil ich weiß, dass das nicht jeder könnte und weil ich weiß wie unfassbar schwer beides manchmal ist. Man muss sein eigner härtester Kritiker und gleichzeitig sein eigener bester Freund sein, um immer und immer wieder Entscheidungen alleine abzuwägen, schwere Dinge anzugehen und Neues zu wagen. Dinge, die für Paare schwer sind, sind für jemanden alleine ein wahnsinniger Kraftakt.
Aus aktuellem Anlass: ich lebe seit Jahren irgendwie in einer Form der Quarantäne. Mag da kommen was will, viel einsamer als die letzten Jahre kann es kaum noch werden...
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