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So schön es ist, einmal weit weg von der Uni und vor allem vom Schreibtisch zu sein, so bleibe ich im Herzen doch eine Medizinerin. Aus diesem Grund war ich äußerst froh, hier einen Tag im Krankenhaus verbringen zu können, glücklicherweise nicht als Patientin. Ich hatte die Gelegenheit, einem Arzt über die Schulter zu schauen, der in der Beijinger Anzhenmen Klinik arbeitet. Er zeigte mir seine Station und den OP-Bereich, wie auch die Apotheke, die westliche Medikamente und auch verschiedene Kräuter und Pflanzen der traditionellen chinesischen Medizin führt. Meiner Erwartung entsprechend unterschied sich das Krankenhaus nicht wesentlich von einem, wie man es in Deutschland finden könnte, moderne Technik und Geräte, Untersuchungsräume und Stationen, selbst die Anleitung zur Händedesinfektion wirkt wohlvertraut, wenn auch auf Chinesisch. Trotzdem ist es schön, einen Einblick in den Arbeitsalltag von Dr. Cheng Wei zu bekommen, der mir vom chinesischen Gesundheitssystem erzählt und nach dem Medizinstudium in Deutschland fragt. Da die Krankenkasse hier nur einen Teil der entstehenden Kosten einer Behandlung deckt, muss der Arzt neben Anamnese und Diagnose immer auch die Gradwanderung zwischen der Therapie, die gut für den Patienten ist und zwischen der, die er sich leisten kann, meistern. Meine kleine Hospitation endet mit einem Essen in der Mitarbeiterkantine, zu der er mich einlädt, roher Tofu und eingelegte Enteneier, die ich trotz Bemühungen der Höflichkeit dann doch auf dem Teller liegen lasse.
Heute hüllt der Smog die Stadt in einen dichten Nebel, die Sonne scheint, schafft es aber nicht, das Grau zu durchdringen. Ein perfekter Tag für einen Besuch im Museum für traditionelle chinesische Medizin, welches ich nach einiger Orientierungslosigkeit endlich auf dem Campus der medizinischen Universität finde. In der Eingangshalle des Gebäudes hängen Portraits von wichtig wirkenden Männern, wahrscheinlich ehemalige Leiter der Universität, die mich an die ein oder andere „Ahnengalerie" der Charité erinnern. Der erste der beiden Ausstellungsräume zeigt die „Chinese Materia Medica", eine Sammlung von Pflanzen, Tieren und Mineralien, die in der traditionellen Heilung des Reichs der Mitte eine wichtige Rolle spielen. Die in grünliches Licht getauchte Halle gleicht einem Kuriositätenkabinett, hunderte von gläsernen Gefäßen reihen sich auf Regalen nebeneinander, sie beinhalten Wurzeln, Blätter, Samen und in Scheiben geschnittenes Hirschgeweih. Beschreibungen und Bilder erklären die positive Wirkung von kaltwüchsigen Pflanzen bei Fieber, von Schlangenhaut für die Leber und von Rehembryonen für die Funktion der Nieren. Die ausgestopften und eingelegten Tiere schaffen eine fast unheimliche Atmosphäre, wie sie einem tot entgegenblicken, unter ihnen auch ein Tiger und Antilopenskelette. Eine dunkle Treppe führt weg von der Vielfalt der Naturheilmittel hin zu einer warm wirkenden Halle, die die Geschichte der Entwicklung der chinesischen Medizin erzählt.
Feinsäuberliche Schaukästen zeigen uralte Fundstücke, die ersten „chirurgischen" Werkzeuge und Nadeln, liebevoll gestaltete Portraits bilden wichtige Männer der Entstehungsgeschichte der traditionellen Medizin ab. Ein Schildkrötenpanzer trägt erste Bezeichnungen von Krankheitsbildern in Form von chinesischen Zeichen auf ihm, antike Papierfetzen erläutern die verschiedenen Grundhaltungen des Qigong, Zeichnungen zeigen die medizinische Praxis der Frühzeit. In der Mitte der Halle präsentiert sich eine traditionelle Apotheke, in den schweren Holzschränken, die mit verzierten Vasen geschmückt sind, wurden die verschiedenen Pflanzenheilstoffe aufbewahrt. Eine freundliche dreinblickende Statue aus schwerem schwarzen Stein ragt in die Höhe, übersät von feinsten Markierungen der Akupunktur Punkte, eine kleine holzgeschnitzte Figur zeigt die Akupunkturbehandlung eines Drachen, was die Macht dieser Therapie ausdrücken soll. Tausende von Jahren Geschichte werden in diesem Raum in kompakter und faszinierender Weise erzählt, dicke Bücher, die wichtigste Literatur über die Praktiken der chinesischen Heilung, säumen die Gänge. Eine überlebensgroße Büste zeigt den gütig blickenden Zhang Zhongjing, ein Arzt, der vor knapp zweitausend Jahren lebte, ein Held der chinesischen Geschichtsschreibung. Detailreiche anatomische Zeichnungen lassen den Betrachter in das Innenleben des Menschen eintauchen, die Organe und Strukturen tragen die altbekannten mysteriösen chinesischen Bezeichnungen, die ich nicht zu verstehen vermag. Texttafeln erzählen von den bahnbrechenden Entdeckungen und Erfindungen alter weiser chinesischer Medizinmänner, die längst im Jenseits weilen, deren Geist aber in den Geschichten und Dokumentationen fortlebt, waren sie doch der westlichen Medizin meist um hunderte von Jahren vorraus.
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Mamshka Liebe Sabina, verfolge mit großem Interesse Deine Reisebeschreibungen und in Gedanken oft bei Dir, auch wenn ich nicht schreibe...... Hab heut auch mal für Oma einige Reiseberichte ausgedruckt, wie Du es wolltest. Hab Dir auch was über Deine e-mail geschrieben.... Viel Glück und Freude bei allen Unternehmungen in Chinawünscht Dir Mamshka