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Ich beginne, die enorme Fläche der Millionenstadt zu begreifen, als der Bahnhof schon eine halbe Stunde hinter uns liegt, und der Schwall an Hochhäusern nicht abbricht. Der Zug rattert über die unebenen Gleise, nun durch karges und ärmlich bewohntes Gelände dieser nicht enden wollenden Stadt, kilometerweit vom Zentrum entfernt treten an die Stelle von Leuchtreklame Wäscheleinen zwischen Müll und Baustellen. Das Bild von Fabrikhallen mischt sich mit dem meines nachdenklichen Gesichtes, das sich in der Scheibe spiegelt und mich daran erinnert, wie fremd ich den Menschen erscheinen muss. Es schaut die herbstlich braune Landschaft zum Fenster herein, auf das Abteil mit säuberlich gestapelten Reisenden, und einem nicht ins Bild passenden Mädchen. Trotzdem fühle ich mich genau richtig hier, meinen Gedanken überlassen, die Sonne als Begleiter, mittendrin zwischen hier und dort, auf dem Weg zu einem neuen Ziel der Reise, um meinen Entdeckerdurst auf eine neue Probe zu stellen. Das Aufbrechen lehrt mich wieder vieles, was ich schon oft erkannt und so leicht wieder vergessen habe. Wie die Landschaft des nördlichen chinesischen Berglandes vorbeifliegt weckt in mir die Lust auf die Transsibirische Eisenbahn, die mir in meinen letzten Tagträumen immer öfter begegnet ist. Stundenlang Niemandsland hinter der Scheibe, endlose vorbeiziehende Bühne für tiefes Versinken in Gedankenexperimenten. Die orange untergehende Sonne taucht Bauern auf dem Reisfeld ironisch in romantisches Licht , während ich sie durch die Fenster des unsagbar langen Zuges beobachte. Es ertönt das monotone Schnarchen einer Frau mit rosigen Wangen, und das gelegentliche Getappel eines kleinen Mädchens, das über den Gang hüpft und mich mit großen Augen betrachtet. Draußen wird die Landschaft bergiger und einsamer, dürre Pflanzen kämpfen sich zwischen Felsspalten hervor. Gelber Mais lagert auf Dächern von flachen grauen Häusern, und die Fahrt neigt sich dem Ende zu.
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