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Eine Woche lebe ich nun eingehüllt ins kunterbunte Leben und den Smog dieser fantastischen Stadt, es fühlt sich an, wie ein Monat, oder ein Mond, wie man hier sagt. Heute laufe ich durch die Straßen mit ihren vielen Gesichtern, im übertragenden wie im eigentlichen Sinne, und genieße das Treiben der chinesischen Hauptstadt schon fast ohne die neugierigen Blicke noch zu bemerken, mit denen ich bedacht werde.
Hält man sich an den zähen Verkehrsfluss der Hauptstraßen, so ist Beijing eine Metropole mit Hochhäusern und Schriftzeichen als Leuchtreklame. In den touristischen Gegenden wird man vom Versuch der Verwestlichung penetriert und die Souvenirhändler tragen ihren kleinen feinen Englischwortschatz spazieren. Die großen Straßen, Dajie, ziehen sich wie ein Raster durch den Stadtplan, und meine winzigen Chinesischkenntnisse der Himmelrichtungen und Zahlen erlauben mir eine gute grobe Orientierung.
Jenseits der Dajie jedoch folgt das Leben einem anderen Rhythmus. Die chinesischen Altstadtviertel, die die Quadrate zwischen den Hauptstraßen ausfüllen, entführen ins traditionelle Leben der sogenannten Hutongs. Hier findet man sich in schmalen Gassen zwischen staubigen Fahrrädern, Teehäusern, verzierten Hauseingängen und genüsslich rotzenden Opis, die Karten spielen wieder. Kleine Hunde, im menschenüberlaufenen Zentrum gerade so als Haustiere geduldet, schauen sehnsüchtig auf die Hühnerfüße am Spieß oder die typischen Teigtaschen, die gleich neben der strickenden Omi und der trocknenden Wäsche und zwitschernden Vögeln in Käfigen verkauft werden. Läuft man abends durch die Stadt, kann man Gruppen von Einheimischen Volkstanz auf größeren und kleineren Plätzen üben sehen.
Sogenannte Geistermauern verdecken den Blick in die Innenhöfe, die sich hinter den bunten Türen verbergen, hier findet das Familienleben statt. Fahrradklingeln oder Hupen von kleinen Rollern, die sich durch die Gassen zwängen, halten einen auf Trab, chinesisches Geplauder schwirrt durch die Luft und ich freue mich wie ein Kind, wenn ich ein paar Fetzten vom Gesagten erhasche und verstehe. Mein Hostel ist in einer dieser kleinen Gassen aus einstöckigen Wohnhäusern, meine Straße, die Dongsi Jiutiao Lu gehört zu den ruhigeren, in denen man fast garnicht glauben kann, dass man sich im Zentrum einer Großstadt mit 17Mio. Einwohnern befindet.
Ganz anders während des Feierabendverkehrs in der U-bahn: zwischen den Fahrten, die 2 Yuan (ca. 30 Cent) kosten, gilt es nicht als unhöflich, die Ellenbogen einzusetzen, um an der entsprechenden Station aussteigen zu können. Oft finde ich mich als einzige Nichtchinesin im Abteil wieder, „Westler" trifft man eigentlich nur an den typischen Touristenattraktionen. Zu diesen zählen neben den typischen Sehenswürdigkeiten wie etlicher Tempel und der verbotenen Stadt auch bekannte Marktstraßen, auf denen es von verhandelnden Käufern und charismatischen Verkäufern nur so wimmelt. Eine dieser hoffnungslos überfüllten Kleinkonsum-Treffpunkte ist die Wangfujing Essensgasse, die ich vor ein paar Tagen besucht habe. Hier tümmeln sich chinesische und ausländische Touristen zwischen den Ständen, die jegliche Mythen über die chinesische Küche bestätigen. Neben Seesternen am Spieß, Riesenkakalaken, Krebsen und Muscheln sieht man auch kleine Skorpione auf einem Holzstab, die erfolglos in der Luft umherkrabbeln, bevor sie in kochendes Wasser getaucht und zum Verzehr verkauft werden. An anderen Ecken gibt es unzählige Gebäcktaschen, von denen man nie sicher ist, was sie beinhalten. Beliebt sind kandierte asiatische Früchte und Trinkjoghurt, der an jeder Ecke angeboten wird. Beim Essen ist es üblich, mit möglichst lautem Schlürfen zum Ausdruck zu bringen, dass es schmeckt. Nach diesem sehr exotischen Erlebnis sollten aber noch andere kulinarische Entdeckungen folgen, von denen ich später berichte.
So ist das Leben in Beijing, wild und kunterbunt, besinnlich und traditionell, je nachdem, wofür man sich entscheidet. Ich genieße die Tage und freue mich über jedes Stück Alltag, das ich miterleben darf. Ein chinesischer Name wurde mir schon gegeben: Nana - 娜娜.
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