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Heute ist einer dieser sonnengoldenen Tage, der Beijings Herbstblätter noch bunter als sonst erscheinen lässt. Mit Stadtplan und Kamera bewaffnet mache ich mich auf den Weg zu den drei hinteren Seen, die im Norden der Stadt Einheimische wie Besucher mit ihrer Szenerie anziehen. Die Sonne glitzert auf dem Wasser und ich folge dem Weg entlang des südlichsten der Seen, der mit vielen Restaurants gesäumt ist. Musiker in Cafés lassen ihre Melodien per Verstärker über das Wasser schweben und die üblichen Gruppen von Karten spielenden Männern sitzen am Rand des Weges. Ich setze mich ans Wasser und lese über die Geschichte von Beijing, der Himmel ist ausnahmsweise strahlend blau, heute trübt kein Smog die Sicht auf die bunte Vielfalt, die die Stadt zu bieten hat. Am nördlichen Ende des Qianhai führt eine steinerne Bogenbrücke über das Wasser hinein in ein buntes Treiben. Kinder essen Zuckerwatte, die wie eine Blume aussieht, und ich verliere mich im ebenso bunten Rausch der kleinen Läden, die sich aneinander reihen. Die volle Vielfalt der möglichen Mitbringsel wird dargeboten, bunte Papierdrachen, zierliche Teeservice, handgeschnitzte Essstäbchen, Seidentücher, hauchdünne Scherenschnitte, Teeblätter in allen erdenklichen Variationen, Fächer, Kalligraphie Sets, seidene Kleider. Ein gemütliches Menschengewirr, gefärbt vom goldenen Licht und dem Gezwitscher von Kanarienvögeln, die vor den Läden an die Luft gesetzt werden. Am Ende der Gasse finde ich mich an der großen Nord-Süd-Achse wieder, an deren Ende der prächtige Trommelturm steht. Dieser lieferte zusammen mit dem hinter ihm verborgenen, etwas unscheinbareren Glockenturm vor Jahren das Zeitsignal für die Bewohner der Hauptstadt. Die große Trommel wurde alle zwei Stunden geschlagen, die über fünf Meter große Glocke läutete morgens um fünf den Tag ein. Heute schmücken diese Gebäude aus einer anderen Zeit das Stadtbild als Kontrast zu den kleinen verwinkelten Gassen, die sie umgeben. Ich mache mich auf den Weg entlang des östlichen Ufers des Houhai, der das Mittelstück der Seenkette bildet. Viele Fotografen sind unterwegs, um posierende Models vor der Glitzerkulisse des Sees festzuhalten, gerahmt von Zweigen, die von mächtigen Bäumen herunterhängen und leicht im Wind wehen, ab und zu lässt eine stärkere Brise einen Schwall gelber Blätter herunterregnen. Pärchen gleiten in Booten über das ruhige Wasser, hinter den Baumkronen, die den See säumen, sind die Umrisse der in den Himmel reichenden Hochhäuser zu sehen. Wenige Mutige springen für ein letztes Mal ins Wasser und lassen sich die Kälte nicht anmerken, ein Stück weiter am Ufer steht ein Spiegelschrank und ein Mann bekommt die Haare geschnitten, daneben ein Maler, der chinesische Schönheiten festhält. Auf dem schmalen Uferweg tümmeln sich Rikscha-Fahrer, auf dem See die Enten. Eine kleine Galerie am Wegesrand zeigt die Kunstwerke eines freundlichen Chinesen, der ein paar Deutschkenntnisse auspackt und mir seine gestickten Bilder zeigt. Draußen wandelt sich das gelbe in orangenes Licht, die Sonne sinkt tiefer und der Nachmittag neigt sich seinem Ende zu, während ich mich auf den Weg nach Hause zu einem Tee und einem guten Buch mache.
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