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Billy Joel!! Ich weiß noch genau, als mein Kollege mich nach seinem Konzert in Frankfurt 2006 gefragt hatte, ob es mir gefallen hat, antwortete ich ihm, es sei das beste Konzert meines Lebens gewesen! Ja schon, im Konzertrausch, gleich am nächsten Tag, sagt man das schon mal, nüchtern betrachtet räume ich ein, dass Konzerte einfach so unterschiedlich sind, dass man sie nicht vergleichen kann. Trotzdem, ganz sicher ging es in die unvergesslichsten Konzerte aller Zeiten ein, genau wie auch das aus 1994. Aber in einem Punkt habe ich mich damals getäuscht: Ich war sicher, auch Billy hatte so einen Spaß, dass er bald wieder kommt. Billy blieb weiterhin ausgesprochen konzertfaul. Europa schon gar nicht.
Nach einem Wohltätigkeitsauftritt in den USA Anfang des Jahres hatte ich mit einer Konzertfreundin gechattet und wir hatten von Billy geschwärmt und irgendwie fiel der Satz: “Wenn er nur irgendwo nach Europa kommen würde, ich würde fliegen!” Tja und plötzlich waren sie da, drei Daten für UK und einer in Dublin. Hmm, da kommt doch bestimmt im weiteren Europa noch was nach? Wobei besonders der Termin in Dublin interessant schien, Wochenende, Stehplätze vor der Bühne und überhaupt: Dublin!
Nach 2 Tagen war London ausverkauft und in Dublin alle Sitzplätze weg. Oha, da bleibt wohl nicht viel Zeit für die Entscheidungsfindung, also lautete der Deal: Wir kaufen erst mal Tickets und wenn er doch nach Deutschland kommt, können wir die sicher wieder verscherbeln. Sind wir ehrlich, in dem Moment war doch klar, dass wir sowieso fliegen… Allerdings stellte sich die Frage nach einem möglichen Konzert anderswo näher und vernünftiger nicht mehr, es kamen tatsächlich keine Termine für das Europäische Festland nach.
Also bin ich am Freitag nach Dublin geflogen, wo ich fast zeitgleich mit meiner Freundin ankam, die die Maschine aus Zürich genommen hatte. Der Himmel war strahlend blau, wo war denn der uns vorhergesagte Regen?? Aber ich habe ja schon bei meinen beiden letzten Reisen nach Dublin aufgehört, den Quatsch mit dem immer verregneten Irland zu glauben. Unser Hotel lag total zentral, im Temple Bar Viertel, aber auch nur ein paar Schritte von der Grafton Street und auch der Brücke zur Northside entfernt. Also führte uns unser erster Weg erst mal in die Haupt-Shoppingmeile, die Grafton Street, wo wir den Nachmittag verbummelt und verkaffetrunken haben.
Am frühen Abend fuhren wir mit der Tram zur O2-Arena, waren 1 1/2 Stunden vor dem im Ticket genannten Konzertbeginn dort, um einen guten Stehplatz zu ergattern. Was uns auch gelang, nicht in der ersten Reihe natürlich, aber doch recht nah an der Bühne, ein Stückel rechts von der Mitte. Strategisch schwierig war die Tatsache, dass zunächst noch das Klavier für den Support-Act aufgebaut war, so dass wir nicht abschätzen konnten, wie Billy letztlich am Klavier sitzen wird.
Nun waren es noch geschlagene 2 1/4 Stunden bis zum erwarteten tatsächlichen Auftritt von Billy, also haben wir uns natürlich erst mal auf den Boden gesetzt. Womit wir ziemlich alleine waren (mussten dauernd aufpassen, dass uns keiner tritt), liebe Güte, die Iren, wie wollen die das denn so lange stehend durchhalten, naja, haben vielleicht Übung, stehen ja jeden Abend im Pub.
Ziemlich bald haben wir gemerkt, dass wir wirklich zu alt sind, um auf Stehplatzkonzerten frühzeitig um einen guten Platz zu kämpfen. Sogar vom Sitzen am Boden tat auf Dauer der Rücken weh und ich war ziemlich froh, als ich endlich wieder aufstehen konnte, weil Support Tom Odell pünktlich die Bühne betrat. Ein rockender Pianist (immerhin passend), rockiger als Billy, aber ich fand ihm musikalisch ganz gut. Hatte allerdings für meinen Geschmack keinen Sympathiefaktor, haben ihn aber auch nur von hinten gesehen. Wirklich blöd mit diesen Pianisten, denn wenn das Klavier seitlich zur Bühne steht, sieht die Hälfte der Halle den Künstler quasi von hinten. Und so kam es dann auch, in der kurzen Umbaupause wurde Toms Klavier nach draußen gefahren und Billys Flügel in der gleichen Position aufgebaut.
Natürlich hatte ich vorher geschaut, was Billy zuvor in Manchester gespielt hatte und dabei meine Erwartungen schon ein ganzes Stück zurückgeschraubt. Die meisten der Songs von ganz oben auf meiner Wunschliste waren nämlich gar nicht dabei gewesen, “The Entertainer”, “Leningrad”, “Honesty”, “Goodnight Saigon”, “For The Longsest Time”…. alles nicht. Billy hatte auch in einem Interview gesagt, dass er keine Lust darauf hat, immer nur Greatest Hits zu singen und einige Raritäten spielen will. Es gibt genug Künstler, bei denen ich mich darüber freuen würde, aber der ganze Billy an sich ist ja nun mal so rar, dass ich schon gerne seine besten Songs gehört hätte. Immerhin hatte er in Manchester den “Piano Man” gespielt und auch, gleich zu Beginn, “Miami 2017″, das ebenfalls einer meiner Lieblingssongs ist.
In Dublin jedoch, Billy war ganz unspektakulär auf die Bühne gekommen und hatte sich ans Klavier gesetzt, war “My Life” der Opener. Erste spontane Freude (war nicht auf der Setlist von Manchester), bis mir schwante, dass er dafür “Miami 2017″ gekippt haben könnte, und so war es dann auch.
Die erste Hälfte des Konzertes war zwar bereits toll, aber doch nicht so überaußergewöhlich, wie ich ein halbes Jahr lang übersteigerte Erwartungen gehegt hatte. “My Life”, “Everybody Loves You Now” (oh ja!!!), “Allentown”, “The Downeaster Alexa”, “Vienna” und einige andere, alles prima Songs, aber halt nicht die von ganz oben auf der Wunschliste. Dazu fand ich es leicht beunruhigend, dass er ständig Halsspray sprühte, aber ich habe seiner Stimme nichts angemerkt. “Where Is The Orchestra?” war wohl eine der versprochenen Raritäten, so rar, dass es der einzige Song an diesem Abend war, den ich nicht kannte. Zu “New York State Of Mind” zeigte die Leinwand tolle Luftaufnahmen von New York. Die Leinwand war allerdings doof, denn sie war aus versetzten Teilen gebaut, so dass jeder, der nicht direkt mittig stand, “verrutschte” Bilder sah, und auch einen geteilten Billy, denn sehr oft wurden Echtzeitbilder gezeigt.
Billy erzählte nicht wirklich viel, aber er hatte ab und zu einen lustigen Spruch auf den Lippen. Das Klavier, ich hatte darauf gehofft, weil es schon 2006 so war, stand auf einem drehbaren Podest und bei vielen Songs drehte Billy langsam eine Runde, damit ihn jeder mal von jeder Seite sehen konnte. Die meiste Zeit stand es jedoch so, dass wir Billy von hinten sahen, aber andersherum war es ja auch nicht wirklich besser, denn da war der meiste Teil von Billy durch das Klavier selbst verdeckt. Und von hinten konnten wir wenigstens sehen, wie seine Finger über die Tasten flogen. (Und auch, dass im Klavier ein Teleprompter eingebaut war…) Lustig, was Billy alles zwischendurch tut, während er mit einer Hand unbeirrt weiterspielt: Oben auf dem Flügel umräumen, Papiere sortieren, sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn wischen, trinken, den Bühnenarbeitern Zeichen geben, usw.)
Das erste sichere Zeichen, dass dieses Konzert mindestens den zweistündigen Flug wert war, war “She’s Always A Woman To Me”. Aaaaaawwwww. Hatte nicht mal ein gewisser anderer Künstler gesagt: “The Irish are the best singers in the world…” ? Ich glaube, er hat recht, obwohl ich anmerken würde, dass es die Frankfurter in 2006 auch waren. Sooooo schön, wie die komplette Halle wirklich jedes Wort mitsang, der erste echte Gänsehautmoment! (Sieht man mal ab von der Gänsehaut, die ich sowieso hatte, vor lauter Freude, Billy Joel überhaupt zu sehen, über die Jahre hatte ich bereits Zweifel, dass das noch mal gelingt.). Nach dieser wunderschönen Ballade wurde es mit „Don´t Ask Me Why“ und „Uptown Girl“ wieder flott.
„Scenes From An Italian Restaurant“ war eines meiner Mega-Highlights. Das ist definitiv eines von ganz oben auf meiner Wunschliste, ich habe es schon immer geliebt, weil es so episch lang und musikalisch vielfältig ist. Danach ging es eigentlich nur noch mit Highlights weiter. „River Of Dreams“ mit dem groovigen Percussion-Intro (die männlichen Fans haben sich sicher über die kakaobraune Schönheit an den Percussions gefreut) und mehreren fetzigen Improvisationseinlagen von Billy, war ja so klasse! Wobei die Einlagen sicher nicht wirklich improvisiert waren, aber mehrmals spielte er mit flotten Fingern im Song fetzig-rockige Klavierstücke, die dort eigentlich nicht hingehören.
Dann hängte Billy die Mundharmonika um den Hals und natürlich folgte DER Song aller Billy-Joel-Songs: „Piano Man“. Wow, wow, wow. Wow! Die ganze Halle sang lautstark mit. Und nicht nur den Refrain, den kompletten Song, Wort für Wort. Das Meisterwerk eignet sich natürlich perfekt dafür: Einfach aber doch genial arrangiert (allein schon der Moment, wo die Drums einsetzen…), Schunkelrhythmus, das unvermeidliche La-la-la im Refrain und dazu noch ist der Song ein absolutes Markenzeichen für den Künstler, der sich ja quasi selbst besingt. Da will man ihn einfach nur noch feiern!! Und dann der Moment, als die Musik aussetzte und das Publikum komplett alleine sang….unbeschreiblich!! Einer dieser Konzertmomente, die man am liebsten für immer festhalten möchte. Die Zeile „it´s a pretty good crowd for a Saturday“ hat er übrigens durch „it´s a pretty good crowd here in Ireland“ ersetzt, was vom Publikum mit Jubel quittiert wurde. So gerne ich Billy öfters live sehen würde, aber ich muss zugeben, die Tatsache, dass er sich so rar macht, sorgt natürlich zusätzlich für einen Rausch der Gefühle („dass ich das noch mal erleben darf…“).
Nach dem „Piano Man“ verschwand Billy vor den Zugaben. Dazu kam er kurz nach vorne an die Bühne, um ins Publikum zu winken und dabei fiel deutlich auf, wie sehr er humpelt, die Hüft-OP hat also doch Spuren hinterlassen.
Erste Zugabe war „We Didn´t Start The Fire“, ein weiterer Riesen-Hit von Billy, der nun ganz abwechslungsweise mal Gitarre spielte, wozu er dummerweise auf der Seite der Bühne stand, die weit von uns weg war. Der Text ist eine Aufzählung von Namen und Ereignissen, die Spuren in der jüngeren Geschichte hinterlassen haben („we didn’t start the fire, it was always burning, since the world’s been turning..“). Auf der Leinwand loderte jetzt ein Feuer, in das zu jedem Stichwort ein passendes Bild eingeblendet wurde.
Zu „It´s Still Rock´n Roll To Me“ jonglierte Billy mit dem Mikrofonständer und versuchte trotz seiner Bewegungseinschränkungen den ein-oder andern coolen Hüftschwung. Na bitte, er kann es noch! Mit „You May Be Right“ und „Only The Good Die Young“ gab es zum Schluss zwei Songs, zu denen man zwar ganz gut mittanzen konnte, die aber bei mir persönlich nicht so ganz hoch im Kurs stehen. War schon schöner, wenn er früher immer den „Piano Man“ als letzten Song gesungen hat, aber ich will ihm mal nachsehen, dass er Lust auf etwas Abwechslung hat.
Unglaublich, wie Billy den Abend gerockt hat, die Stimmung im Publikum war insgesamt gigantisch. Wie macht der Kerl das bloß? Jedenfalls nicht mit gutem Aussehen und bezauberndem Charme, auch wenn er mit dem ein oder anderen Lächeln oder lustigen Spruch durchaus die Mindestanforderungen an einen gewissen Sympathiefaktor erfüllt. Aber er ist nicht der Typ Mann, den man nach dem Konzert am liebsten mit nach Hause nehmen möchte. Er ist einfach ein brillianter Musiker! Liebe Güte, wenn ich überlege, wie viele meiner Joel-Lieblingssongs heute gefehlt haben und es war immer noch so ein tolles Konzert mit so vielen tollen Songs! Und er hat einfach ein unübertroffenes Publikum, was natürlich das Wichtigste für ein tolles Konzert ist. Ganz sicher, The Irish gehören zu den besten Sängern der Welt, aber mal unter uns, die Frankfurter waren noch ein kleines bisschen besser, damals 1994 und 2006.
Die Schlange an der Straßenbahn war gigantisch und aus unserer Idee, erst mal was trinken zu gehen, wurde nichts, denn die einzige Bar weit und breit (wirklich weit und breit, wir sind eine Weile herumgelatscht), die es hier draußen an den Docks gab, war hoffnungslos überfüllt.
Der Samstag war kalt und stürmisch und teilweise auch verregnet. Wir waren wild entschlossen, uns bei unserer Shoppingtour nicht die Laune verderben zu lassen, aber ein bisschen unangenehm war das schon, frierend und geduckt nur von einem zum nächsten Einkaufszentrum zu huschen. Ja gut, wenn man im November reist, sollte man mit so etwas rechnen. Heute war die Seite nördlich der Liffey dran und der Bummel fand mit einem späten Mittagessen in der Bar des Central Hotels einen stilechten Abschluss. Auf dem Rückweg zum Hotel schüttete es und jetzt hatte ich schon ein bissl die Nase voll und brauchte eine längere Pause, vor allem auch, weil die Nacht in unserem superzentralen Hotel nicht wirklich ruhig war.
Für den Abend hatten wir ja einen tollen typisch irischen Pub-Besuch mit Livemusik (nette Ergänzung zum Konzerttrip zweiter Live-Musik-Verrückter) geplant. Temple-Bar-Viertel war ja vor der Haustür. Und wir dachten, wir gehen früh los, kriegen wir noch einen Sitzplatz. Ja von wegen! Schon um 18 Uhr waren die Pubs entweder so rappelvoll, dass man nicht mal einen Stehplatz bekam, oder eben die Musik war nicht wirklich gut. Zuerst hatten wir noch Glück. Die berühmte Temple Bar war zwar ziemlich voll, aber ein Plätzchen für uns gab es noch. Drinne machten vor allem einige Damen auf Jungesellinnenabschied mächtig Stimmung. Und die beiden Musiker waren auch nicht schlecht, haben das gespielt was man in einem irischen Pub eben erwartet, „Wild Rover“ und was ich besonders gerne höre „Whisky In The Jar“. Leider haben sie aber auch schon ziemlich bald Feierabend gemacht und die nächste Band war noch lange nicht in Sicht. Also weiter. So zogen wir ziemlich unentschlossen von einem Pub zum nächsten, in einem saßen wir auch eine Weile unmotiviert herum und hörten dem eher schlechten Sänger zu. In „The Quays“, was der absolute Inschuppen zu sein schien, spielten ein Herr und eine Dame eine ziemlich gute Version von „Little Talks“, aber die Platzangst lies uns den Laden bald wieder verlassen. Am Ende haben wir dann frustriert einen Platz bei McDonalds gesucht und uns selbst unterhalten.
Am Sonntag schien wieder die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Leider hatte meine Freundin einen ziemlich frühen Flug zurück nach Zürich und so bin ich alleine mit der S-Bahn nach Howth ans Meer gefahren. Das war richtig toll, im Sonnenschein noch etwas maritime Atmosphäre zu genießen. Howth ist ein extrem schnuckeliger kleiner Fischerort mit Hafen auf einer Halbinsel. Und den blinden Seehund im Hafenbecken, den wir schon bei unserem Urlaub vor 2 ½ Jahren bedauert hatten, gab es auch noch! Außerdem war dort ein kleiner Markt mit Kunsthandwerk und Leckereien (Cupcakes in allen erdenklichen Sorten). Na, da war das Wetterpech von gestern glatt verziehen.
Mittags zurück in die Innenstadt, den schlechtesten Döner aller Zeiten gehabt, und dann gemütliche mit dem Doppeldeckerbus zum Flughafen geschaukelt. Total happy mit einem echt tollen Konzert und einem echt tollen Wochenende.
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