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Mein letzter Tag, an dem ich Beijing auf eigene Faust erkunde, ist angebrochen und für heute habe ich mir noch einmal einen kleinen Ausflug jenseits der Stadtgrenzen vorgenommen. Ich nehme die Herausforderung an, keine Tour im netten Komplettpaket mit englischem Reiseführer zu buchen, sondern mache mich mit meinen gesammelten Erkenntnissen was das Überleben im chinesischen Großstadtdschungel angeht, per öffentlichem Bus auf den Weg zu machen. Ein kleines Abenteuer für sich, aber schließlich sitze ich im Bus in Richtung Changping, ein kleines Dörfchen im Norden von Beijing, hinter dem in den umliegenden Hügeln die dreizehn Gräber der Kaiser der Ming Dynastie verstreut liegen. Im Hintergrund blicken die erhabenen Tianshou Berge auf die weitläufige Nekropolis herab, deren Errichtung zwei Jahrhunderte gefordert hat, die Stille zwischen den knorrigen Zypressen ist fast unheimlich. Mit meinem Rucksäckchen stehe ich plötzlich im Nichts, vor mir liegt das große rote Palasttor, das den Beginn des vier kilometerlangen „Seelenweges" markiert. Trotz Sonne kriecht mir der Winter, der nun die meisten Touristen vertrieben hat, unter den Mantel, während ich an den überlebensgroßen steinernen Tieren vorbei spaziere, die niederknien, um den verstorbenen ihre Ehre zu erweisen. Ein Löwe schaut grimmig auf sein Gegenüber, neben ihm vier Kamele, nach weiteren Schritten folgen Elefanten mit trauriger Miene. Die Kälte beschleunigt meinen Spaziergang, und nachdem ich das Drachen- und Phönixtor durchquert habe, geht es nun zum größten der drei Gräber, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Was mich erwartet, ist ein regelrechter Palast, umgeben von einem Park, der die Würde der letzten Ruhestätte des Landesoberhauptes Yongle, der unter der Erde auch seine Frau und 16 Konkubinen zur Gesellschaft hat, verdeutlicht. Die Architektur ähnelt der der verbotenen Stadt, vom „Seelenturm" aus sieht man in der Ferne die Dächer der umliegenden Gräber verstreut, die Ziegelsteine leuchten in der kaiserlichen Farbe: gelb. In einer kirchenhohen Halle thront die Statue des Dahingeschiedenen, satte Farben zieren die Decke, die aus meterdicken Zedernholzstämmen getragen wird, die Stimmen von Reiseführern verhallen zwischen den Exponaten wertvoller Jade Grabbeilagen.
Einige Kilometer entfernt steige ich kurze Zeit später mit schnatternden chinesischen Reisegruppen die nicht enden wollenden Stufen hinunter, die meterweit unter die Erde zur Grabkammer des Dingling Grabes führen. Bilder zeigen, wie Jahre zuvor mutige Archäologen Stein für Stein die „Diamantenwand" eröffneten, hinter denen sich das Labyrinth der Grabkammern verbirgt. Weißes Licht und graue Steine, von denen Flüsterstimmen wiederhallen, führen den Weg zu mächtigen roten Truhen, die die Körper des Kaisers Wanli und seiner Familie beinhalten. Die Luft scheint unterirdisch-feucht und ich blicke voll Ehrfurcht auf die mächtigen Steine, die so tief im Erdreich die Hallen des Todes bilden, die letzte Ruhestätte, die gefüllt mit Reisegruppen gar nicht mehr so ruhig ist.
Erleichtert, zurück im Tageslicht zu sein, führt mich mein Weg noch in eine kleine Ausstellung, die Gegenstände zeigt, die vor dem vermodern im Boden gerettet werden konnten, und die machtvollen Personen damals mit ins Grab begleitet hatten. Die Krone der Kaiserin, die zu feierlichen Anlässen getragen wurde, wirkt sehr schwer, wie sie mit Jadesteinen und Perlen bestückt ist, goldene Drachen und funkelnde Phönixe erzählen eine längst vergangene Geschichte. Selbst die kaiserliche Robe, die aus seinem Sarg entwendet worden ist, kann man hier betrachten, mein westlich geprägtes Auge muss an einen übergroßen Bademantel denken, dessen rote Drachen und goldene Stickereien einst den so verehrten obersten Herrscher kleiden durften. Aus der Rauheit der grauen Berge und der eisigen Winterluft des Nordens geht es zurück ins geschäftige Getümmel der Stadt, wo eine heiße Dusche schon auf mich wartet.
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Peter Hallo Bina, wir verfolgen jeden Deiner Einträge und sind immer gespannt, was Du zu berichten hast - auch wenn nicht jedesmal ein Kommentar kommt, freuen wir uns über jede Info von Deinen Abenteuern. Wir freuen uns aber auch schon, Dich bald in Hamburg wieder in die Arme nehmen zu können, aber noch sind es über 2 Wochen bis dahin...Für diese Zeit noch viele Erlebnisse und Eindrücke, wünschen wir! Schreib bitte noch mal die genauen Daten Deiner Rückkehr (Ankunftszeit und Flugnummer). Liebe Grüße von Papa und Mandy :-)