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Nach Chintsa und der Nacht- und Nebelübernachtung in Port Elizabeth wurden die Bushüpfer kürzer und sollten die landschaftlichen Reize größer werden. Mit der Garden Route hatte ich einen Küstenabschnitt vor mir, von dem dir jeder Südafrikaner etwas vorschwärmt. Ich habe einen Südafrikanerin gefragt, wo denn der Name herkommt. Ja, weil es einfach so schön ist. Naja, aber Garten und Natur wiederspricht sich doch irgendwie. Was ist denn jetzt so schön? Dann doch die Landschaft. Offiziell bezeichnet die Garden Route die Küste von Plettenberg Bay im Osten bis Mossel Bay im Westen, mein Reiseführer hat aber aus organisatorischen Gründen den Tsitsikamma Nationalpark, der sich östlich anschliesst, mit in das entsprechende Kapitel aufgenommen.
Die Gegend hat es mir nicht so leicht gemacht wie angenommen, sie schön zu finden. Nett ja, und sicherlich auch sehr interessant. Besonders die Vegetation im ansonsten trockenen Süden des Kontinents ist sicherlich etwas Besonderes. Dichte Urwälder mit Farnbäumen, Yellowwood Trees (die bis zu 40 Meter hoch und 1000 Jahre alt sein können) und eine Vegetationsform, die sich Fynbos nennt und sehr artenreich sein soll. Ansonsten teilt sich die Landschaft in eine Bergkette, die viel Niederschläge auffängt, eine Ebene, die in zahlreiche Canyons (südafrikanisch Kloofs) zerschnitten ist, und einen Streifen mit wieder endlosen Stränden auf. Beeindruckend wird der Nationalpark wirklich erst, wenn man ihm sehr nach kommt. Das bedeutet, auf Spaziergängen durch den Wald, wenn man auf kaum benutzten Wegen alle zwei Meter durch dichte, unsichtbare Spinnennetze läuft, die allerdings sehr gut zu fühlen sind. Oder wenn man in einen engen Kloof hinabsteigt, in dem Farnbäume und wilde Bananenbäumen wachsen und das Mikroklima plötzlich in tropisch umschwingt. Oder wenn man vor einem großen, alten Baum steht und überlegt, dass dieser Baum schon gestanden hat bevor die ersten Europäer einen Fuss auf südafrikanisches Land gesetzt haben.
Ab Storms River, meinem ersten Stopp im Nationalpark, war auch klar, dass sich hier ein touristisches Epizentrum des Landes befindet. Nicht in Bettenburgen oder Restaurantketten äußerst sich das, sondern in den Adventure Activities, sich einem aufdrängten. Und zwar war genau genommen die Palette an Möglichkeiten überall sehr ähnlich. Ob in Storms River, The Crags, Wilderness oder Mossel Bay: bungy jumping, kloofing (also Canyoning), sky diving, sand boarding, quad driving, canoeing, shark cage diving, ostrich riding, mountain biking, zip-lining. Dann gab es noch Safaris vom Pferderücken aus und Tierparks, die versprachen "you can touch a cheetah / a lion / an elephant here!". Alles war zu machen, alles zu haben. Aber vielleicht bin ich aus dem Alter raus, das alles machen zu müssen oder es nochmal machen zu wollen. Größtenteils. Eine Zip-Line-Tour habe ich zum zweites Mal gemacht und der Vergleich zu meinem ugandischen Zip-Line-Erlebnis war schon bemerkenswert, was Professionalität, Erfahrung, Ausrüstung und wahrscheinlich auch Sicherheit angeht. Nicht dass ich befürchtet hatte, dass damals in Uganda etwas hätte passieren können, das war schon alles okay damals, aber die südafrikanischen Standards sind um einiges höher. Und ich habe mir den Unterschied zwischen einer Canopy Tour (hier) und einer Zip Line Tour (anderswo) erklären lassen, nach örtlicher Definition: das Erlebnis von einem Baum zum nächsten zu "fliegen" mit Hilfe von Stahlkabeln PLUS Erläuterung der Vegetation und vorbeikommender Tiere oder eben eine profane Veranstaltung, wo dir keiner etwas erklärt und es nur auf den Rausch der Geschwindigkeit und der Höhe ankommt. Meine ugandischen Veranstalter haben mir einfach ganz viel erzählt, weil sie so stolz darauf waren, viel zu wissen und sie sich gefreut haben, dass jemand vorbeikam, dem sie das alles erzählen konnten. Wie's war, war's schön.
Fast das Netteste meiner beiden Aufenhalten im Nationalpark waren die Unterkünfte. In Storms River habe ich im Dijembe Backpacker's Hostel übernachtet, wo der Star der Mannschaft die Ziege, oder war es vielleicht ein Schaf?, mit Namen "Baz" war, wobei ich nicht weiss, ob die Namensähnlichkeit mit dem Busunternehmen zufällig oder absichtlich war. Baz, auf jeden Fall, scheint eine Ziege mit Dauerwelle zu sein und durfte und konnte im Hostel überall hin: nach oben in den ersten Stock (als Ziege sind Treppen kein Problem), auf den Tisch draussen auf der Veranda (ebenfalls kein Problem als Ziege), zu den Pferden oder überhaupt überall. Baz - die wahrscheinlich meist fotografierteste Ziege Südafrikas. Zur tierischen Besatzung gehörte ausserdem ein kleiner, sehr energischer Hund (wehe, wenn eine Gruppe Affen vorbeikam!) und zwei kleine Katzen, die hoch oben auf der Adoptionswunschliste besonders der Mädels standen. Es war schon eine sehr nette und relaxte Atmosphäre dort. Abends brannte eine Feuer im "Wohnzimmer", morgens gab es Pfannkuchen inklusive und den Tag hätte man in diversen Hängematten verbringen können.
Noch exotischer oder alternativer war jedoch das "Wild Spirit" einen Ort weiter in The Crags. Noch immer in Tsitsikamma, diesmal mitten im Wald bzw. zwischen zwei verwunschenen Tälern gelegen. Das Gelände ist das eines ehemaligen Farmhauses, dass seit etwa 20 Jahren als Hostel genutzt wird und immer weiter ausgebaut wird. Sämtliche Tätigkeiten, ob Küche, Rezeption, Bar, Swimming Pool oder Gästeküche bauen, Lagerfeuer unterhalten, den Garten bewirtschaften oder zur allgemeinen Unterhaltung der Gäste beitragen werden von Freiwilligen durchgeführt. Für ein paar Wochen oder Monate kann dort arbeiten, wer möchte - die genauen Konditionen kenne ich nicht - und die Leute kommen. Bunte Leute, schräge Leute, sehr nette Leute, Deutsche, Amerikaner, Südafrikaner, Hippies, Musiker, Alte, Junge - ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen. So entsteht eine besondere Atmosphäre, wenn abends am Lagerfeuer spontane Lieder komponiert und getextet werden oder morgens beim Frühstück in der Tree House Bar der Blick auf den Sonnenaufgang über die Tsitsikamma-Berge schweift. Wenn selbst etwas spiessig daherkommende deutsche Informatiker mir begeistert erzählen "Ich laufe jetzt auch nur noch barfuss rum." , muss da schon irgendwas in der Luft liegen. Vielleicht ein bisschen schräg manche Leute dort, aber von allen Hostels war dies definitiv das kommunikativste, mit einer richtigen Mischung an alternativ und naturnah und trotzdem gut organisiert und professionell sein. Auch hier gab es Hunde und eine Katze, aber keine Baz und die Katze lag "nur" gerne im Handwaschbecken im Tree House.
Das Abend- und Morgenprogramm war im "Wild Spirit" also recht entspannt und tagsüber ging es zur viert auf eine kleine Wanderung durch den Fynbos-Wald und einen Kloof runter zum Strand. Weil wir so schlau waren, keine Karte mitzunehmen, haben wir uns einer Stelle kurz verlaufen und einen kleinen Umweg gemacht und an anderer Stelle dafür die Gesamtstrecke mal eben um die Hälfte (unwissentlich) gekürzt. So hatten wir mehr Zeit am Strand und ich bin dort das einzige Mal im Indischen Ozean schwimmen gewesen. Zumindest kurz drin bin ich gewesen. Etwas länger dann in der Lagune, die, wie auch in Chintsa, sich an der Mündung eines Flusses in Kombination mit dem vorgelagerten Strand gebildet hatte.
Nach langem Hin und Her-Überlegen habe ich mir nach zwei Tagen überlegt, ob ich mit dem Baz Bus heute oder einen Tag später nach Knysna (ausgesprochen: Neissna) weitergefahren soll. Das "Wild Spirit" hat so was, dass einen da versacken lassen kann. Und doch, es wurde Knysna. Nur einen Katzensprung entfernt und von mittelstädtischer Größe. Endlich mal ein Supermarkt, Geschäfte, Restaurant, Postkarten und Souvenirs in fussläufiger und sicherer Entfernung und das Knysna Backpackers stellte ebenfalls einen interessanten Kontrast zum vorherigen Hostel da: klein, viktorianischer Baustil, die Innenraumgestaltung hat sich besonders an die Farbtöne flieder, zartgrau, taubenblau und weiss gehalten. Sehr kultiviert und ruhig. Knysna war mein erster offizieller Garden Route-Stopp und ab hier wurde mir auch bewusst, dass die Gegend, zwar sicherlich landschaftlich schön, aber auch sehr verbaut ist. Wo's schön ist, wollen halt alle hin. Ferienhäuschen, Apartmentwohnungen, B&Bs, Hotels, Restaurants wie an einer Perlenschnur aufgereiht auf einer Länge von vielleicht 80 bis 100 km. Ich möchte nicht wissen, wie es dort zur Hochsaison im Dezember/Januar ist, wenn Schulferien und südafrikanischer Hochsommer ist.
Südafrikanischer Tourismus heisst im Übrigen auch, dass das Gefühl in AFRIKA zu sein, auf andere Orte verlagert werden muss. Die Garden Route ist weiss, genau so wie die Nationalparks weiss sind oder die Weinanbauregion um Kapstadt herum weiss ist. In den schicken Restaurant sitzen nur Weisse, die Hotels, Agenturen etc. werden von Weissen geführt, die Touristen sind Weisse. So nett, wie der Bummel durch ein Städtchen wie Knysna oder Wilderness ist, so sehr könnte dieser Ort auch in einem anderen Teil der Welt, auf einen komplett anderen Kontinent liegen. Erst wenn man sich ein paar hundert Meter oder mehr von den Stadtzentren entfernt, bemerkt man die Stadtviertel, in denen die Schwarzen leben.
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Joachim A. Liebe Verena, jetzt funktioniert deine Blog-Seite wieder, und ich kann fragen, zu welcher Sprache gehört: "Knysna (ausgesprochen: Neissna)? - Zu deinem AFRIKA - Thema liegt nicht in Afrika: Also bei uns und in den Vereinigten Staaten existiert auch eine Trennung (Mauer und 'Sklaven'). Es wird sehr lange dauern, bis die Apartheid aus den Stadtvierteln verdrängt werden kann, weil die Touris angeblich ein angenehmes Ambiente schätzen. In Ganj, Indien, am Rande deer Wüste Thar liegt ein kleiner See. In diesem Orrt sind keine Fleiscchgerichte gestattet und kein Alkohol und keine Eier - jedoch am Rand versteckt gründete ein Österreicher ein Café und eine Bäckerei, in der es die besten Torten und Pfannkuchen und so weiter für die Touris gab! Wirklich lecker, und der dazugehörige Duft stammte nicht nur von den Bidis. Ich danke dir für deine Zeilen, die meine Erinnerungen etc. aktivieren Enjoy