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An dem Morgen, an dem ich Johannesburg oder Jo'burg oder Jozi verlassen habe, hat es geregnet. Der Himmel war entsprechend grau verhangen, die Nieselwolken lagen tief und die obersten Stockwerke der Wolkenkratzer in der Innenstadt wurden ihren Namen gerecht. Dazu kam und kommt, dass Downtown Jo'burg auch bei strahlendstem Sonnenschein einen trostlosen Eindruck gemacht hätte. Viele südafrikanische Innenstädten sind genau im Zentrum wenig ansehnlich und tourikompatibel. Das heisst, sie sind nicht schön, nicht sicher und damit kein Ort, an dem man sich wirklich gerne und freiwillig aufhält. Dies gilt besonders für die grossen Städte wie Johannesburg und Durban, aber selbst im Liebling aller Touristen, Kapstadt, liegen die netten Stadtteile etwas weg vom Zentrum. Mein Hostel in Jo'burg lag in Melville, wo Ineke und ich abends wenigstens noch fussläufig ein Restaurant erreichen konnten. In Kapstadt habe ich in Gardens gewohnt, wo ebenfalls um die Ecke eine ganze Reihe guter Kneipen, Cafes und Restaurants sind. Damit spreche ich von weissen Stadtvierteln. Weisse Einheimische, weisse Toruisten sitzen in den Lokalitäten, Schwarze bedienen, arbeiten als Parkplatzeinweiser, den einen oder anderen sieht man bettelnd in der Ecke sitzen oder schlafend in einer anderen Ecke liegen. Zum „Phänomen Südafrika" möchte ich aber später noch mal kommen.
Um 6:30 Uhr wurde ich zum ersten Mal vom Baz Bus am Hostel abgeholt und in den nächsten drei Stunden lernte ich weitere Hostels in der Stadt und sogar den Flughafen kennen auf dem Weg weitere Passagiere abzuholen. Der Baz Bus ist die einfache, aber manchmal etwas gedulderprobende Variante durch Südafrika zu reisen. Designt für Backpacker tingelt er in drei grossen Etappen fast täglich durch's Land, klappert dabei eine Auswahl an Backpacker Hostels ab und garantiert damit, dass man auf keinen Fall mit der bösen Auswelt der öffentlichen Langstreckenbusse und innerstädtischen Transportmittel in Kontakt kommen muss. Sicherheit - das grosse Thema in Südafrika; auch dazu möchte ich später noch ausführlicher kommen.
Mein Baz Bus Ticket hatte ich bereits in Kapstadt gekauft, es berechtigte mich dazu in einem freizugestalteten Zeitraum von Jo'burg nach Kapstadt zu reisen mit unbegrenzt vielen Zwischenstopps. Meist habe ich einen Tag vorher in der Zentrale angerufen, den Bus für die nächste Etappe bestellt und wurde dann immer zuverlässig mit +/- eineinhalb Stunden Pünktlichkeit abgeholt - door to door transportation. Da die Gesamtstrecke mehrere tausend Kilometer umfasst, gibt es drei Grossetappen, die man an einem Tag jeweils zurücklegen könnte: Johannesburg - Durban, Durban - Port Elizabeth, PE - Kapstadt. Anfangs waren meine Fahrtzeiten noch lang, das letzte Drittel der Strecke habe ich jedoch in vielen kleinen Hüpfen gemacht.
Erster Stopp: Drakensberg (ich bin immer versucht DrakensbergE daraus zu machen, einen guten, deutschen Plural, aber auf südafrikanisch heisst es tatsächlich nur Drakensberg). Die Gegend war mir als Wanderparadies empfohlen worden und auf ein bisschen Bewegung war ich wirklich aus nach den langen Busfahrten mit Nomad Tours. Um direkt mitten rein in die Berge zu gelangen, musste ich einen Umweg wählen, das heisst, der Baz Bus fuhr nicht bis zur Sani Lodge, sondern ich musste mich von einem Shuttle Service in Pietermaritzburg abholen lassen und von dort weitere eineinhalb Stunden bis in die Berge fahren. Da nun wieder einen ganzen Tag mit Transportbewegungen beschäftigt war, habe ich am Folgetag erstmal gar nichts gemacht. Ferien. Am Pool gelegen, mal nachgeguckt, was in meinem Rucksack so alles drin ist, meine Wäsche zum Waschen gegeben, gelesen, in der Gegend herum geguckt, am Abend dem Gewitter über den Bergen von der Veranda aus zugeguckt. Seit Wochen hatte ich nun mal Regen; als Nieselregen oder als Gewitter, beides sehr ungewohnt.
Die Sani Lodge liegt an der Strasse zum Sani Pass, der Sani Pass ist die Grenze zwischen Südafrika und Lesotho. Lesotho ist ein unabhängiger Staat, war nie eine Kolonie und ist so gross wie Belgien. Das Land ist ein Königreich und wird auch „kingdom in the mountains" genannt. Die Strasse, die dort hochführt, ist bis zur südafrikansichen Grenzstation, die noch unten im Tal ist (die sind ja nicht doof), asphaltiert und wird danach schotterig, steil, abenteuerlich. Zwar fahren sogar normale Minibusse mit normalen Leuten dort hoch und weiter in's Landesinnere, PKWs sollten jedoch besser Allradantrieb haben. Somit habe ich für den nächsten Tag eine Tour gebucht, hoch zum Pass, Grenzübertritt nach Lesotho (ein weiterer Stempel im Pass), Besuch eines traditionellen Rundhüttendorfes oben auf der Hochebene, ein kurzer Spaziergang zu einem Aussichtspunkt und abschliessend der Besuch des „höchstgelegenen Pub Afrikas" auf 2873 Metern, und der war richtig schick.
Die Menschen Lesothos leben dort oben von der Viehzucht. Unser Guide meinte die Big Five in Lesotho seien Schaf, Kuh, Ziege, Pferd und Esel. Vor einiger Zeit hat der König von Lesotho einmal von den Engländern eine Decke geschenkt bekommen, eine ganz normale Wolldecke. Seit damals hat sich der Besitz einer Wolldecke zum Statussymbol entwickelt und heute sieht man die Hirten eingewickelt in eine Decke und mit Gummistiefeln durch die Gegend laufen - beides eben ein Zeichen relativen Reichtums. Irritiender ist nur der Anblick der Strassenbaukolonne auf lesothischer Seite. Dort, wie auch in anderen Teilen Afrikas, bauen die Chinesen die Strasse aus. Konkret sieht das so aus, dass sie mit schwerem Gerät zu Gange sind und ein chinesischer Vorabeiter jeweils eine kleine Gruppe Einheimischer „betreut". Mich würde interessieren, wie in diesen Arbeitsgruppen die Kommunikation funktioniert. Unser Guide war auf jeden Fall wenig begeistert von den Chinesen. Er meinte, sie würden sich einen Dreck um die Umwelt kümmern und zum Beispiel Altöl aus den grossen Baggern einfach rechts und links der Baustelle entsorgen.
Leider war das Wetter etwas gemischt, viele Wolken hingen in den Bergen und doch gab es vereinzelte Sonnenstrahlen. Riesige Schafherden wurden über die Hochebene getrieben und in der Bäckereihütte bekamen wir frischgebackenes Topfbrot zu essen.
Der nächste Tag war sonnig von Anfang bis Ende. Jeder einzelne Tag in Südafrika hat sein eigenes Wetter gehabt. Zu erst dachte ich, in den Bergen gibt es jeden Abend ein heftiges Gewitter, dann dachte ich später, an der Küste ist es immer warm und sonnig, dann an der Küste ist es immer nebelig. Nichts davon hat für länger als einen Tag Bestand gehabt. Aber dieser Tag war warm, sonnig und damit perfekt zum Wandern. Direkt von der Lodge aus ging ein Wanderweg hoch zu den „Balancing Rocks" - man konnte sie bereits von der Strasse aus sehen und doch sollte die Wanderung hoch und wieder runter zwischen sechs und sieben Stunden dauern. Charlie hatte sie am Vortag gemacht und sich ziemlich verlaufen. Sie geben dir eine nicht sehr detailreiche Karte und eine Beschreibung der Route. Der Weg selber ist nicht markiert, aber ganz wichtig ist es, an dem grossen Felsen nach dem komisch aussehenden Farnbaum links abzubiegen. Aha. Im Nationalpark soll alles so natürlich wie möglich gehalten werden, keine Markierungen sollen stören und die Leute sollen sich lieber ihren Weg selber suchen und dabei die Vegetation nach Belieben zertrampeln.
Auf dem Weg hoch habe ich mich nicht verlaufen, ich bin brav an dem grossen Felsen abgebogen und habe mich sehr gefreut, nach zwei Stunden Wanderzeit plötzlich Telefonempfang zu haben und Whatsapp-Nachrichten empfangen zu können. Schon auf dem Weg nach oben waren die Ausblicke phantastisch, runter in's Tal, nach einer kleinen Runde oben auf einem Hochplateau, konnte man vom höchsten Punkt aus Richtung der Berge und Lesotho blicken. Grün, baumlos, endlos. Der Weg nach unten hätte auch einfach sein können, schiesslich hatte ich mein Ziel die ganze Zeit im Blick und kannte den Weg ja vom Hinweg. Aber es gab halt mehr als nur einen Pfad und ich habe mich verlaufen. Nichts dramatisches, aber der kleine Umweg hat die Wanderung mal eben um eine Stunde verlängert. Somit war ich sehr froh, als ich wieder unten in der Lodge war und vom Pool aus den Blick auf die „Balancing Rocks" geniessen konnte.
Nächster Stopp war Durban, drittgrösste Stadt des Landes und es hat mir dort nicht sonderlich gefallen. Das Wetter war schwülwarm, die Innenstadt wie oben beschrieben und der Strand zwar endlos lang und das Wasser des Indischen Ozeans zwar angenehm warm, aber die starke Brandung lud nicht ausdrücklich zum Schwimmen ein. Mein Backpacker Hostel war jedoch nett, hatte einen kleinen Pool und ich bin am Sonntagmachmittag mal im Kino gewesen, als gerade eine tropische Regenschauer den Aussenaufenthalt etwas unbequem machte.
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