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In Deutschland steigt man zum Beispiel in den Zug, um von A nach B zu kommen. Dann ärgert man sich vielleicht über Verspätungen, den verpassten Anschlusszug, die nicht funktionierende Toilette. In Äthiopien ist das alles anders. Es gibt übrigens eine (theoretische) Zuglinie - von Dschibuti nach Addis - praktisch fährt da jedoch kein einiziger Zug.
Nein, auf langen Strecke (ab 250 km) nimmt man einen recht komfortablen Bus. Das Ticket wird einen Tag vorher gekauft, die (theoretische) Abfahrtszeit wird mit 5 Uhr morgens angegeben, die tatsächlich erfolgt um 6 Uhr. Wegen der besonders hohen Unfallgefahr in der Nacht sind für Busse nur Übertagfahrten gestattet. Deswegen muss es früh losgehen. Um 18 Uhr wird es dunkel und für die 450 Kilometer von Addis nach Bahir Dar am Lake Tana braucht man schon mal schnell (falsches Wort an dieser Stelle) 10 Stunden. Während der Fahrt laufen äthiopische Musikvideos (ich erkenne schon Lieder wieder) oder äthiopische Filme. Einmal dachte ich kurz es käme Kung Fu Panda, aber das haben sie dann doch nicht gezeigt. Um die Frühstückszeit wird ein süsses Brötchen und eine kleine Flasche Wasser gereicht. Um zu den Toiletten zu kommen, die in Deutschlands Zügen ja immer nicht funktionieren - in Äthiopien immer: Der Bus hält an am Strassenrand, alle steigen aus, alle Männer stellen sich in der Reihe auf oder sonstwo in der Landschaft und pinkeln. Was die Frauen machen, weiss nicht. Ich habe mir in vorauseilendem Gehorsam das Trinken sehr eingeteilt und musste einfach nicht. Zur Mittagspause wird in einer Stadt mit Restaurationsbetrieb angehalten und 30 Minuten hat man Zeit zum Essen. Bemerkenswert fand ich, dass über die dortigen Toiletten selbst die Einheimischen (Frauen) die Nase gerümpft haben. Frauen sind wie so oft im Nachteil. Nach endlos erscheinenden Stunden kommt der Bus an. Wahrscheinlich sogar pünktlich. Man weiss ja die genaue Ankunftzeit nicht.
Viel spannender im Vergleich zu den langweiligen und langatmigen Fahrten in den Luxusbussen sind die Kuzzstreckenfahrten in den Minibussen.
Ich erzähle mein heutiges Erlebnis: Als ich heute Morgen um 8 Ihr mein Hotel in Bahir Dar verliess, stand - wie zufällig - ein Minibus vor der Tür. Eigentlich gehören die in den Bushof; das ist ein ziemlich chaotischer Ort, an dem gefühlt hunderte von Minibussen und ebenfalls gefühlt tausende von Passagiereintreibern, Busfahrern und auch einige Passagiere herumstehen. Das Minibusgeschäft ist hart umkämpft läuft nach dem Prinzip „gefahren wird erst, wenn der Bus voll ist und wenn der Dachgepäckträger definitiv überladen ist". Deshalb, als der Bus also vor dem Hotel stand und zwei andere Rucksacktouristen auch gerade dabei waren einzusteigen, dachte ich mir es wäre vielleicht einen gute Idee, der freundlichen Einladung des „I'm the manager" zufolgen und mir das Chaos am Bushof zu ersparen. Die 200 Birr, die ich für diesen besonderen Service, bezahlt habe (ca. 8€), hat die Busfahrt dann doppelt so teuer gemacht wie der Einheimischenpreis. Aber zu diesem Zeitpunkt dachte ich ja noch, ich hätte geschickt gehandelt und würde für mein Geld etwas bekommen. Was ich dann bekam war ein ziemliches Abenteuer. Vom Hotel ging es, überraschenderweise, zum Bushof. Wir sassen schliesslich erst mit drei Leuten im Bus, es gab also noch viele nicht verkaufte Plätze. So wie ich das beurteilen kann, haben sie zu Dritt daran gearbeitet, die Plätze zu füllen. Aber das dauerte natürlich. Um 9 Uhr waren erst vier weitere Plätze belegt. Dann fuhr man einmal um den Block, um ein wenig Bewegung in die Sache zu bringen und einen neuen, besseren Standplatz zu ergattern. Wir befanden uns übrigens die ganze Zeit auf der Strasse vor dem Bushof. (Wird nachher noch wichtig.) Das Geschäft lief schleppend oder normal (ich weiss es nicht). Ein, zwei neue kamen dazu. Der Bus setze zu einer weiteren Blockumrundung an, fuhr dann jedoch ein paar Strassen weiter, bog einmal rechts am Kreisverkehr ab und hielt an. Und das war ein Fehler. Genau dort stand ein Polizist, der plötzlich wissen wollte, ob denn alle Passagiere einen Fahrschein, also einen Quittung, hätten. Hatte keiner. Grosses Gezeter, grosse Aufregung, grosses Gezanke auf Seiten des Fahrers und des „Managers". Der Polizist hatte richtig was zu tun. Das Ganze habe ich nur verstanden, weil einer der beiden Backpacker, beide Italiener, ein wenig Amharisch verstand. Die Strafe muss wohl ziemlich hoch gewesen sein. Ganz grosses Drama. Es war auch nicht ganz klar, ob wir denn nun mit diesem Bus nach Gonder fahren können würden oder nicht. Die Meinungen gingen auseinander. Wir waren sozusagen illegale Buspassagiere. Letztendlich ging es wieder zurück zum Bushof (diesmal auf den Bushof), wo der noch wütende Polizist uns bereits in Empfang nahm, immer mit seinem Strafzettelblock hantierend, und den Bus festsetzte. Alle raus, alles abgeladen und nach zwei, drei hektischen Minuten sassen wir drei Touris in einem anderen Minibus, der mit uns sogar voll war und kurz darauf - es war inzwischen 10:30 - losfahren konnte.
Die Fahr nach Gonder hätte in etwa 2 ½ Stunden dauern sollen für 175 Kilometer. Doch was alles noch auf dem Weg zu erledigen war. Zum Beispiel die beiden hinteren Reifen ein bisschen aufpumpen lassen. Zweimal. Müsste das einem Sorge bereiten? Oder einmal anhalten, um professionellen Wegesrandbetern eine kleine Spende zu geben. Na das beruhigt auf jeden Fall. So richtig zeitraubend war allerdings die Aktion mit dem Paketlieferservice. Wir waren noch nicht ganz aus der Stadt raus, als wir quasi überfallen wurden von jungen Männern, bestimmt 20, die alle schnell und mit besonderem Nachdruck ein Paket mit dem Minibus transportieren lassen wollten. Am besten auf dem Dach oder auch in jeder noch freien Ritze im Businneren. Zuerst wollte der Fahrer nicht richtig, hat sich aber nicht irgendwie nicht wehren können. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dann wurden Paketen aufs Dach befördert, ohne Ende, noch eins und noch eins. Das war ein richtiger Kampf. Ein paar Tüten mit Kräutern (?) kamen hinter den Beifahrersitz und nach ca. 20 Minuten Hin und Her und quetschen und verschnüren ging es weiter.
Einerseits könnte man meinen, der Zeitfaktor spiele bei der ganzen Sache überhaupt keine Rolle. Andererseits musste der Fahrer aber dann auf der Strasse so schnell fahren wie nur irgend möglich. Das Problem mit der Strasse war, dass es eine gute Strasse war. Das bedeutet, man kann, nein, man muss schnell auf ihr fahren. Ich habe in meinem Reiseführer gelesen, seitdem es in Äthiopien diese schönen (von chinesischen Firmen gebaute) Strassen gibt, kommt es zu viel mehr Unfällen, weil alle einfach nur rasen.
Ein weiterer Stopp ergab sich, als plötzlich noch ein „freier" Platz entdeckt wurde, auf einem Benzinkanister mit Sitzpolster, der dann flugs mit einer Mutter mit Baby gefüllt wurde. Somit befanden sich im Businneren, einschliesslich des Fahrers, 18 Personen und ein Baby. Tatsächlich gab es auch so viele Sitzplätze, plus Benzinkanister. Und trotzdem hat sich das alles sehr beengt angefühlt. Nun stellt sich noch die Frage, was wurde aus den Paketen? Schliesslich wurden die nicht einfach an das nächste örtliche Postamt geliefert. Stattdessen funktionierte das so: An verschiedenen Stellen der Strasse stand jemand, der per Telefon informiert worden war, da kommt gleich der und der Minibus und da kannst du dein Paket in Empfang nehmen. Zwischendurch gab es noch eine weitere Abladestelle, da wurde eine halbes Hausinventar vom Dach des Minibusses geholt: eine Matratze, mehrere Stühle, Holzpaletten, Bretter, ein Tisch, irgendwas aus Plastik und ein Spiegel. Ganz erstaunlich, die Transportkapazität dieser Minibusse. Da muss man auch wirklich darauf achten, dass die Reifen immer aufgepumpt sind.
Um genau 13:30 sind wir in Gonder angekommen. Das war wahrscheinlich sowieso die offizielle Ankunftzeit. Was hätte ich auch schon um 10:30 dort machen sollen (Abfahrt vom Hotel 8Uhr). Somit war klar, dass ich mich am Nachmittag nur noch von dem Ganzen erholen würde und damit war der Tag schon erfolgreich gefüllt.
Sollte ich aus dem Allen nun etwas gelernt haben? Steige nie in einen noch leeren Minibus ein? Lass dich nie vorm Hotel von Busmanagern zu irgendwelchen überteuerten Deals überreden? Gehe nie davon aus zu einem bestimmten Zeitpunkt irgendwo zu sein? Glaube nie, dass nicht wirklich noch eine weitere Person in ein Fahrzeug hinein passt? Ach, ich glaube, das gehört einfach alles dazu. Und ich muss ja auch erst in knapp vier Monaten in Kapstadt sein. Obwohl, insgeheim habe ich mir mal das inneräthiopische Flugnetz anschaut, für den vielleicht schon bald eintretenden Fall, dass ich keine Lust mehr auf Minibusabenteuer mehr habe.
Mein Freund hat mich heute gefragt, warum ich nach Afrika gefahren bin. Warum? Weil es anders ist. Definitiv anders als zu Hause und auch anders als sonstwo auf der Welt.
Anders ist zum Beispiel, dass man wohl nicht von Strassenverkehr sondern eher von Strassenleben sprechen sollte. Was sich da alles tut auf der Strasse. Ich hatte das Glück, auf der hintersten Bank zu sitzen und somit einen guten Blick zu haben hinten raus auf die Strassen zu haben. Herden von Kühen oder Eseln waren da unterwegs, auch vereinzelt eine Ziege oder ein Hund. In den Städten viele Menschen, Frauen mit weissen Schals oder Regenschirmen gegen die Sonne. Jungen, die als Bauchladenverkäufer an den Bus kamen. Kaugummis, Tempotaschentücher, Getränke, was man so braucht. Ausserdem ging es durch eine atemberaubend schöne Landschaft. Schon auf dem Weg von Addis nach Bahir Dar ging es durch die Schlucht des Blauen Nils. Da haben selbst die Einheimischen Fotos mit ihren Handys gemacht. Auf der Strecke nach Gonder ging es zunächst durch Flachland in der Nähe des Lake Tana. Durch noch nicht abgerntete Getreidefelde. Vorbei ein Feldarbeitern, die mit Sicheln Heu schnitten und auf große Haufen aufschichteten. Dann durch einen Gebirgszug, aus dem vereinzelten Felsstelen riesengroß herausragten. Ich habe Fotos mit meinem Handy gemacht, habe aber leider Schwierigkeiten die über Bluetooth auf mein Tablett zu laden. Überhaupt habe ich Probleme, Bilder hochzuladen. Kann an der nicht immer guten Internetverbindung liegen. Ich weiss es nicht. Einmal hat es ja geklappt, dann nicht mehr.
Während ich dies schreibe, sitze ich auf der Dachterrasse meines Hotels in Gonder. Mit wunderschöner Aussicht ins Tal und einem direkten Blick auf die geschäftige Strasse unterhalb. Eben haben da noch ein paar Jungs mit einem Lumpenball Fußball gespielt. Jetzt hört man den Schreiner hämmern, in der Ferne einen Hahn krähen, noch weiter entfernt ein paar Fahrzeuge fahren und hupen. Dabei ist bestimmt auch der eine oder andere Minibus auf der Suche nach legalen oder illegalen Passagieren.
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Julia B Illegale Passagiere und Kräuter (?) im Bus?! Verena! Ich liebe deine Abenteuer! Mehr davon;-)
Christiane Sch. Deine Erlebnisse sind einfach unfassbar und du beschreibst sie so toll. Und das alles, während ich heute Adventsdeko aufgebaut habe. Kaum zu glauben, dass die Welt trotz Globalisierung noch so bunt sein kann.
Joachim A. Hi Verena, ich habe mir deine Reisebeschreibung mal genau durchgelesen. Mädchen du bist in der falschen Richtung unterewegs, wenn du wirklich nach Kapstadt willst. Das liegt im Süden des Kontinents. Und ich danke dir, dass ich von dem höchssten See in Afrika lesen durfte. Wikipedia hält auch herrliche Fotos bereit, ob nun Bahir Dar oder vom riesigen See. Viel Freude beim Schreiben weiterhin und welchen (religiösen oder para-religiösen) Riten begegnen dir?