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Four-thirty, Solomon!!
Zurück aus der Danakil-Senke. Dieser Ausflug war das genaue Gegenteil meiner beschaulichen Wanderung durch die Simien Mountains. Diesmal ging es mit einer grossen Gruppe los, wir sind lange Strecken mit dem Jeep gefahren, dafür waren die Landschaften fast noch spektakulärer als in den Bergen und es hätte diesmal politisch und theoretisch tatsächlich gefährlich werden können.
Als ich am Vorabend die Tour gebucht habe, war die Gruppe bereits 19 Mitglieder gross, am nächsten Morgen waren es dann 24. Naja, schliesslich ist der logistische Aufwand gross und vielleicht ist es auch ganz gut, in einer ansonsten so lebensfeindlichen Umgebung nicht völlig alleine zu sein. Um 11 Uhr setzte sich die Karavane von sieben Autos von Mekele aus in Bewegung. Mit nur wenigen Zwischenstopps zum Fotografieren, zum Mittagessen, um einige Polizisten anzumieten, Genehmigungen einzuholen und Gebühren zu zahlen ging es hinunter in die Danakil-Senke, der Hitze entgegen.
Am späten Nachmittag erreichten wir unser Nachtlager in Hamedela. In Mekele sind wir auf 2060 Metern über dem Meeresspiegel am Morgen abgefahren, nun waren wir 100 Meter unter dem Meeresspiegel. Und es waren nur 38 Grad im Schatten. Verhältnismässig niedrige Temperaturen hat man mir gesagt, im Sommer können es auch 50 Grad im Schatten sein. Ausserdem wehte ein angenehmer Wind die ganze Zeit über; also, es hätte schlimmer sein können. Geschlafen haben wir in dieser Nacht, wie auch in den nächsten zwei Nächten unter freiem Sternenhimmel. Es regnet ja nicht in der Wüste und die 25 Grad in der Nacht waren geradezu angenehm.
Hightlight des Tages war der Sonnenuntergang am Salzsee, den wir als erstes besuchten, und der Vorbeizug der ersten Kamelkaravanen. In der Danakil-Senke gibt es umfangreiche Salzschichten, die von den Afar, in Handarbeit abgebaut werden. Die heraus gehauenen Salzblöcke werden mit Kamelen oder Eseln in die nächste Stadt transportiert und dort verkauft. Seitdem ich diese endlosen Reihen gesehen habe, werde ich nie wieder Schafe, sondern nur noch Kamele zählen zum Einschlafen, denn mit ihrem langsamen, leicht w***enden Gang haben sie eine viiiiiel beruhigerende Wirkung als herumzappelnde Schafe. Der Salzsee, Lake Assal, ist mal hier, mal da, aber immerhin gibt es ihn, also es gibt Wasser in der Wüste, keine Ahnung, wo es herkommt. Seine Lage hängt ab von der vorherrschenden Windrichtung. Nach Aussage von Dani, unserem Fahrer, war er letzte Woche eben nicht da, wo wir an diesem Abend die Sonne haben untergehen sehen. So spiegelte sich aber die Sonne wunderschön im seichten Wasser, aus dem nur kleine Häufchen oder Fahrrinnenreste von Salz hervorlugten.
Der nächste Tag brachte erneut Kamel an Kamel auf dem Weg zur Salzmine. Dort haben wir einen kurzen Stopp eingelegt auf dem Weg nach Dallol, wo es heisse Quellen mit gelb bis orangefarbenen Ablagerungen und teilweise türkisem Wasser zu bestaunen gab. Sehr farbenfroh, absolut unnatürlich aussehend und wie von einer anderen Welt. Ein See dann hatte tiefbraunes, leicht blubberndes Wasser, das seine Farbe änderte, in gelb, wenn man es in eine Plastikflasche abfüllte und schüttelte. Vögel, die von dem Wasser getrunken haben, verendeten in wenigen Minuten. Einige der toten Vögel lagen in unmittelbarer Nähe zum See. Bemerkenswert war sicherlich noch, dass es keinerlei Absperrungen oder spezielle Gehwege gab im ganzen Gebiet. Wir sind ziemlich querfeldein gelaufen und haben sicherlich einiges an Salzkristallen einfach kaputt getrampelt.
Die zweite Übernachtung fand etwas höher in den Bergen in einem Dorf und erneut unter freiem Himmel statt, damit war es nachts wieder ein klein wenig kälter. Es gab diesmal traditionell äthiopisches Essen und dafür wurde sogar extra ein Lamm geschlachtet. Wer wollte, konnte zugucken; ich wollte nicht.
Am dritten Tag bzw. in der dritten Nacht gab's das Hightlight der Tour überhaupt. Irta'Ale - der einzige aktive Lavasee der Welt. Um dorthin zu velangen sind wir beinahe den ganzen Tag noch einmal mit dem Auto unterwegs gewesen. Zwar sind die Strassen inzwischen grösstenteils asphaltiert - ein bisschen arbeiten sie noch dran -, aber die letzten Kilometer ging es über Sand und schliesslich über einen dicken Lavastreifen. Holter die Polter. Aber die Fahrer haben bewiesen, dass sie ohne Probleme auch an der Rallye Paris - Dakar teilnehmen könnten. Neben relativ vielen frei herumlaufenden Kamelen, einigen Menschen, haben wir auch eine Gruppe Strausse in der Ferne gesehen. Mittagessen gab es in einem kleinen, staubigen Dorf. So weit ich das beurteilen kann leben die Menschen hier - ausser von den gelegentlich vorbeikommenden Touristen - von Ziegen und dem, was sie trotz Hitze und Trockenheit anbauen. Irgendwie geht das, scheinbar.
Das letzte Wegstück hinauf zum Kraterrand war nur zu Fuss oder evtl. auf dem Rücken eines Kameles möglich. Zwar war es nur ein angenehm flacher Anstieg, die Temperaturen tagsüber hätten ihn jedoch unerträglich gemacht. Also ging's erst nach Sonnenuntergang los. Eine Drei-Stunden-Wanderung, zwei Liter Wasser, 600 Höhenmeter, zehn Kilometer - und dann standen wir oben am Kraterrand und blickten hinein in den Kratersee. Heisser, starkriechender Qualm stieg aus dem Inneren auf und je nach dem, wo man stand und aus welcher Richtung der Wind kam, bekam man die volle Ladung ab. Gesund war das bestimmt nicht. Aber das, was sich da im Kraterinneren abspielte, war natürlich wichtiger. Der Geruch lässt sich mit nichts vergleichen, das war kein Schwefel, kein metallischer Geruch, das war einfach der Geruch von brodelnder Lava. Meine Haut, meine Haare, meine Kleidung stanken nachher ordentlich danach.
Jetzt darf man sich den Lavasee nicht wie ein einzige flüssige Masse an orangeroter Lava vorstellen. Grosse Teile der Oberfläche waren halbwegs erstarrt, konnten aber jederzeit aufreissen und zu spritzen beginnen. Risse zogen sich durch die oberste Schicht, die auseinander trieben oder auf einander zu; wie die grossen Platten der Erdkruste. Eine Stelle am hinteren Rand des Kraters war jedoch höchst aktiv. Da brodelte es ordentlich und dadurch, dass alles andere in völliger Dunkelheit lag, es war mittlerweile nach 22 Uhr, wirkte das Ganze wie ein Feuerwerk. Was für ein Spektakel. Immer wenn der Wind stärker wurde oder sich drehte, verschob sich die Masse der „Zuschauer". Wir waren nicht die einzige Gruppe dort oben. Insgesamt, hmm, waren es vielleicht 50 bis 60 Leute.
Ich weiss gar nicht genau wie lange ich oben war, hin und her gerissen zwischen diesem Schauspiel und dem ungemütlichen Gefühl immer wieder im heissen Lavawind zu stehen. Irgendwann nach 23 Uhr sind wir hoch zum äusseren Rand des Kraters, wo wir in Schlafsäcken und auf Matratzen, die die Transportkamele hoch gebracht hatten, geschlafen haben. Geschlafen habe wir bis uns alle um 4:30 Uhr eine energische Stimme weckte. „Four-thirty, Solomon!! Four-thirty, Solomon! Four-thirty!!!"
Zur Erklärung: Solomon war einer der Guides. 4:30 war die Uhrzeit, zu der wir aufstehen sollten, um vor und zum Sonnenaufgang erneut zum Kratersee zu gehen und die energische Ruferin war eine kleine Chinesin. Unser aller Lieblingschinesin; eine Frau, die eher einer Cartoonfigur ähnelnde als einem wirklichen Menschen. 1,50 Meter gross, sehr direkt, sehr laut, sehr kompliziert, immer alles genau wissen müssen, aber häufig nur die Hälfte verstehen und sich absolut nicht der Tatsache bewusst, wie sie auf andere wirkt. Einmalig, eigentlich nervig, aber irgendwie auch sympatisch. Nunja, und sie sorgte also an diesem Morgen dafür, dass keiner von uns verschlafen musste, nur weil der arme Solomon offensichtlich zu spät dran war.
So ging es zum zweiten Mal im Dunkeln zum Lavasee. Diesmal hatte sich die Hauptaktivzone etwas verlagert und mit zunehmenden Licht konnte man auch die Konturen der halb abgekühlten Oberfläche besser ausmachen. Kurz nach Sonnenaufgang mussten wir uns schleunigst auf den Rückweg zu den Jeeps und zum Frühstücksbuffet, sonst wäre es wieder viel zu heiss zum Wandern geworden. Gegen 10 Uhr machten wir uns auf die Rückfahrt mit den Jeeps und waren um 15 Uhr in Mekele. Als ich heute noch einmal auf eine grosse Karte von Äthiopien geguckt habe, ist mir aufgefallen wie nah wir an der Grenze zu Eritrea waren. Diese Grenze, die von der UNO noch nicht anerkannt und wegen der wir während der gesamten Tour von unterschiedlich vielen, aber stets bewaffneten, Polizisten begleitet wurden.
Das waren wohl die Höhepunkte der Tour. Ausserdem könnte ich aber noch erzählen von den Kindern, die zum „faranji"-Gucken kamen im Dorf, dem Skorpion in der Dusche (habe ich selbst nicht gesehen), den sechs fröhlichen, jungen Israelis in der Gruppe, der chinesischen Oma, die mit dabei war, den Fliegen beim Frühstück oder den vier verrückten Italienern. Also, es war rundherum bunt und beeindruckend.
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UTE Menschenskind, Verena ! So krass unterschiedlich kann man auf diesem kleinen Planeten unterwegs sein...Wildfleisch kochen/ braten, anstatt der Tötung eines Lammes zuzuschauen, 5 Grad Celsius und orkanartige Böhen zu Weihnachten... bibbernd mit Heizkissen im Bett, anstatt unter freiem Himmel bei 50 Grad C in der Wüste...Polizistenfrei durch das Dreiländereck düsen, um die Jahreswende vorzubereiten....etc....Ja, jetzt haben wir ein wenig frei und können die Seele baumeln lassen..., "bunt und beeindruckend" finde ich hier fast nichts, aber es ist oftmals "lecker gemütlich"...., ohne direkte politische oder latente naturale Bedrohungen...Und dennoch :je mehr ich deine oder anderer Menschen Blogs lese, desto mehr spüre ich die große Reisesehnsucht auch in mir...eine komplett andere Selbstfindung, als hier "stecken" zu bleiben und die Verantwortung zu sehr auf Mitmenschen zu beamen, anstatt auf das eigene Selbst...blabla... Hab' eine angenehme Jahreswende, take care and keep goin'
Angela Liebe Verena, selbst unserer Isländerstute war es zu stürmisch zum Ausreiten - zu viele Trolle und Feen unterwegs - und das will ja was heißen, denn sie müsste ganz anderes gewöhnt sein... Ich tröste mich derweil am Kaminfeuer und freue mich auf die Bücher, die ich lesen will. Schön ist, dass alle Kinder, auch das schon ausgezogene 20jährige, da sind, nebst Freundinnen und Freunden. Es ist also in gewisser Weise auch "bunt und beeindruckend" bei uns zu Hause. Lass uns weiter so schön teilhaben an deinen "Abenteuern" und genieße das Reisen! Komm gut in ein neues Jahr, das viel Platz hat für alles, was dir wichtig ist! Angela
Joachim A. Liebe Verena, hoffentlich besorgt dir ein Guide einen herrlichen Tannenbaum und Lametta und einen Trompeten-Engel undviele viele Kerzen und den Frieden auf Erden in Afrika. Jesus soll aber in Kaschmir beerdigt sein. Ich glaube kaum, dass ich dich an deinem nächsten Geburtstag besuchen komme. All the best from the bottom of my heart Joachim A.
Anne Killewald Hallo Verena, aus dem ungemütlich grauen und vollständig unbeeindruckenden Essen schicke ich Dir frohe Grüße zum Weihnachtsfest. Ich hoffe, Dir geht es gut! Pass gut auf Dich auf! Anne
Bärbel Leurs Hallo Verena, vielen Dank für den sehr abenteuerlichen Reisebericht. Ich wünsche Dir dort in der Ferne alles Gute und für die kommende Zeit und das neue Jahr viele solcher Glücksmomente und vor allem - bleib gesund-