Profile
Blog
Photos
Videos
Hola
In La Paz hatten uns einige Tourmitglieder verlassen und neue sind zu uns gestossen, die jedoch nicht in die Gruppe passen - dies sind ein älteres Ehepaar aus Kanada, ein rüstiger Engländer und eine Mr Bean Imitation, nur leider nicht ganz so lustig (und eine Schweizerin, die ok ist). Mich stört dies nur beschränkt, da ich mit dem australischen Pärchen Steph & Tom, dem Norweger Magnus und den Engländerinnen Roya & Fern gute Reisefreunde kennenlernen durfte, mit welchen ich die vielen Stunden in Bussen und Zügen mit dem Spiel "Arschloch" überbrücke. Interessanterweise verliere ich oft, ziehe somit oft die Arschkarte. Ich versuche mich jedoch mit dem Sprichwort "Pech im Spiel, Glück in der Liebe" zu trösten - 2012 muss diesbezüglich ein Hammerjahr werden ;-)
Von La Paz fuhren wir den ganzen Tag per Bus und Zug nach Uyuni, das den Übernamen "Hija Predilecta" (= die bevorzugte Tochter Boliviens) hat. Dies war der Ausgangspunkt für die 3-tägige Jeeptour zur berühmten Salzwüste, wo wir viele lustige Fotos schossen, als auch zu den verschiedenen herrlichen Lagunen wie der Laguna Verde (5'000 m.ü.M.) und Laguna Colorada (4'278 m.ü.M.), wo sich viele Flamingos tummeln. Da sich diese Orte über 4000 m.ü.M. befinden, wird es in der Nacht recht kalt, doch eingepackt in einem warmen Schlafsack hält dies einen nicht vom Schlaf ab, sondern eher die anderen Jungs im Massenschlag und mich im Speziellen meine nervige Erkältung, die meine R.E.M.-Schlafphase stark einschränkte. Der morgendliche Coca-Tee weckte aber auch meine Geister und spätestens im Jeep mit aufputschender Musik aus meinem MP3-Player, verbunden mit der Musik-Anlage des Jeeps, waren wir alle wach und fanden dann auch die Energie für meine erfundenen Tänzchen im Auto - anfangs der Fingertanz, als Fortsetzung der Schultertanz, die in der Gruppe ein Markenzeichen für mich wurden, bevor ich eine kleine Choreographie für alle im Auto kreierte - ein Riesengaudi ;-)
Um unseren müden Knochen ein wenig Erholung vom vielen Autofahren zu gönnen, sprangen die meisten in einen kleinen heissen Thermalpool, wo wir unsere Kehlen mit einem einheimischen Bier kühlten und für den Abend ölten. Wegen meiner Erkältung verzichtete ich vorerst aus Vernunft auf das Planschen, doch nach gutem Zureden meiner Reisefreunde, liess auch ich meine Hüllen fallen - keine Angst, eine Schicht behielt ich wie die anderen an, ich wollte weder die einen schockieren noch die anderen neidisch machen. Die grösste Herausforderung bestand später darin, sich zu motivieren, aus dem angenehmen Wasser zu klettern und zum Jeep mit den Kleidern zu rennen - dem kühlen Wind ausgesetzt, brr!
In dieser Gegend waren Vulkane wie Pilze aus dem Boden geschossen und einige zeigen mittels Schnarchen und Furzen, dass sie noch am Leben und einzig im Dornröschen-Schlaf sind. Diese brodelnden Geysire sind eindrücklich, doch weniger für ein Bad geeignet, nicht nur wegen der giftigen Dämpfe, sondern vielmehr würde man dort wie in der Hölle gegrillt. Für einige Völker sind Vulkane die Eingänge zur Hölle. In Anbetracht, dass diese Vulkane über 5'000 m.ü.M. sind, ist der Weg zur Unterwelt hier noch weiter als an den meisten Orten, dafür ist es zum Himmel näher. Leider verfüge ich über keine Statistik für die Bolivianer, wie viele Prozente schlussendlich den Weg in den Himmel finden. Die verlassenen, immensen Andengebiete sind das Zuhause von Chinchillas. Ich hatte auch das Glück ein Tier der Chinchilla-Familie in den eindrücklichen Felsformationen zu erspähen, obwohl es ein nachtaktives Tier ist. Leider hüpfte es weg, als ich näher kam - hätte doch mein Haustier-Chinchilla dies doch vor über 10 Jahren auch gemacht!
Die nächste Station war Potosi, das im 17. Jahrhundert eine der grössten und reichsten Städte der Welt war. Dies hatte sie ihrem grossen Silbervorkommen in der Hochgebirgssteppe um den Cerro Rico zu verdanken. Die Spanier verschifften tonnenweise Silber nach Hause und kümmerten sich nicht darum, dass Millionen von indianischen Zwangsarbeitern in den Minen umkamen. Es wurden auch schwarze Sklaven nach Potosi verschifft, die jedoch wegen der sauerstoffarmen Höhenluft oft schon nach wenigen Tagen starben. Der Berg erhielt folglich den Übernamen "Menschenfresser" und das Tragische ist, dass sich bis heute nicht dermassen viel geändert hat. Wohl sind die Mineure unterdessen freiwillig dort, doch die Jobauswahl in der Region ist stark begrenzt, und die Aussicht auf höhere Löhne locken viele Landbewohner zur Mine. Wir hatten die Chance eine aktive Mine zu besuchen, was sehr eindrücklich war. Ich konnte auch ein paar Worte mit den Mineuren wechseln, die mir erklärten, dass die durchschnittliche Lebenserwartung zwischen 35-40 Jahre ist - mein Gott, ich müsste somit dort als Mineur bereits mein Testament verfassen! Die Minenarbeiter haben zwei Götter; einerseits den uns bekannten, christlichen Gott ausserhalb der Mine, andererseits den "el tio", eine Art Teufel, der innerhalb der Mine mit Coca-Blättern, Zigaretten und 95%-Alkohol besänftigt werden will - den Alk trinken die Minenarbeiter nach der allwöchentlichen Zeremonie auch selber. Ich nippte auch ein wenig an diesem Getränk (wo kriegt man sonst schon so viel Prozente - sicherlich nicht auf einer Bank!), und ich kann bestätigen, dass dies ein umwerfend (schlechtes) Gesöff ist und defnitiv alle unliebsamen Darmparasiten umbringt und bei zu hohem Konsum manchmal auch den Trinkenden selber! Als Dankeschön, dass man die Mine besuchen darf, kauft man kleine Geschenke für die Mineure. Für wenig Geld erhält man in der Stadt Coca-Blätter, hochprozentigen Alk, Softgetränke ... und TNT-Dynamit! Ich entschied mich für TNT und lief somit in der Mine mit einem kleinen Plastiksack TNT inkl. Zünder umher. Ist irrsinnig, dass man in Potosi an jeder Strassenecke ohne jegliche Bewilligung TNT kaufen kann. Ebenso unglaublich war die Feststellung, dass die Arbeit in der Mine noch sozusagen wie vor einigen Jahrhunderten vonstatten geht. Da sprengen einige Jungs (Frauen sind nicht erlaubt, da man die Mutter Erde (= Pachamama) nicht eifersüchtig machen will) Löcher in die Stollen, die anderen schaufeln das Gestein in Säcke, andere wiederum ziehen diese die Tunnelverbindungen hoch und leeren die Säcke dann in eiserne, gefüllt eine Tonne schwere Wagen und zuletzt schieben/ziehen die Jüngsten in der Mine (zwischen 10-25 Jahre) die Wagen aus der Mine raus. Je nach Wunsch an Entlöhnung arbeiten die einen 24 Stunden am Stück!! Ich war heil froh, danach wieder gesund rauszukommen, da man zwischendurch Detonationen hörte und manchmal Sand und Steinchen auf die Helme rieselte. Da kann man nur den Hut bzw. den Helm vor diesen Männern ziehen. Zwei Tage später schaute ich den mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm "The Devil's Miner" (www.thedevilsminer.com) - sehr empfehlenswert.
In Sucre, der weissen Stadt Boliviens, blieben wir drei Nächte, was ich schätzte. Den ersten Tag nutzten mehrere für eine ATV-Tour (= All Terrain Vehicle, auch bekannt als Quadbike), die echt Spass machte und durch grossartige Landschaften und kleine Dörfer führte. Den Abend startete ich mit Magnus, Tom und Steph in einem schmucken Restaurant beim Billiardspielen. Ich hatte gesehen, dass dort von 17-19h Happy Hour war. Leider hatte ich nicht genau gelesen, da das 2 für 1 Angebot nur für Desserts galt. Die anderen waren enttäuscht, währenddessen ich mir halt zwei Desserts vor dem Abendessen genehmigte ;-) Nach dem Abendessen und einem Spielabend auf meinem Zimmer genoss ich es, ausschlafen zu können. Ich fand gerade noch Zeit für das Mittagessen bevor meine Gruppe zum Markt losmarschierte, wo wir für das zu besuchende Waisenheim Geschenke sprich Esswaren einkauften. Die Waisenkinder waren echt süss, auch wenn es anfänglich befremdend war, dass jeder von uns von den Kleinen mit Papa bzw. Mama angesprochen wurde. Wir spielten dann einige Stunden mit den Kids (3-5 Jahre), welche z.T. von ihren Eltern abgegeben worden waren, da sie ihre Kinder nicht ernähren konnten. Während des Spielens tauchten viele von uns zurück in ihre eigene Kindheit und hatten ebenso viel Spass wie die Kleinen. Die Teenager in Sucre vergnügen sich dagegen auf dem Hauptplatz, indem sie säckeweise Wasserballone dorthin schleppen und dann auf ahnungslose Passanten auf der anderen Strassenseite ins Zielfeuer nehmen. Einmal hat es auch mich erwischt, wobei ich nicht wusste, ob ich sauer sein oder lachen sollte. Erherzerwärmend war ein streundender Schäferhund, der uns zwei Tage lang begleitete und vor Läden oder dem Hotel auch mal stundenlang auf uns wartete!
Am 20. Januar 2012 gab es wie auch im Waisenheim am Vortag bittere Momente des Abschieds, galt es doch am Flughafen von Sucre sich von den meisten seiner liebgewonnenen Reisefreunde zu verabschieden, die ihre Reise in Richtung Rio de Janeiro fortsetzten und somit nach Santa Cruz flogen, währenddessen ein kleiner Teil der Gruppe den Flieger nach La Paz nehmen musste. Ich gehörte zur Minderheit und musste leer schlucken, als Magnus, Tom, Steph, Roya und Fern zum Gate "Santa Cruz" entschwanden und ich als Einziger der kleinen verschworenen Truppe zurückblieb. Ich fühlte mich wie der Mann im Theaterstück meiner Schwester "Ein Männlein steht im Wald, still und stumm" ...
La Paz half nicht gerade den Abschied zu vereinfachen, übernachteten wir doch im kleinen Hotel wie vor 10 Tagen, und somit erinnerte ich mich an unsere gemeinsame lustige Zeit. Die letzten 24 Stunden meiner Reise nutzte ich für den Besuch des Coca-Museums und für Souvenir-Shopping, während welchem ich bis auf die Unterwäsche verregnet wurde (nicht nur ich war somit traurig). Das restliche Geld genügte, mir einen Abschieds-Hamburger am Flughafen zu leisten, den ich erfreulicherweise mit dem sympathischen, englischen Reisefreunde-Ehepaar Alice & Craig einnehmen konnte, flogen sie doch auch mit der LAN-Airline nach Lima. Als unser Flieger noch einen Zwischenstopp in Santa Cruz einlegte, wo doch der Rest der Reisegruppe hingeflogen war, konnte ich mich überwinden, nicht auszusteigen. In Lima wurde ich von Alice & Craig zu einem Abschieds-Pisco Sour eingeladen, und dann hiess es zum allerletzten Mal "goodbye", und ich trottete lustlos zu meinem Gate. Der 12-stündige Flug nach Madrid verkürzte ich mit drei Filmen und einigen Speisen und die restliche Zeit konnte ich dank der zweiten Schlaftablette der Peruanerin (siehe meinen ersten Reisebericht) sogar gut schlafen. Nach weiteren zwei Stunden am Flughafen Madrid startete meine letzte Etappe meiner Heimkehr Odysee. Gegen 18.30 Uhr des Montag 23. Januar 2012, nach über 23 Stunden Reisezeit, gab es den "Touchdown" meiner Iberia-Maschine in Kloten, wo mich meine Familie abholte, sprich Eltern, Schwester und Nichte, und ich feststellen durfte, dass es auch wieder schön ist, zuhause zu sein!
Hasta la vista,
Laurent
- comments