Profile
Blog
Photos
Videos
Hallo zusammen
Wieder alleine unterwegs flog ich von Cancun via Panama-City nach Havanna und musste nach der Landung erkennen, dass ein Schweizer Pass einem doch nicht überall leichtes Spiel verschafft. Man braucht neben einem ausgefüllten, 4-seitigen Formular eine beglaubigte Krankenversicherung um überhaupt zur Passkontrolle vorgelassen zu werden. Dort wurde die Beamtin dann auf meine bisherigen Passstempel aufmerksam und ich musste ihr jeden einzelnen erklären. Offensichtlich unzufrieden mit meinen Angaben leitete sie mich weiter zu ihrem Schichtleiter, welche das gleiche Spielchen mit den Passstempeln wiederholte. Zum Schluss fragte er mich dann noch, ob ich ein Journalist sei und als ich dies verneinte war auf einmal alles in Ordnung. Nach der Passkontrolle muss man noch durch einen Metalldetektor, sein Gepäck mehrfach von Hunden beschnüffeln lassen und dabei immer wieder freundlich lächelnden Beamten Auskunft über Nationalität, Beruf und verfügbare Geldmittel geben. Jetzt noch kurz Geld gewechselt und knapp über 3h nach der Landung konnte ich den Flughafen endlich verlassen.
In Habana Vieja fand ich nach kurzem Suchen ein Zimmer in der Nähe der Plaza Vieja in einem der Casa Particulares. Diese Privathäuser haben viel mit den Bed&Brekfast in England gemein doch entstanden sie eher durch einen "Unfall" denn geplant: Als die Wirtschaft Kubas nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ausbleiben derer Subventionen 1990 Kurs Süd einschlug musste die Führung um Fidel Castro eiligst neue Wege der Geldbeschaffung finden. Um den Tourismus anzukurbeln wurde ein Gesetz verabschiedet, welches wohl niemand von der Regierung so ganz genau geprüft hat: Auf einmal durfte jeder Kubaner Gäste beherbergen und bewirten und dafür harte Devisen verlangen - ein Novum, welches viele sofort ausnutzten und diese Casa Particulares eröffneten oder ein Paladares, ein Restaurant. Die Regierung versuchte später diese Anfänge freier Marktwirtschaft mit astronomischen Steuern und einer Tischbegrenzung wieder einzudämmen, doch der Schaden war angerichtet und bietet heute die einzige Alternative zu den staatlichen Hotels (teuer) und Restaurants (fade).
Kurz nach dem Einchecken fand ich auf der Plaza Vieja einen Anbieter von Oldtimer-Stadttouren: Auf dem Rücksitz eines 1954 Ford Cabrio von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gefahren zu werden ist definitiv die coolste Art, eine Stadt kennenzulernen! Wir besichtigten unter anderem die Fortaleza de San Carlos de la Cabaña, fuhren den Malécon, die berühmte Quai-Promenade Havannas, entlang und besichtigten eine Zigarrenfabrik. Den Abend verbrachte ich auf eine Empfehlung des Tourguides hin dann in einem Casa de Musica, einem Zigarrenrauch-geschwängerten Raum voller mitreissender Musik, tanzenden Habaneros und exzellentem Rum.
Am nächsten Morgen machte ich mich zu Fuss auf um die Stadt noch ein wenig genauer kennenzulernen. Zuerst besichtigte ich die Plaza Tribuna Anti-Imperialista, das wohl beste Beispiel für den Kindergarten, welche die US-kubanischen Beziehungen darstellen. Als es unter Präsident Carter zu einem Tauwetter in den Beziehungen kam liess Castro die Einrichtung einer Abteilung für US-Interessen in Havanna, eine Art Botschaft ohne offizielle Anerkennung, zu. Kaum eingerichtet verschlechterte sich die Stimmung wieder und so liess Castro kurzerhand 2 Häuserblocks gegenüberliegend von dieser Interessenvertretung niederreissen um genügend Platz für orchestrierte Millionenaufmärsche zu haben. Und da beim Bau dieser Anlage sowohl auf die Akkustik als auch auf optimale Zugangswege geachtet wurde erhielt diese Anlage von den Bewohnern Havannas den treffenden Spitznamen "Protestodrom". (Witzige Nebenbemerkung: China hat 2010 ein Gesetz verabschiedet, wonach ein kleiner Prozentsatz des Zinsertrages von US-Staatsanleihen in chinesischer Hand in Infrastrukturprojekte auf Kuba gesteckt werden sollen. Im Moment bezahlt das US-amerikanische Defizit auf die Weise gerade eine Erneuerung der Busflotte in Havanna...) Danach besuchte ich noch eine Statue von John Lennon, welcher von Fidel anlässlich seines 20. Todestages aufgrund seines Engagements gegen den Vietnamkrieg zum "Helden der Revolution" erklärt wurde - bisher der einzige US-Amerikaner, welchem diese Ehre zuteil wurde. Meine letzte Station des Tages war eine Musikschule, wo ich den Nachmittag mit Gitarrenunterricht verbrachte. Später am Nachmittag kamen dann auch die richtigen Schüler und mit zunehmendem Zigarrenrauch verwandelte sich die Schule in ein Casa de Musica und die Mischung aus Rum, Reaggaton, Salsa, Rum, Nueva Trova, Rumba und Rum hielt mich noch bis lange nach Mitternacht fest in ihrem Bann.
Viel zu früh am nächsten Morgen musste ich aufbrechen um meinen Bus nach Triniidad zu erwischen. Doch am Busbahnhof erfuhr ich, dass mein Bus ausfällt und dass es keine Alternativen gäbe da nur eine einzige Busgesellschaft auf Kuba Ausländer befördern dürfe. Kaum wieder aus dem Busterminal draussen sah ich auf einmal Luiz, der Guide mit dem 1954 Cabrio. Er wusste irgendwie schon seit gestern dass der Bus ausfällt und bot nun seine Dienste als Ersatz an - für einen Fünftel des Buspreises! Und so brauste ich schon bald zusammen mit einer weiteren Touristin und 3 Locals in seinem Cabrio die Carretera Central entlang, zwischen Tabakfeldern und Maisplantagen ostwärts in Richtung Cienfuegos und dann Trinidad.
Gegen Ende des 18. jahrhunderts kamen viele französische Siedler in Trinidad an, Flüchtlinge vor den Sklavenaufständen in Haiti, und brachten sowohl Kapital als auch Know-How im Zuckerrohr-Anbau mit sich. Mit deren Hilfe verwandelte sich Trinidad binnen weniger Jahre vom verschlafenen Provinznest zur Zuckerhauptstadt der Insel. Mit dem Reichtum kamen auch neue Kirchen, Villen und Plätze - bis 1850 in den Wirren des spanisch-amerikanischen Krieges sämtliche Zuckerrohrfelder in Rauch aufgingen. Die Siedler flohen erneut und Trinidad versank in einen Dornröschen-Schlaf. Kriege, Staatsstreiche, Revolutionen - Trinidad wurde von all dem verschont und bewahrte bis heute das authentische Stadtbild einer spanischen Kolonialstadt von 1850. In den engen Gassen mit dem unebenen Kopfsteinpflaster atmet man Geschichte ein während man auf der Suche nach der Plaza Mayor nicht mehr aus dem Staunen kommt ob all der Fresken, Statuen und Wandgemälden. Die Stadt wird in einigen Reiseführern als verschlafen beschrieben, und den Grund dafür findet man im Palenque de los Congos Reales. Hier treten von einzelnen Trova-Sängern bis zur lokalen Schulband (50 10-16jährige spielen in Orchesterqualität ein 40-minütiges Medley von Frank Sinatra-Songs à la cubana inkl. Trompetensolo "I did it my way" eines 9jährigen) alle auf, die wissen wie man ein Instrument in den Fingern hält. Da viele der Locals bis früh morgens bleiben verlängert sich die Siesta halt ein wenig - just in der Zeit in welcher die Tagesausflügler aus den Resorts an der Nordküste in der Stadt sind...
Wieder zurück in Havanna genoss ich meinen letzten Abend auf Kuba in einer der vielen Bars in Habana Vieja doch als am Nebentisch eine deutsche Reisegruppe "Castillo de Fuerzas Reales" mit "Kastell der wahren Flatulenz" übersetzte und darüber minutenlang dröhnend lachte merkte ich, dass ich dringend wieder vom ausgetretenen Pfad runter muss. Und so bin ich jetzt auch bereits wieder in Panama, wo ich mir den Kanal und die Schleusen angucken werde bevor ich von Costa Rica aus Mittelamerika in Angriff nehmen werde.
Kuba ist eine Herausforderung für einen Backpacker. In Kuba herrscht Mangelwirtschaft, Lebensmittel sind rationiert und die einzige Tageszeitung druckt ausser den Resultaten der (staatlichen) Baseball-Liga ausschliesslich Propaganda ab. Internetzugang ist sehr schwierig, überall gibts Restriktionen und die Doppelwirtschaft mit dem Peso Convertible verteuert vieles unnötig. In Kuba erfüllen sich aber auch Träume und Wünsche, werden Herzen gewonnen und gebrochen, Revolutionen geplant und Nächte durchgetanzt. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung kennt keine Grenzen und mit ein wenig Spanischkenntnissen und Anstand öffnen sich Türen und Möglichkeiten. Kuba ist ein Juwel für ein Backpacker.
liebe Gruesse
Jonas
- comments