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(ˈnjuː ˈɔrliənz oder ˈnuː ɔrˈliːnz, lokal auch: ˈnɔrlənz)
Die erste Aussprachevariante ist wohl die, die wir Deutsche für New Orleans wählen. Damit versteht einen aber keiner in Amerika. Die einzige akzeptierte Ausprache ist vor Ort die dritte! Aber Verständnisschwierigkeiten gibt auf beiden Seiten. Schon in Philadelphia hatte ich so meine Probleme, aber je südlicher ich in den USA gekommen bin, um so kurioser wurde es. Ich habe ja letztes Jahr schon ugandisches Englisch gelernt, aber in den Südstaaten habe ich einfach nicht genügend Zeit verbracht, um auch nur halbwegs mit diesem Englisch klar zu kommen.
Mein Hostel lag in einer Seitenstraße der berühmten Canal St., etwas weiter vom Stadtzentrum entfernt, aber dafür durfte ich mit den netten kleinen Street Cars hin und her fahren. Ich hatte zwei Tage Zeit für New Orleans; ein Tag für das French Quarter, ein Tag für eine Plantagen-Tour Mississippiaufwärts.
Bourbon St., das Touri-Zentrum. Wie Disneyland für Erwachsene kam mir das vor. Naja, vielleicht ein bisschen authentischer, weil das French Quarter natürlich ein historischer Ort ist. Aber alles, was sich heute dort abspielt, wird ausschliesslich auf die Bühne gebracht für die vielen Touristen. Jazzbars, Straßenmusiker, Straßenkünstler, Cajun Restaurants, bunte Häuser, viel Alkohol. Ein bisschen ist dort das ganz Jahr über Karneval; und die (weissen) Amerikaner kommen, um sich zu amüsieren. Obwohl mir das alles ein bisschen zu touristisch war ... die Musik reisst einen mit. Vielleicht stehen da jeden Abend die gleichen Leute auf der Bühne und in den Straßen, aber die Musik ist schon cool.
Das ist das eine Gesicht der Stadt; die Musik, die Touristen. Das andere ist die reiche Geschichte von New Orleans. Und der Unterschied zwischen amerikanischer und französischer Geschichte ist absolut faszinierend. Die Geschichte der französischen Plantagenbesitzer, die draussen am Mississippi ihre Pflanzungen hatten und ein Stadthaus in New Orleans, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Und wie sich alles geändert hat, nachdem das Gebiet nach der "Louisiana Purchase" an die USA gefallen ist. Die Atmosphäre definitiv eine andere als im Rest der USA.
Wikipedia:
Der Louisiana Purchase war das größte Grundstücksgeschäft der Geschichte. Das gekaufte Land verdoppelte damals das Territorium der Vereinigten Staaten und macht fast ein Viertel des heutigen Staatsgebiets aus.
Landwirtschaftliche Güter aus den Gebieten der USA, die westlich der Appalachen lagen, wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts hauptsächlich über den Mississippi verschifft. Kontrolliert wurde der Mississippi jedoch vom Hafen der Stadt New Orleans, die Spanien gehörte. Nur aufgrund des Pinckney-Vertrags mit Spanien hatten amerikanische Kaufleute das Recht, den Hafen von New Orleans zu nutzen. Nachdem Napoleon Bonaparte im Jahr 1800 Louisiana und damit auch New Orleans wieder unter französische Kontrolle brachte, fürchteten die Amerikaner, dass sie das Recht zur Nutzung des Hafens verlieren könnten. Der amerikanische PräsidentThomas Jefferson kam deshalb zu dem Schluss, dass es das Beste sei, die Stadt New Orleans und deren nähere Umgebung zu kaufen, um langfristig den Zugang zum Mississippi zu sichern.
Durch die Straßen des French Quarters zu spazieren oder unten ein Stückchen den Mississippi entlang oder mit einem Street Car zu fahren, so war mein Tag in der Stadt schnell rum. Ein Museum habe ich besucht, ein ganz kleines: das Voodoo Museum in der Dumaine St.. Das war schon sehr speziell. Dunkel, staubig, vollgestopft, zweieinhalb Räume, die Frau am Eingang sah schon reichlich voodoo-mäßig aus. Außer mir war nur zwei weitere Leute da. Schon ein bisschen gruselig.
Fröhlicher und sonniger war es dafür auf meiner Plantagen-Tour am nächsten Tag. Weit fährt man nicht raus aus der Stadt, durch ein Autobahnkreuz gebaut über einen Sumpf, dann noch ein paar Meilen über Land und wir waren an der Laura Plantation. Eine der ganz alten Besitzungen, mit einer typischen creolischen Bauweise, bei der es im Inneren des Hauses keinen Flur gibt, sondern alle Räume eine direkte Tür nach draussen auf die Veranda haben. Wir haben viel gehört von der Geschichte der Familie und der Lebensweise der damaligen Zeit.
So wie man sich eine klassische Südstaatenplantage vorstellt, war dann die Oak Alley Plantation. Ein stattliches Haus mit einer, wie der Name schon sagt, breiten Allee aus Eichen. Eine lebhafte Dame im Southern Belle-Kleid führte uns von Raum zu Raum. Nur leider blieb kaum Zeit, sich auf dem Gelände etwas ausführlicher umzusehen. Das war schon alles sehr hochherrschaftlich.
Als Kontrast zu den Bildern dieser ruhmreichen Vergangenheit bin ich am Nachmittag ein wenig durch das Viertel, in dem meine Hostel stand, geschlendert. Dabei habe ich aufgeplatzte Bürgersteige, halbverfallene Häuser, kuriose Stromkabelleitungen und allgemeinen Unrat fotografiert. Ich weiss nicht, ob das ein Viertel der schwarzen Mittel- oder Unterschicht war, aber trostlos war es allemal. Nicht nur die Häuser und Straßen machten einen traurigen, verwahrlosten Eindruck. Wenn ich mir die Menschen so angeguckt habe, besonders im Süden ... da drängt sich einem eine Assoziationskette auf: schwarz - arm - wenig gebildet - korpulent. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele fette Menschen gesehen, nicht nur, aber besonders, schwarze, fette Menschen. Fett, fett, fett. Vielleicht ist mir das so besonders aufgefallen, weil ich ja gerade in Afrika so viele dünne, teilweise ausgemergelte, schwarze Menschen gesehen habe. Aber immer wieder habe ich mir, nicht nur an dieser Stelle, die Frage gestellt: Wie kann nur ein Land, das sich für das beste und reichste der Welt hält, so viele seiner Mitbürger in Armut und schon fast Unmündigkeit leben lassen?
New Orleans habe ich an einem schwülen Maitag verlassen. Gerade noch rechtzeitig bin ich vor einem heftigen Gewitter am Bahnhof angekommen und kaum saß ich im Zug, dachte ich, die Welt ging unter. Wasser von oben und von unten gab es mindestens eine Stunde lang, nachdem der Zug die Stadt verlassen hatte. Es ging am Lake Pontchartrain entlang, dann durch eine ausgedehnte Sumpflandschaft. Der Zug war nur sehr dünn besetzt, doch ich fuhr nun wieder in Richtung Norden.
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