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Es ging den Mississippi hinauf. Nicht mit dem Dampfer, sondern mit dem "City of New Orleans". Der Name des Zuges macht wesentlich mehr Sinn, wenn man von Chicago aus gen Süden fährt .. ich schreibe das einfach mal auf meine Liste mit Verbesserungsvorschlägen für Amtrak.
Abends um 10 kam ich in Memphis, Tennessee, an und zum ersten Mal war meine Unterkunft wegen Tageszeit und Entfernung zum Bahnhof nicht zu Fuß zu erreichen. So eine Art Sammeltaxi brachte zum, so weit ich mich erinnere, einzigen Hostel in Memphis. Memphis ist nicht so der Touri-Ort. Die Stadt liegt zu weit weg von anderen Attraktionen, kein Meer in der Nähe, keine Berge, keine Vergnügungsparks; nur Graceland - Home of Elvis. Ich wollte ganz schlau sein und habe mir für den nächsten Tag ein Fahrrad ausgeliehen, um zum Elvis Presley Boulevard zu kommen. Theoretisch könnte Memphis eine gute Fahrradstadt sein, flaches Gelände, breite Straßen, gute Orientierungsmöglichkeiten. Praktisch betrachtet ist Memphis es nicht. Ich überlege, ob ich an diesem Tag einen weiteren Fahrradfahrer gesehen habe? Mmmh. - Nein. Zweimal bin ich blöd angequatscht worden, einmal wäre ich beinahe auf einen Interstate Highway gefahren und dann waren natürlich die Entfernungen viel weiter, als ursprünglich angenommen. Alles halb so schlimm. Nach Wochen konnte ich meine Bewegungsfreiheit wieder auf dem Rad ausleben und es machte einfach Spaß durch die Gegend zu rollen. Graceland hat keinen offiziellen Fahrradabstellplatz, aber ein freundlicher Bediensteter hat mir ein passende Geländer gezeigt, an dem ich das Fahrrad gut festketten konnte.
Das Anwesen Graceland liegt auf der einen Seite des Boulevard, das Ticketcenter und der Abfahrtsort der Shuttle Busse auf der anderen Seite. Man fährt mit den Bussen genau 50 Meter weit, einmal über die Straße. Um sich die Wartezeit, zwischen Ticketkauf und Abfahrt des Busses zu vertreiben, schiebt sich der Besucher durch diverse Andenkenläden und ein kleines Elvismuseum. Einigen Menschen konnte man die Begeisterung für Elvis an Kleidung oder Haarschnitt ansehen. Nach zwei T-Shirts und zwei Regenschauern kam meine Gruppe endlich an die Reihe und wir wurden, wie beschrieben, über die Straße transportiert. Mein erster Eindruck: Wie klein und (zumindest äußerlich) bescheiden Graceland ist. Klein. Wie ein mittelgroßes Landhaus, gediegener Stil, kein Vergleich mit den protzigen Villen, die man sonst bei großen Stars vermutet. Es mag an den damaligen Zeiten oder einfach am Ort gelegen haben, dass dieses Haus niht größer ausgefallen ist. Memphis ist nicht gerade als El Dorado der Reichen bekannt.
Von innen zeigte sich jedoch die andere Seite der Medaille. Extravagant und für die 60er und 70er wahrscheinlich auch sehr stylisch. Jeder Raum komplett unterschiedlich gestaltet. Am "coolsten" war der Jungle Room. Naja, Elvis und ich haben einen sehr unterschiedlichen Geschmack; ich glaube selbst in den 70ern hätte ich mein Haus so nicht eingerichtet.
Nach den Wohnräumen ging es zu einem Verwaltungsraum im Garten und schliesslich zu den Ausstellungsräumen, in denen Goldene Schallplatten und wilde Kostüme zu bestaunen waren. Zum Abschluss des Rundganges kam man am privaten, kleinen Friedhof der Familie vorbei. Hier liegen neben Elvis seine beiden Eltern.
Eine erfrischende Regenschauer später bin ich mit dem Rad zurück Richtung Zentrum, um zu schauen, was die Stadt sonst noch zu bieten hat. Beale Street. Ich hatte ja wieder mal keine Ahnung. Also, dass Graceland in Memphis ist, ja. Und es gibt Musik. Irgendwas mit Musik. Besonders im Kontrast zu New Orleans war Memphis nun sehr interessant.
New Orleans: Jazz - Bourbon Street - weiße Touristen
Memphis: Blues - Beale Street - schwarze Touristen
Wie schön ist es, mit dem Fahrrad durch die Gegend zu fahren auf der Suche nach der Innenstadt und dann ausgelassenen Menschenmassen auf einer abgesperrten Straße zu begegnen. Einfach mal gucken, was da los ist. Laute Musik aus diversen Kneipen. Tanzende Menschen auf der Straße. Da ich weder von Jazz noch von Blues irgendeine Ahung habe, konnte ich beide Musikstile einfach nur auf mich einwirken lassen. So habe ich mein Fahrrad ein bisschen durch die Menge geschoben und nur geguckt und gehört. Mit ganz viel schwarzem Selbstbewusstsein spielte sich hier alles ab. Memphis ist eine schwarze Stadt und zumindest auf der Beale Street ist das Leben schön.
24 Stunden nach meiner Ankunft in Memphis bin ich wieder in den Zug gestiegen und über Nacht ging es weiter hoch in den Norden, nach Chicago.
- comments
Joachim A. In '68 you'd never had the chance to go to Beale Street being light green!!!