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Warmer Nieselregen, trübe, 8 Uhr morgens, Chicago.
Die Jugendherberge.. Erstklassige Lage, großzüge Räume, gutes Frühstück. Leider nur eineinhalb Tage. Da hatte ich mich bei meiner Planung vertan. Als ich bemerkte, dass die letzte Zugfahrt, von Chicago nach Los Angeles, nicht eineinhalb, sondern zweieinhalb Tage dauern sollte, wollte ich nicht mehr alles umbuchen. (Zur Erinnerung: Das war dieses 20-Minuten-Telefongespräch mit der freundlichen Dame von Amtrak.)
Chicago hat mir auf Anhieb gefallen. Die Menschen: Ich konnte ihr Englisch endlich wieder verstehen, und sie waren nett. Die Stadt: machte nicht diesen trostlosen Eindruck der südlichen Ortschaften. Das ist keine arme Stadt, die sich irgendwann einmal aufgegeben hat, sondern hier brummt das Leben. Strahlende Hochhäuser, gute Museen, coole Läden und nicht das Gefühl hinter der nächsten Ecke warten wieder die Slums auf einen. Dabei gibt es sie bestimmt auch in Chicago.
Mit Architektur wollte ich mich hier beschäftigen. Zwei Block von der Jugendherberge entfernt war die Chicago Art Deco Society, wo ich direkt für den Mittag eine entsprechende Führung gebucht habe. Unsere über-enthusiastische Stadtführerin brachte uns nicht nur viele Aussenansichten, sondern auch so manche Innenansichten von Gebäuden aus dieser Epoche näher. Schon schön, wenn man von offizieller Stelle kommt, der Wachmann Bescheid weiss und nur auf einen wartet,um die Tür an einem Samstagnachmittag extra aufzuschliessen. Art Deco hat in Chicago eine ganz besonder Bedeutung. Die Stadt ist zu dieser Zeit stark gewachsen und viele repräsentative Bauten schossen in die Höhe. Die luxuriöse und modernistische Ausstrahlung des Baustils war sehr populär.
Deep Dish Pizza. Eine Pizza mit hohem Rand, so wie ein Mischung aus Pizza und einer Quiche. Ganz lecker. Das Restaurant, in dem diese Variante der Pizza erfunden wurde, heisst Pizzeria Uno, ist landesweit bekannt und deshalb immer überfüllt.
River North
Uno is where the original deep dish style -- a crispy short dough crust, topped with cheese first, then crushed tomatoes -- was invented in 1943 which later expanded to it's sister restaurant Pizzeria Due, a whole block away, when it caught on.
Schräg gegenüber, einen halben Block die Straße entlang liegt der Ableger. Ruhig, nicht zu voll, kein Problem einen Platz zu bekommen und die Pizza ist orginal die gleiche, gehört ja zum selben Restaurant. Als die Bedienung mit meinem gerade neu gekauften Straßenatlas hat hantieren sehen, hat sie sich mit viel Interesse nach meinen Reiseplänen erkundigt und wäre am liebsten mitgefahren. Schöner amerikanischer Enthusiasmus. Schon wieder. Die Menschen in Chicago sind begeisterungsfähig.
Die blaue Stunde, diese kleine Zeitspanne zwischen Beginn der Abenddämmerung und bis kurz nach Untergang der Sonne. Bei blauem Himmel und warmen Licht spiegelte die Wolkenkratzer Chicagos eine farbenprächtigen Kulisse wieder. Da kann es passieren, dass ich in wenigen Minuten mehr Fotos mache, als in ganzen Tagen zusammengerechnet. So einen Abend habe ich in Chicago erwischt. Und dass, nachdem meine Ankunft so grau und trübe ausgesehen hatte.
Eine Drei-Kontinente-Gesprächsrunde ergab sich am Abend in meinem Schlafsaal in der Jugendherberge. Sofia aus Peru. Zodwa aus Swaziland. Und ich. Sofia studiert Medizin in Boston und nahm in Chicago an einem Einschätzungstest teil. Zodwa begleitete ihren Mann, der zu einer Tagung angereist war. Das Thema: Sofia war im Zweifel, welche medizinische Fachrichtung sie für den weiteren Verlauf ihres Studiums wählen sollte. Sie interessierte sich dafür Kinderärztin zu werden, war aber verunsichert durch bzw. verärgert über ihre Kommillitonen, die ihre Facharztausbildung allein danach ausrichteten, in welchem Bereich denn am meisten Geld zu verdienen sei. Jetzt bekam Sofia einen Vortrag oder eher eine Predigt in Sachen Entscheidungsfindung gehalten. Die Antwort liegt in Gott. Auch die Menschen in Peru sind mitunter sehr gläubig sind, aber der erdverbundene christliche Glaube in Afrika kann da noch um einiges was drauflegen. Gott gibt dir die Antwort. Und Zodwa holte weit aus, um uns zu erzählen, wie sie ihren Ehemann ausgewählt hat. Leider sind mir die Details verloren gegangen, aber es hatte sehr viel mit einer interessanten Mischung an Gottesfürchtigkeit und Pragmatismus zu tun, die es wahrscheinlich so nur im südlichen Afrika gibt.
Ob Sofia so wirklich zu einer Entscheidung gekommen ist, weiss ich nicht. Ihr war die Skepzis an Zodwas Argumentation ziemlich offen ins Gesicht geschrieben. Da prallten nicht Kontinente, sondern Welten aufeinander.
In Kampala gibt es einen kleinen, feinen Buchladen. Buchläden sind in vielen Ländern der Welt nichts selbstverständliches und ich möchte nicht wissen, wie viele, oder besser gesagt, wie wenige Buchäden es in ganz Uganda gibt. Da mir gerade meine Lektüre ausgegangen war, stattete ich dem Laden einen Besuch ab und fand ein Buch mit dem Titel "Loving Frank". Es erzählt die Geschichte der Mamah Cheney, die über lange Jahre die Geliebte von Frank Lloyd Wright, dem Architekten, war.
Internet:
Es ist eine schicksalhafte Begegnung, als Mamah Borthwick Cheney 1907 den jungen Architekten Frank Lloyd Wright kennenlernt … Die beiden verlieben sich leidenschaftlich ineinander, eine Liebe die nicht sein darf, denn beide sind verheiratet und haben Kinder. Mamah und Frank fassen einen radikalen Entschluß: Für einen gemeinsamen Neuanfang brechen sie alle Brücken hinter sich ab und fliehen gemeinsam nach Europa: ein Skandal, der ganz Amerika empört -
üble Nachrede verfolgt die beiden bis über den Atlantik. Jahre später kehren die beiden in die USA zurück, wo Frank seiner Geliebten die Fluchtburg Taliesin baut.
Das Buch hat drei parallele Ebenen: die offensichtliche Liebesbeziehung, die begrenzten Möglichkeiten einer emanzipierten Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Geschichte des bekannten, berühmten und einflussreichen Architekten. Eine der Ideen, die Lloyd Wright bei seinen Häusern in der sogenannten Prärie-Periode zu verwirklicht hat, war die Verbindung von Innen und Außen. Während ich in Uganda, in den Bwenzori Mountains, wandern war, lag ich in einer halbwegs schlaflosen Nacht in einer kleinen, feuchten, nicht so gut riechenden Hütte lag. Dort dachte ich darüber nach, was ich für ein Haus bauen würde, hätte ich Zeit, Geld, Grundstück ...
Die Verbindung von Innen und Außen. In Oak Park hat Frank Lloyd Wright gewohnt und gearbeitet, einige seiner von ihm gebauten Häuser stehen dort. Der Vorort ist gut mit der S-Bahn zu erreichen, besonders, wenn man in die richtige Bahn einsteigt. Wenn man kleinlich ist. Es gibt zwei parallel verlaufende Linien und so viel weiter ist es gar nicht zu laufen. Die Sonne hat geschienen und ich habe so ein wenig mehr gesehen von diesem netten Vorort. Schade nur, dass ich so für den geführten Spaziergang die Siedlung ein paar Minuten zu spät war. Aber im Zeitalter der Audio-Guides ist auch das nur halb so schlimm. Es ist nur eine kleine Straße, aber sie hat Charakter. Die Häuser, alle bewohnt, alle sehr fein herausgeputzt, wahrscheinlich mit mildgenervten Bewohnern, da ständig Leute mit Kopfhörern sich in der Gegend herumtreiben.
Frank Lloyd Wright und ich interpretieren die architektonische Verbindung von Innen nach Außen unterschiedlich. Aber er hat mich da ein paar Ideen gebracht. Hat jemand ein Grundstück zu verkaufen in Kevelaer oder Umgebung?
Zurück zur Union Station. Meine letzter letzter Zug ging um 15 Uhr. Beinahe hätte ich ihn noch verpasst, weil just 10 Minuten zuvor der Gegenzug auf einem weitentfernten Gleis einlief und ich die Züge fast verwechelt hätte. Ein freundlicher Schaffner hat mich gerade noch einfangen und in die richige Richtung schicken können. Das wär's noch gewesen.
Also, Abfahrt Chicago am Montag um 3 nachmittags, Ankunft in Los Angeles am Mittwoch um 8 morgens. Und zum ersten Mal tat sich da draussen richtig was. Die Landschaft sah endlich nicht mehr "irgendwie so wie zu Hause" aus. Der Blick weitete sich. Die endlosen Felder und Ebenen des Mittleren Westens. Vereinzelte Farmhäuser mit riesengroßen Silos, Ortschaften? - kaum vorhanden. Die Sonne ging malerisch hinter einer großen Anzahl von Windrädern unter. In der Nacht fuhren wir durch Kansas. Nix verpasst. In Colorado hat es geregnet und spätestens in New Mexico waren wir im weiten, wilden Westen angekommen. Die Grenze zwischen den beiden Staaten ist der Raton Pass, mit 7588 ft. oder 2500 Metern höchster Punkt der Zugstrecke. Ein paar weitere Zahlen: Von New York bis Chicago hatte ich bisher 2311 Meilen oder 3718 km in 60 Stunden zurückgelegt. Das letzte Stück im South-West Chief haben weitere 2265 Meilen / 3644 km in 41 Stunden ausgemacht. So entspannt durch's ganze Land.
Das zweite Mal ging die Sonne irgendwo in Arizona unter. Und erst wieder auf, als wir bereits in Kalifornien waren.
Mit im Zug saß eine recht große Gruppe Amish. Spätestens seit dem Film "Der letzte Zeuge" weiss man ja ein bisschen über sie, oder glaubt es zumindest. Zum Beispiel, dass sie sich von moderner Technik, egal welcher Form, distanzieren. Keine Verkehrsmittel wie Autos, oder auch keine Züge? Doch Züge scheinbar schon. Eingestiegen sind sie in Chicago, ausgestiegen in San Bernadino, kurz vor Los Angeles. Mehrere Familien waren das wohl, die da gemeinsam gereist sind. Einmal saß ich im Panoramawagen, mit Absicht, ganz in ihrer Nähe, um mal zu hören, was es da zu hören gibt. Höchst interessant war das. Ich habe nämlich kein Wort verstanden, obwohl ich manchmal das Gefühl hatte, vom Klang der Worte her müsste ich was verstehen können. Es hat (noch) an Deutsch erinnert und auf keinen Fall an Englisch. Wikipedia: Sie stammen überwiegend von Südwestdeutschen oder Deutschschweizern ab und sprechen untereinander meist Pennsylvaniadeutsch. Aha. So hört sich das also an.
Anstatt an meinem Reiseblog weiterzuarbeiten, habe ich viel gelesen. Der Zug schaukelte ja so gemütlich über den Kontinent. Unter anderem habe ich im Amtrak-eigenen Zugmagazin ein wenig geblättert. Die Bahn gibt so ein Magazin ja auch heraus für die Reisenden in Langstreckenzügen. Bei Amtrak heisst das Magazin "Arrive", wie passend. Darin stand ein Artikel, den ich bemerkenswert fand. Es ging um Elternzeit. Vielleicht fiel mir der Text auf, weil ich ja gerade in Südafrika erst vielen jungen, deutschen Elternpaare auf Erziehungszeiturlaub getroffen hatte.
The United States is the only developed country that does not guarantee paid maternity leave. While federal and some states laws offer moms job protection for the first weeks after a baby's birth, only one fifth of the working women will get full pay with benefits during that period. Most women will have to forgo paychecks and retirement benefits in order to spend time at home.
Ask career women how they've managed, and you'll hear some creative solutions.
For one mom who works for the federal government in Washington, D.C., getting the paid time off she needed meant not taking sick days and hardly any vacation days for a year and a half before her son's arrival. For another mom-to-be, an attorney in New York City, it meant taking advantage of an office policy that offered workers a paid day off for every two times they visited a blood bank.
Im weiteren Verlauf des Artikels wurden andere Strategien diskutiert, wie Mütter an bezahlte Elternzeit, also wir reden von einzelnen Tagen, kommen können und wie man es schaffen kann, die zusätzlichen Kosten, die ein Baby verursacht, aufbringen zu können. Väter wurden mit keinem Wort erwähnt. Phänomenal, es wurden Tipps gegeben, wie man mit dieser unwirtlichen Situation umgehen kann, aber, ausser des einen kritischen Satzes zu Beginn, scheint der Umstand als solcher akzeptiert zu werden. Und das stand in einem Bahn-Magazin. Die USA sind ein verwunderliches Land.
Nach meiner Ankunft in Los Angeles ging es kreuz und quer durch die Stadt, und die ist groß. Vom Bahnhof in Downtown mit dem Bus zum Flughafen, von dort mit dem Shuttle Bus zur Vermietstation, danach mit dem Mietwage nach Torrance, um Jorge zu treffen, um schliesslich mit dem Fahrrad ein kleine Tour an den Strand in Redondo Beach zu machen. Alles klar? Jorge kenne ich bereits seit über zehn Jahren und er wird böse, wenn ich in Los Angeles bin und ihn nicht besuche. Mit dem Fahrrad am Pazifischen Ozean entlang fahren, auf einem Radweg, der direkt am Wasser entlang verläuft. 2002 habe ich das mal gemacht, nicht nur für drei Stunden wie jetzt, sondern für drei Wochen im Sommer und für zwei Wochen im Frühling, um von Seattle nach Los Angeles zu kommen. An diesem Mittwoch jedoch habe wir einen Ausflug zum Ocean Pier von Redondo Beach gemacht. Clam Chowder isst man dort. Muschelsuppe in einem Riesenbrötchen. Auch nicht schlecht.
Wie nett, dass ich die Nacht bei Jorge und seiner Freundin Dru verbringen konnte. Der nächste Tag began früh, sehr früh. Um sechs musste die beiden zur Arbeit und ich hatte ebenfalls noch einiges zu erledigen, bis Hugo nachmittags am Flughafen ankommen würde. So war ich um 7 Uhr bereits im Waschsalon, um 8:30 Uhr schon bei Smart & Final an der Crenshaw Ave. (Tipp von Dru) um Lebensmittel für die nächsten Tage ein zukaufen, dann um 11 Uhr bei REI (riesen Outdoor-Laden) in Santa Monica und hatte danach hatte ich noch massig Zeit, ein wenig den Hwy. 1 hoch zu fahren. Pelikane fliegen immer die Küste hoch und runter, ab und zu taucht mal einer ab, um nach Fischen zu gucken. Die habe ich gesehen.
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Joachim A. Liebe Verena, du meinst, du hättest in Kansas nix versäumt - die Gefängnis-Anlage des Hochsicherheittraktes, in dem ich weiß nicht wie viele Todeskandidaten jetzt dort untergebracht sind, gerät nicht wie die Häuser von Frank Lloydd ein echtes Monstrum auf dem Land und von weitem bereits zu sehen Danke - ich habe mich an sehr viele Erlebnisse erinert. Und lieben Gruß Joachim A.