Profile
Blog
Photos
Videos
Die Schweden:
Ich muss vorab sagen, dass nur sehr wenige Schweden zu meinem Bekanntenkreis gehören, was u.a. daran liegt, dass wir nur internationale PhD Studenten sind und dass die schwedischen Angestellten im Museum weitaus älter sind. Es gibt aber auch andere Gründe, wie evtl. im Folgenden klar wird..
Meetings: Da in Schweden sehr viel Wert auf Gleichberechtigung gelegt wird, gibt es wegen jeder Kleinigkeit ein Meeting. Oftmals wird auch nur ein Meeting einberufen um abzustimmen, wann das nächste Meeting stattfinden soll. Oder man kommt zu keinem Entschluss in einem Meeting und muss ein weiteres Meeting über das Meeting haben.. Es gibt Vor-, Haupt-, und Nachmeetings. Uns Ausländer macht das manchmal etwas wahnsinnig, weil ständig Meetings sind und niemand Entschlüsse fasst
Unangenehme Gesprächspausen: Während dieser Meetings kommt es auch oft zu komischen Stillen, da die Schweden einander ausreden lassen und sich nicht ins Wort fallen. Daher wird oftmals, sobald jemand seinen Satz beendet hat, erstmal abgewartet, ob noch etwas folgt und es entstehen schnell unangenehme Stillen. Generell mögen die Schweden keine hitzigen Diskussionen und gehen Streits lieber aus dem Weg. Daher findet man auch nicht so schnell eine Einigung beim Meeting.
Komische Stille: genauso passiert es auch oftmals, dass es während der Kaffeepause oder beim Lunch zu komischen Stillen kommt. Schweden halten offenbar nicht gerne Smalltalk. Eher gesagt, sie mögen weder Smalltalk noch Minitalk, sondern eher Zerotalk . Das fällt auch auf wenn man Nachbarn im Treppenhaus trifft, oder jemanden auf der Straße grüßt - meist wird man ignoriert. Nicht jeder Schwede ist so, aber viele - und als ich zwischenzeitlich mit einem Schweden zusammengewohnt habe, fühlte ich mich anfangs echt sehr unwohl, da man nie wusste, ob man etwas zueinander sagt, wenn man sich ungewollt in der Küche oder so trifft (letztendlich war er aber dann doch noch gesprächiger, evtl. musste er anfangs erst auftauen). Ich glaube, ich hatte längere Gespräche mit Verkäufern in Australien als mit meinen schwedischen Nachbarn oder mit meinem ehemaligen Mitbewohner Wir haben die Nachbarn hier sogar eingeladen zu einem Kuchen zu unserer Einweihungsfeier - natürlich ist niemand erschienen.. Teilweise gucken die Schweden durch den Türspion, und falls jemand im Flur ist, warten sie ab bis derjenige weg ist, damit sie danach schnell unbemerkt durch den Flur huschen können um bloß nicht mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen…
Essen & Trinken:
Fika: Die Schweden lieben ihre Fika - eine Art Kaffeepause meist kombiniert mit Fikabröd (Kekse, Kuchen oder Ähnliches). Unsere Fika sind um 9 und um 15 Uhr - oftmals gibt es Kuchen, da unser Geo-Chef Kuchen liebt und zu verschiedensten Anlässen Kuchen bestellt (z.B. weil wir ein neues Instrument geliefert bekommen haben. Irgendeinen Grund gibt es immer für Kuchen ). Die bekanntesten Backwaren sind Kanelbullar (Zimtschnecken, gerne auch mit Kardamon) und Prinsesstarta (Prinzessinninkuchen; eine mit grünem Marzipan ummantelte Torte)
Alkohol: Wenn man dann doch mal Schweden kennen lernen möchte (oder vielleicht auch nicht will, aber zwanghaft mit ihnen in Kontakt kommt), dann meist wenn die Schweden volltrunken sind. Ja, die Schweden trinken gerne wenn sie feiern, und dann auch gerne etwas zu viel und werden dann sehr zutraulich. Die sonst so scheuen Schweden umarmen einen plötzlich innig und erzählen ihre ganze Lebensgeschichte.
Alkohol ist hier sehr teuer, ein kleines Bier in einer Bar kostet zwischen 4 und 8 €, ein Glas Wein fängt bei 8 € an, kostet meist aber mehr. Alkohol über 3,5 % gibt es nur im System Bolaget (ein staatlicher Alkoholladen) zu kaufen und auch nur zu bestimmten Zeiten (sonntags ist er komplett geschlossen, samstags hat er nur bis 14/15 Uhr geöffnet). Dieses System soll den Alkoholkonsum begrenzen und geht zurück auf die Abstinenzbewegung des 19 Jhd. Die Schweden trinken dadurch wohl tatsächlich weniger, aber wenn sie feiern, dann mit viel Alkohol. Freitags abends kann man dann kurz vorm Schließen des System Bolaget immer ewig lange Menschenschlangen sehen. Die Einfuhr von Alkohol aus z.B. Deutschland ist aber in großem Maße erlaubt solange der Alkohol für den Eigenkonsum bestimmt ist. Da Alkohol so teuer ist, ist es auch nicht unüblich, dass z.B. Gäste auf einer Hochzeit ihre eigenen Getränke bezahlen oder dass man gar den Alkohol in Deutschland kauft und damit nach Schweden fährt.
Kurioses:
"Skogräns": Die Schweden lieben ihre Schuhgrenzen, z.B. in jedem Schwimmbad gibt es direkt am Eingangsbereich zu den Umkleidekabinen eine Schuhgrenze. Dort muss man seine Schuhe ausziehen und sie entweder dort in ein Regal stellen oder in seinem Schließfach abstellen. Dadurch wird der Boden der Kabinen relativ sauber gehalten. Diese Schuhgrenze gibt es auch bei vielen Ärzten, sodass man nicht selten mit Socken beim Arzt herumläuft
Fehlende Klingeln: Es gibt so gut wie keine Klingeln an den Mehrfamilienhäusern/Hochhäusern, sonder nur ein Eingabefeld, auf dem man einen 4-stellligen Code eingeben kann oder man benötigt einen Transponder um ins Haus zu gelangen. Wenn man Freunde besucht, müssen diese daher entweder den Code kennen und einem diesen nennen, oder man muss anrufen, sobald man unten steht, damit entweder jemand runterkommt (es gibt auch keine Fernsprechanlagen) oder sie müssen den Schlüssel runterwerfen. Unsere Tür z.B. ist ab 21 Uhr verriegelt und wir müssen den Schlüssel runterwerfen oder runtergehen.
Datenschutz: Ihr könnt ja gerne mal meinen Namen googeln und "Täby", unseren Wohnort, hinzufügen. Schon seht ihr, wo genau ich wohne, ein Bild von unserer Wohnung plus die Googlemapskarte. Außerdem könnt ihr lesen, dass ich (heute) vor 11 278 Tagen an einem Dienstag geboren wurde, ihr könnt mir Blumen zum Geburtstag schicken und wisst, dass ich nicht verheiratet bin (Nein, Martina, auch im Juni werden wir nicht heiraten ) . Weiterhin könntet ihr erfahren, wie teuer die Wohnung war, in der ich wohne, was ich verdiene, mit wem ich zusammen wohne und wie unser Vermieter heißt (und wie alt der wiederum ist, was er verdient etc.) Dahinter steckt das "Öffentlichkeitsprinzip". Alle Schweden haben das Recht, Einsicht in alle Akten und Vorgänge der Behörden zu bekommen. Dadurch sollen die Bürger mehr Vertrauen bekommen und Korruption soll verhindert werden. Immerhin kam meine Post bisher immer an, auch wenn komplett veraltete Adressen benutzt wurden.
Lustige Wörter:
Die Schweden schreiben Fremdwörter gerne so, wie man sie spricht. Daher sehen manche Wörter oftmals zunächst unverständlich aus bis man sie ausspricht und ihre Bedeutung versteht. Ihr müsst folgende Wörter laut aussprechen, um die Bedeutung besser zu verstehen.
Å wird als O ausgesprochen, J oft als I
Tajming (Timing)
Refräng (Refrain)
Restaurang (Restaurant)
Nivå (Niveau)
Terräng (Terrain)
Apropå (a propos)
Konduktör (Conducteur)
Kvark (Quark)
Konnässör (Connoisseur)
und mein Lieblinsgwort:
Schäslong (Chaise longue)
Und nächstes Mal erzähle ich von der ewigen Wohnungssuche, dem schwedischen Gesundheitssystem und einigen Vorzügen, in Schweden zu leben
- comments
Andrea jetzt bin ich auf die positiven Seiten gespannt
obwohl, das mit dem Kuchen finde ich gut, ich liebe Prinzessinnenkuchen
Ulla Happy Valborg
Tante Tina Das ist super geschrieben. Irgendwie dachte ich aber immer, dass die Leute zutraulicher wären, tja da ist man wohl durch das Image der Sexfilmindustrie, der Mitbestimmungskultur etc. etwas getäuscht. Aber auch eine Interessante Lebensidee als Individium selbstbestimmt und abgegrenzt trotzdem in einer Gemeinschaft kultiviert zusammen zu leben. Schätze, wenn man einen Schweden mal an der Angel hat, ist es für die Ewigkeit. Wir lieben ja auch ABBA und Ikea.
Fio Es sollte nun auch nicht zu negativ klingen.. Ich denke, wenn man Schweden besser kennen lernt, sind es enge lange Freundschaften. Zutraulich sind sie schon, man lernt sie nur einfacher kennen, wenn sie was getrunken haben ;)