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Im Jahr 2013 habe ich drei wunderschöne Monate in Leiden verbracht als "summer student" mit 15 weiteren Studenten aus der ganzen Welt. Am Ende dieser Zeit waren wir wie eine Familie und es waren tränenreiche Abschiede und Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen. Sanda aus Serbien ist in dieser Zeit eine sehr enge Freundin geworden und wir skypen regelmäßig oder schreiben uns lange Emails. Auch ihr habe ich einen Besuch versprochen und ich konnte sie im Mai 2015 endlich für ein längeres Wochenende besuchen.
Mittwochs bin ich losgeflogen mit Wizzair vom etwas entfernteren Flughafen in Stockholm Skavsta (gehört längst nicht mehr zu Stockholm). Aus dem Flugzeugfenster konnte ich nach drei Stunden Flug den ersten Eindruck von Serbien gewinnen und war erstaunt, wie grün alles wirkte und wie wenig besiedelt es aussah. Da ich nur mit Handgepäck gereist bin konnte ich nach der Ankunft direkt zum Ausgang gehen, an dem ich bereits von Sanda erwartet wurde .
Sandas Eltern sind geschieden und sie wohnt immer abwechselnd beim Vater und bei der Mutter. Wir sind beim Vater untergekommen, der in Novi Beograd (Neu Belgrad) wohnt - eine typisch sozialistische Plattenbaugegend, die in verschiedene Blöcke eingeteilt ist. Sanda wohnt im siebten Stockwerk und da ich dem winzigen und veralteten Fahrstuhl nicht wirklich getraut habe, habe ich öfters den Weg durchs Treppenhaus gewählt. Früher hat Sanda in der 3-Zimmer-Wohnung mit ihren beiden Eltern, ihrer Tante und ihren Großeltern gewohnt - nichts Ungewöhnliches in Serbien. Die Tante ist tragischerweise beim Fensterputzen vor Jahren vom Balkon gestürzt und dabei ums Leben gekommen. Nun wohnen nur noch ihr Opa und Vater dort und abwechselnd sie oder ihre Schwester - inzwischen auch mit einer süßen Katze, die sie von der Straße gerettet haben. Ich wurde herzlich empfangen und auch wenn der Opa kein Wort English sprach, hat er sich direkt erkundigt ob ich schon gegessen habe und ein Handtuch benötige. Der Vater hat sich sehr über meine mitgebrachten schwedischen Süßigkeiten gefreut und nach dem gemeinsamen Abendessen in ihrer kleinen Küche sind Sanda und ich noch zum Flussufer der Save gelaufen. Sanda konnte mir einen kleinen Einblick in ihre Kindheit in Neu Belgrad geben - ein ziemlicher Gegensatz zu meiner Kindheit auf dem Dorf. Am Flussufer waren noch einige Leute spazieren und vereinzelt haben Händler ein paar Süßigkeiten verkauft. Es war noch immer angenehm warm und man konnte den bevorstehenden Sommer bereits fühlen .
Morgens wurde ich etwas abrupt geweckt, da Sandas Katze ins Zimmer gelassen wurde und sie meine Zehen entdeckt hat, die unter der Bettdecke herauslugten. Im Halbschlaf wurden meine Füße attackiert und mein Versuch sie unter der Decke zu schützen endete in erneuten spielerischen Angriffen. Bei einer Freundin in Münster habe ich bereits öfter mit Tieren in einem Zimmer geschlafen - dort wohnten eine Schlange, ein Kaninchen und eine Schildkröte zusammen im Wohnzimmer . Das Kaninchen ist gerne mal aufs Sofa gehüft und hat mich beschnuppert (hätte man es nicht frei herum laufen lassen, würde es so lange am Gitter rütteln bis man es raus lässt - auch keine Alternative wenn man Schlaf sucht). Die Schildkröte dagegen konnte nicht richtig schwimmen und hing immer ziemlich schief im Aquarium herum, was etwas surreal wirkte wenn man früh morgens betrunken vom Feiern zurück kam.. Aber zurück nach Belgrad.
Nach dem Aufstehen musste ich um zu duschen zunächst 10 Minuten auf warmes Wasser warten, da dieses erst aufgewärmt werden musste. Zum Frühstück gab es u.a. Kaymak (Rahm, der entsteht, wenn Kuhmilch nach dem Melken erhitzt wird - also quasi die Milchhaut), der als Brotaufstrich verwendet wird (kannte ich bisher nicht). Nach dem Frühstück sind Sanda und ich per Bus ins Stadtzentrum gefahren. Mit dem Überqueren der Save war man direkt im Stadtzentrum. Belgrad heißt wörtlich übersetzt „die Weiße Stadt" und wird von der Donau und Save begrenzt, wobei letztere hier in der Donau mündet.
Erstes Ziel unserer Tour war der Dom des heiligen Sava. Vor dieser orthodoxen Kirche standen ein paar Verkäufer, an dessen Ständen man u.a. Putin-Magneten und T-Shirts kaufen konnte. Auch am Straßenrand wurde hin und wieder auf Plakaten für Putin geworben, was auf die enge Verbindung mit Moskau zurückzuführen ist. Vom Dom sind wir zu Fuß in die Innenstadt gelaufen, vorbei an modernen Bauten mit spiegelverglasten Fenstern über das von der NATO zerstörte Verteidigungsministerium. Die Regierungsgebäude und die Gegend um diese Gebäude wirkten ansonsten sehr gepflegt und sauber und laden zum Verweilen im Park ein. Anschließend haben wir eine kleine Mittagspause im alten Boheme-Viertel Skadarlija eingelegt. In dieser relativ kurzen Pflasterstraße reihen sich serbische Restaurants aneinander und abends tönt von aus jedem Lokal Live-Musik. Natürlich wird dieses Viertel auch von Touristen gut besucht, aber es kann sich seinen Charme noch erhalten. Probiert habe ich dort ein Stück Pizza einer bekannten und beliebten Pizzeria (Picerija Bucko). Diese Pizzeria ist bekannt für ihre verschiedenen Beläge (u.a. Hähnchensalat und diverse kalorienreiche Saucen) und die Leute stehen zu jeder Tageszeit Schlange. Die Bestellung gibt man in einem kleinen Fenster auf. Meine Pizza wurde mit Sour Cream und Fleisch belegt und war daher auch wirklich reichhaltig, aber ein wahrhaft serbisches Erlebnis .
Natürlich wollte ich auch gerne Sandas Uni sehen bzw. das astronomische Institut, an dem sie studiert hat. Auch dieses Gebäude ist ein typischer Nachkriegsbau, dessen Wände teilweise mit Graffiti besprüht wurden. Im Inneren weisen Warnschilder darauf hin, wie man sich im Falle eines Bombenangriffs oder Atombombenexplosion verhalten solle bzw. in welchem Intervall eine Sirene ertönt - ein nicht ungewöhnliches Warnschild für Sanda, die die Bombardierung durch die Nato selbst noch miterleben musste. Sie hat mir davon erzählt, wie sie als Kinder an manchen Tagen nicht zur Schule gehen durften aufgrund von Bombenangriffen. Für mich ein unvorstellbares und beängstigendes Szenario, das besser zu den Kindheitserlebnissen meiner Großeltern passt. Ich war froh, dass keine Sirene ertönt ist während ich dort war, aber irgendwie schien mir der Krieg dort noch immer sehr nah- vor allem weil auch weiterhin Kämpfe zwischen Rebellen stattfinden (als ich dort war, sind mal wieder kosovarische Kämpfer nach Mazedonien einmarschiert- wirkliche Einigkeit zwischen den Volksgruppen herrscht noch immer nicht).
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