Profile
Blog
Photos
Videos
Liebe Familie, Freunde, Bekannte und weitere Blog-Leser
Bereits ist wieder fast ein Monat verstrichen und eigentlich hätten wir ja Frühling. Aber wie bei euch weiter nordwärts, lässt Primavera auch im Piemont auf sich warten. Abgesehen von ein paar wenigen, äusserst warmen und sonnigen Tagen, die wir dann natürlich meistens für einen Besuch am Meer genutzt haben, müssen auch wir uns noch weiter gedulden.
Was ist in den letzten 4 Wochen alles passiert? Langsam kehrt auch bei uns schon wieder so etwas wie ‚Alltag' ein. Keine weiteren Überraschungen, keine weiteren Häuser oder Ländereien auf der Poschti-Liste. Hurra!
Der Italienisch-Unterricht macht Spass und/oder fordert uns ganz schön. Mit ‚piu o meno' 40 anni eignet man sich eine neue Sprache wirklich nicht mehr so subito an wie mit 20 Jahren.Alex erweist sich als wahres Sprachtalent. Es gelingt ihm fast immer innert Sekunden seine Französisch-Kenntnisse nach vorne zu grübeln, etwas italienisch klingen zu lassen und meistens liegt er richtig. Bin normalerweise ich diejenige, die ununterbrochen spricht, sitze ich nun mehrheitlich schweigend daneben. Mein Mann geniesst es sichtlich, mal endlich zu Wort zu kommen Mio marito è un vero genio!
Aber ich zeige mich wenigstens von meiner kreativsten Seite. Irgendwie wurde mein Hirn wohl mal ziemlich durchgeschüttelt. Bei mir gibt's dann so lustige Kreationen wie ‚twenty-due' für 22. Ich merke zwar, dass irgendwas nicht stimmen kann, aber dass ich sämtliche Sprachen mixe, darauf komme ich meist nicht. Ich lächle mal charmant durch die Gegend und tu wenigstens so, als hätte ich alles verstanden - natürlich besonders cool...
Manchmal fliegt meine Schauspielkunst etwas peinlich auf. Gerade dann wenn unsere Lehrerin freudig registriert, dass ich scheinbar alles verstanden habe. Und ausgerechnet in diesen Momenten hat Alex nichts verstanden und schaut mich fragend an. Dumm, wenn ich ihm dann eben nicht wie erwartet rasch 'runter-schnetzeln' kann, was sie soeben gesagt hat hahaha... Da bleibt nur ein rot-beschämter Kopf von mir übrig.
Nebst unseren wöchentlichen 3x3 Stunden Unterricht läuft natürlich auch so einiges. Gestern konnten wir beim Notar den Eigentumsübertrag für unser zukünftiges Wohnhäuschen vertraglich festhalten. So ein Hauskauf beim Notar ist auch eine Geschichte für sich. Bezahlt wird alles mit Checks. Da bringt also jeder sein Checkbüchlein mit (wir wussten nicht mal, dass es so was noch gibt - also musste subito ein Checkheft her) und dann werden in den ersten 10 Minuten erst mal fleissig Checks ausgestellt und ausgetauscht. Für alles Mögliche: verschiedene Steuern im Zusammenhang mit dem Liegenschaftserwerb, Notariatshonorar (das offizielle), Honorar für die Immobilien-Agentur und dann kommt dann noch das inoffizielle Notariatshonorar hinzu. Ein paar hundert Euros ‚durften es schon sein', die wir cash mitbringen mussten und heute noch nicht ganz verstehen, wofür genau die waren. Nun ja, der Notar zog charmant seine Brieftasche aus der Hosentasche, verstaute ordentlich die Noten darin und liess die Brieftasche wieder ebenso galant in der Hose verschwinden. Unsere Lehrerin meinte dazu nur: Benvenuto in Italia!
Nun besitzen wir also ganz offiziell unsere erste Villetta - auch wenn es noch ziemlich viel Fantasie braucht um sich vorzustellen, dass daraus eine kleine hübsche Villetta werden soll. Damit das möglichst bald geschehen kann, sind wir mit vielen Handwerkern am diskutieren, holen Offerten ein, vergleichen und verhandeln. Wohlgemerkt - alles in italienischer Sprache - englisch spricht hier wirklich kein Mensch.Mal schauen, ob unser Häuschen dann im Endstadium so aussieht, wie wir uns das eigentlich vorgestellt haben - lassen wir uns mal überraschen .
Was wir hier im schönen Piemont schon so sehr schätzen und nicht mehr missen möchten:
- Es gibt praktisch keine grossen Laden-Ketten. Weder für Lebensmittel noch für Kleider (Mango, H&M etc.). Hier ist der Begriff ‚Lädeli-Sterben' ein Fremdwort. In den wunderschönen Städtchen und deren Gässchen gibt es überall kleine und kleinste Boutiquen, Lebensmittel-Geschäfte, welche in Zürich unter dem Namen ‚Comestibles/Delikatessen' geführt würden und alleine deshalb alles doppelt so teuer wäre. Hier im Piemont sind genau all diese Lädchen das Normalste der Welt und mehrheitlich günstiger als die wenigen grossen Supermärkte. Überall werden hier die leckersten Käse in geschätzten 500 Sorten angeboten, und all die kleinen und Kleinst-Käsereien arbeiten noch autonom und können ihre Produkte im nahen Dorf-Laden anbieten. Ein Paradies für Gourmets!
- Auf dem Weg zur Schule in Acqui Terme fahren wir durch verschiedene Dörfer. In einem dieser Dörfer oder dann spätestens in Acqui selbst ist jeden Tag irgendwo Markt. Da werden täglich die leckersten Trüffel-, Barolo- oder Wildschwein-Salami angeboten, Prosciutto crudo oder cotto zu Preisen aus dem letzten Jahrhundert. Jeder Markt hat auch immer seinen eigenen, riesen grossen Fisch-Stand, wo wirklich alles angeboten wird, was das Meer zu bieten hat. Und erst die schönen Gemüse und Früchte - für jemand der gerne kocht oder zumindest gerne isst - das Piemont ist ein SCHLARAFFENLAND.
Essen und Trinken ist generell ein sehr wichtiges Thema hier. Eben durften wir von der letztjährigen Ernte auf unserem zukünftigen ‚Gut' die ersten Tröpfchen Dolcetto und Barbera kosten, die nun abgefüllt werden. Unserer Meinung nach zwei ganz schöne Weine, die sich da entwickeln - wir freuen uns darauf!
Als sich das Wetter vor zwei Wochen grad wiedermal von seiner schönsten Seite gezeigt hatte, sind wir nach Turin gefahren. Da ist jeweils einmal im Monat ein riesen grosser Trödelmarkt. Fündig geworden sind wir da zwar nicht, aber die Stadt ist auch sonst ein Besuch wert. Turin verfügt über grosszügige Plätze zum verweilen, die alten wunderschönen Bauten lösen grösste Bewunderung aus, und die fast endlosen Shopping-Alleen lassen jedes Frauen-Herz höher schlagen.
Kürzlich sind wir auch wieder ans Meer gefahren. Es ist immer wieder herrlich, früh morgens einen ersten Cappuccino oder später ein gutes Glas Weisswein, begleitet vom Wellenrauschen, zu geniessen. Insbesondere natürlich vor dem Saison-Start - da haben wir den Lungomare jeweils fast für uns alleine.
Nun, wie ihr mittlerweile wisst, lässt das kulinarische Angebot im Piemont praktisch keine Wünsche offen. Und doch gibt es ab und zu Momente, in denen wir uns etwas wünschen, was schier unmöglich scheint.
In Alessandria, einer weiteren grösseren Stadt hier in der näheren Umgebung, sind wir tatsächlich auf eine Sushi-Bar gestossen und in Savona haben wir ebenfalls ein Sushi-Lokal entdeckt. Was für eine Freude - das hätten wir hier nicht erwartet. Sushi über Mittag ist hier ganz easy, wie alle anderen Angebote auch.Man zahlt einen ‚all you can eat'-Preis zwischen 9-11 Euround kann sich dann am Sushi-Band wirklich vergnügen. Da wir meist frühe Esser sind (der klassische Schweizer isst ja um 12 Uhr Zmittag), sind wir natürlich mehrheitlich die Ersten. Da ist das Sushi-Band noch nicht ganz voll mit den frischen Sushis, dafür fahren die nett gefüllten Dessert-Tellerli schon fleissig direkt an der Nase vorbei. Wenn man also mal wieder auf ein Fisch-Tellerchen warten muss, vertreibt man sich einfach die Zeit mit leckeren Creme-Brûlées, fantastischen Oster-Kuchen oder kleinen Petit-four-Tellerchen... ‚oh dio mio' !!
Unser zukünftiges Wohnhäuschen muss natürlich auch eingerichtet werden. Da wir weder Geld noch Lust haben, alles in einem Möbelladen à la Ikea oder Möbel Pfister zu erwerben, stehen bei uns Trödel- und Antiquitätenmärkte zuoberst auf der ‚to do-Liste'. Vor kurzem waren wir an einem regnerischen Tag in Nizza Monferrato. Es regnete wirklich wie aus Kübeln, so war die Geduld und Stimmung der Verkäufer etwas angespannt. Die Preise fielen aufgrund des schlechten Wetters und wir haben richtig zugeschlagen. Konnten einen uralten langen Esszimmertisch aus einem Holz von einer wilden Nuss erwerben, dazu 6 klassische piemontesische Stühle, ein wunderschönes, uraltes Kirschholz-Eckmöbel fürs Geschirr und als Tages-Krönung ein ca. 200-jähriges Sofa ergattern welches der Händler für uns noch liebevoll aufbereitet hat. Das macht Spass!
So, zurück in unser Dorf. Zwischenzeitlich kennen wir auch unsere direkten Nachbarn. Zum einen ist das ‚Bruno', sein Alter ist schwer zu schätzen, wir vermuten um die 60-70. Er wohnt mit seiner Mutter zusammen und ‚teilt' mit uns den Rebberg - die hintere Seite des Hügels gehört ihm. Er ist auch unser ‚Alarm-Call': Da er diesen Rebberg und weitereprofessionell betreibt und auch sein Haupteinkommen darstellt, ist er natürlich der Erste, der bemerkt, falls mit unseren Reben etwas nicht in Ordnung ist (z.B. Krankheitsbefall) und demzufolge seine eigenen Stöcke gefährden könnten.
Zur anderen Seite wohnt Gianni mit seiner Frau Lydia. Sie wird zukünftig unsere gute Seele im Agriturismo sein und uns mit der Reinigung der Appartements unterstützen. Gianni ist hauptberuflich Bauer aus Leidenschaft. Er wird uns auch helfen, unser Projekt ‚Gemüsegarten' umzusetzen (sobald das Feld durch den ständigen Regen mal etwas weniger ‚solo fango' ist). Dann gibt's da noch Toni. Er ist kein direkter Nachbar, aber unsere gute Seele und Hilfe für alles. Er kümmert sich seit einigen Jahren hier um ‚unseren' Rebberg, hegt und pflegt sämtliche Frucht-Bäume und bewirtschaftet unser Wäldchen. Toni lebt seit 20 Jahren im Piemont, stammt jedoch ursprünglich aus dem Kosovo. Er spricht ein sehr einfaches Italienisch, was uns definitiv zu Gute kommt. Aus Sorge, wir könnten immer noch zu wenig verstehen, beinhaltet jeder von ihm gesprochene Satz mindestens zweimal ‚tu capisci??'. Si si, capisco... Von ihm haben wir bereits gelernt, wie man die Obst-Bäume richtig zurück schneidet, damit dann im Sommer Früchte in einer geringeren Quantität, dafür in einer Top-Qualität gedeihen.
Im letzten Blog haben wir die freundlichen und hilfsbereiten Piemonteser erwähnt. Das können wir auch einen Monat später noch ausnahmslos bestätigen. Alle Menschen, die wir hier treffen, kommen sehr offen, freundlich und sympathisch auf uns zu und bieten ihre Hilfe an. Hier tickt die Uhr einfach irgendwie noch anders...
Seit Dienstag ist Omi-Elber zu Besuch. Wir geniessen die gemeinsame Zeit und freuen uns ganz besonders auf ein klassisches piemontesisches Oster-Fest am kommenden Sonntag.
Wir wünschen euch allen ein paar erholsame und genussvolle Ostertage - ‚schöne' lassen wir jetzt mal weg - wir sitzen in Europa wohl alle im gleichen Boot, was das Werk Petrus' anbelangt.
Buona pasqua,
carissimi salutti
Andrea, Alex und Omi Elber
- comments
Georg Salut Zäme Das hört sich ja super an. Ihr habt ja lauter interessante und nützliche Nachbar. Bin gespannt auf die ersten Fotos eurer Beutezüge von den Antiquitätenmärkten. Beste Grüsse
Christine Dreher Hoi Zäma Ach was bin ich eifersüchtig. Nur zu gerne würde ich bei euch auf Entdeckungstour sein. Wenn man so viel Zeit hat macht doch das Einrichten und Möbel ergattern so richtig Spass. Ich wünschte ich könnte bei euch sein.