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Das Boarding in Frankfurt begann pünktlich wie nie und ich war guter Dinge auch pünktlich nach Ottawa zu gelangen. Das Flugzeug war gerade mal zur Hälfte besetzt und der Platz neben mir blieb frei. Was ein Glücksfall, bedeutete es doch, dass ich auf dem langen langen Flug genug Platz für meinen Krams hatte, die Beine ausstrecken und auch mal halb hoch legen konnte und niemanden stören musste, wenn ich einfach mal aufstehen wollte. Sehr cool auch, dass jeder Platz einen eigenen Bildschirm hatte und man selber aussuchen konnte, welchen Film man wann schauen will.
Eine ganze Weile stand das Flugzeug noch am Gate, weil wir ja so früh eingestiegen waren. Dann parkte es aus, drehte sich um 90 Grad in Fahrtrichtung und blieb wieder stehen. Und stand und stand. Dann die Durchsage des Piloten: Ein defektes Teil zwingt uns zum Gate zurückzukehren und einen Mechaniker an Bord zu holen. Wird etwa 10 Minuten dauern. Schnellreparatur in 10 Minuten, ja ist das denn auch wirklich gründlich genug? Ich versuchte mich selber zu beruhigen, vielleicht war es ja nur die Klospülung oder sonst ein Teil, das nicht zwingend erforderlich ist, um das Flugzeug in der Luft zu halten? Wir fuhren nicht zurück ans Gate, es kam kein Mechaniker, sondern wir standen weitere 5 Minuten dort wo wir waren. Dann eine erneute Durchsage: "We managed to start the engine" -alles klar, es kann los gehen. Hmm, "engine" klang aber nun gar nicht nach Klospülung, wäre es vielleicht nicht besser gewesen, der Mechaniker hätte doch mal geschaut? Mit ungutem Gefühl in meinem Magen erhoben wir uns in die Luft.
Nun, der Flug verlief ruhig, aber für das erhoffte Mittagsschläfchen war ich doch nicht müde genug. Pünktlich als wir Kanada erereichten, öffnete sich die Wolkendecke, die sich über Wiesbaden geschlossen und uns den ganzen Flug begleitet hatte. Kanada!!! Ich konnte eine Menge Schneereste erkennen. Wir flogen entlang des St. Laurent-Stroms, der zuerst so breit war, dass nur ein Blick auf die Landkarte am Monitor zeigte, dass wir nicht auf's offene Meer schauten.
Natürlich wollte ich meine tollen Luftaufnahmen sofort auf's iPad laden (und dann alsbald möglich ins Internet), doch dabei ging irgendetwas schief und das iPad "hängte sich auf". Ließ sich weder an noch richtig ausschalten. Mir war klar, dass da nur ein Reset helfen konnte, aber dazu muss man eine Nadel in ein winziges Löchlein stecken. Natürlich hatte ich keine Nadel bei mir, schließlich darf ich nicht mit spitzen Gegenständen die Luftsicherheit gefährden. Aber auch nicht im Koffer und ich bekam Panik, ob mein iPad wohl Schaden nimmt, wenn es vor sich hin rödelt bis ich eine Nadel besorgt habe. Irgendwann fiel mir dann mein Ohrstecker ein, die Rettung! Aber erst mal Finger weg von Fotos.
Wir landeten durch eine -nun war sie wieder da- dichte Wolkendecke. Am Flughafen lief alles wie am Schnürchen, auch wenn man mir bei der Einreise eine Menge neugierige Fragen stellte.
Mit dem Linienbus landete ich im Feierabendstau, der einzig durch hunderte von Linienbussen verursacht wurde! Alle ziemlich leer, ich glaube man könnte Ottawas Problem durch Vergrößerung des Zeittakts lösen.
Immerhin werden die Haltestellennamen im Bus angezeigt und ich bin jetzt ganz optimistisch, was meine nächtliche Reise betrifft. Bryan ich komme!! Nur nicht einschlafen jetzt.
Die ganze Sache mit dem Bryan Adams Konzert waren gleich mehrere glückliche Zufälle auf einmal. Die Halle in Ottawa ist weit draußen, gut eine halbe Stunde mit dem Auto, so weit, dass ich Ottawa am Anfang meiner Chris-Konzert-Planungen beinahe gestrichen hätte, weil es mir unmöglich erschien, die Halle zu erreichen. Dann kam aber das freundliche Angebot von der deutsch-holländischen Reisegruppe, mich im Auto mitzunehmen und so habe ich auch deren B&B gebucht. Und meinen Hinflug einen Tag vor dem Chris-Konzert gebucht, damit ich mich erst mal an die Zeitverschiebung gewöhnen kann. Diese Idee vom entspannten Eingewöhnen hat Bryan dann ruiniert. Kurz nachdem Flug und Hotel gebucht waren, sah ich plötzlich zufällig irgendwo die Daten von Bryan Adams Canadian Coast to Coast Tour. Und da musste ich mich selber erst mal zwicken!! Bryan war genau einen Tag vor Chris in Ottawa, in der selben Halle. Der Kanadier in Kanada!! Und ich war an dem Abend schon in der Stadt. Das musste ja einfach sein!! Von den Chris-Fans mochte aber niemand mit und somit hatte ich wieder das Problem mit dem Weg zur Halle. Im Internet fand ich aber heraus, dass es einen Sonderbus geben wird (der übrigens am nächsten Tag nicht zu Chris fuhr) und dieser, das war der nächste glückliche Zufall, genau vor meinem Hotel hielt. Ein bisschen Sorge hatte ich ja, der Zeitunterschied würde mich ganz schon schlauchen, aber das war einfach so unglaublich, das schrie danach gemacht zu werden.
Dank Sonderbus kam ich also recht einfach zum Scotiabank Place und war jetzt auch wieder ganz munter, obwohl es in Deutschland schon nach Mitternacht war. Die Halle ist hauptsächlich für den örtlichen Eishockeyverein und war mit überdimensionalen Bildern von Spielern dekoriert.
Schon zuhause, bei einem letzten Blick auf den Saalplan, hatte ich gemerkt, welchen guten Fang ich mit meinem Ticket gemacht habe. Gleich zum Vorverkaufsstart gekauft, habe ich mich für einen der günstigsten Plätze entschieden (wirklich ganz erstaunlich günstig), ich wollte einfach das Risiko minimieren, falls ich dann doch nicht zum Konzert gehen kann, weil der Flug zu spät ist oder ich zu K.O. bin. Die Billigplätze befanden sich am entfernetsten Ende der Halle, gegenüber der Bühne und auf dem zweiten Rang, zu diesem Zeitpunkt also ganz oben. Ich habe einen Platz bekommen, der schön mittig war. Offenbar erst später hat man sich entschlossen, auch noch einen dritten Rang zu öffnen, und dessen vordere Reihen in einer besseren Kategorie anzubieten, so dass über/ hinter mir Leute saßen, die gut das doppelte für ihr Ticket bezahlen mussten.
Auf der Leinwand über der Bühne lief wieder der Twitter-Feed, mit dem ich letztes Jahr so viel Spaß hatte. Ein Tweet sagte "Seeing Justin Bieber tonight. OMG so excited". Da dieser als einziger keinen Username anzeigte, gehe ich davon aus, er war aus Spaß vom Team eingebaut.
Um Viertel nach Acht war Bryan auf der Bühne, das war gut, ich hatte mit einer Vorgruppe gerechnet, die den Abend noch länger werden lässt. Sofort rannten die ersten zwei Reihen (das Konzert war komplett bestuht!) an die Bühne, aber es folgten keine Massen nach. Ich war in dem Moment schon sehr neidisch, aber es war schon klar, dass ich gar nicht mehr die Energie hatte, den ganzen Abend zu stehen. Bryan legte rockig los mit "House Arrest". Immer wieder waren aber Balladen vereinzelt eingestreut und so sorgte "Here I Am" als dritter Song für Gänsehaut und nicht viel später "I'm Ready" mit Akustik-Gitarre und Mundharmonika für noch mehr Gänsehaut. Das Publikum sang die Refrains der ruhigeren Songs von Anfang an mit. Im Innenraum standen die meisten Leute von Anfang an, aber brav vor ihren Stühlen. Ich vermutete zunächst, dass die Security das Vorrennen verhinderte, kam aber in den nächsten Tagen zu dem Schluss, dass das möglicherweise dem kanadischen Konzertverhalten entspricht.
Die rockigeren Songs spielte Bryan immer wieder ganz an der Seite der Bühne, bei "Hearts on Fire" zeigte die Leinwand Bryan und den Gitarristen im Flammenmeer. Auch der Giarrist verstand seine Show, spielte hinter dem Rücken und all sowas. Generell hatte ich den Eindruck, dass auf der Leinwand mehr Abwechslung gezeigt wurde, als letztes Jahr in Deutschland, aber vielleicht stand ich damals auch einfach nur zu weit an der Seite. Der jetzige Platz, weit oben und mittig genau gegenüber der Bühne, war natürlich ideal für den Gesamtüberblick, auch wenn Bryan nur so groß wie ein Stecknadelkopf war. Und schließlich wollte ich ja auch das heimatliche Publikum spüren und die Stimmung war wirklich super. Bryan erzählte, dass er vor etwa 17 Jahren der erste war, der im Scotiabank Place spielte. Und er erwähnte auch, dass er einen Teil seiner Jugend in Ottawa gelebt hatte.
Auch die Lichtshow war besser als beim Open Air in Deutschland und sie steigerte sich von Song zu Song. Gegen Ende hat sie mich wirklich sehr fasziniert. Zum Beispiel lag bei "Everything I do" ein Vorhang aus Licht über dem Publikum im Innenraum, die Leute waren quasi gar nicht mehr da. Bryan stand in einem gebündelten Lichtstahl, der quasi direkt von mir herüber kam, es war fast als wären wir zwei alleine, aber ein bissl weit weg war er immer noch.
Nach gut einer Stunde, zu "Summer of 69", riss es sogar mich vom Sitz. Viertel nach Drei in Deutschland, hmmm, geht ja noch.... (In der Tat hätte ich diesen Song bei einer möglichen Vorgruppe und einem späteren Auftauchen in der Setlist wesentlich später erwartet.)
Ein anderes meiner Highlights war "Cuts Like a Knife" und das Publikum sang so toll "naaa-na-na". Einen Song ("If you wanna leave me....you can't find love in the kitchen...") spielte der Drummer auf Kochtöpfen, Pfannen, Backblechen und Eimern. Das war wirklich sehr cool.
Bryan kündigte "It's Only Love", das er einst als Duett mit einer der besten Sängerinnen aller Zeiten gesungen hat, mit Tina Turner, und er habe eine große Überraschung für uns, Tina sei nämlich heute Abend......(Trommelwirbel........Pause)......nicht da! So sang Bryan das Duett also alleine.
Danach legte der Gitarrist ein tolles Solo hin. Viertel nach Vier in Deutschland. Irgendwie bekam ich plötzlich das Gefühl, dass ich keine Rockmusik mehr mag und Bryan besser nur noch Balladen spielen sollte. Aber Bryan rockte noch eine Weile weiter.
Für ein anderes bekanntes Duett, "Baby When You're Gone", holte er wie immer eine Dame aus dem Publikum auf die Bühne. Eine ziemlich verrückte Nudel. Auch bei meinem letzten Konzert war es eine verrückte Nudel, Zufall oder hat Bryan bei seiner Auswahl ein Händchen dafür? Oder neigen Damen generell dazu, durchzuknallen, wenn sie mit Bryan auf der Bühne stehen?
Irgendwann versuchte Bryan alle Plakate zu lesen, die im Publikum hochgehalten wurden. Auf mehreren soll angeblich "I want to meet the keyboarder" gestanden haben....
Am Schluss stand Bryan dann noch einmal alleine mit Akustikgitarre und Mundharmonika auf der Bühne. Er forderte die Leute auf, mit ihren Handydisplays zu leuchten. Sah toll aus in der riesigen Halle, wieder machte sich mein Platz mit Überblick bezahlt. "Straight from the Heart" (auch wieder Gänsehaut...) war sonst immer sein letzter Song gewesen, deshalb war ich schon auf dem Weg nach draußen, als er noch einen Song anstimmte. Ui, schnell zurück und auf den ersten freien Platz gesetzt. Ich kannte den Song überhaupt nicht und wunderte mich, dass das Publikum beim Refrain plötzlich so gröhlte. Erst beim zweiten Refrain hörte ich, dass Bryan "I'm Ontario Bound" sang. Ah, da war sie nun, die heimatliche Note des Konzertes, die ich mir gewünscht hatte. Und weil das Publikum danach so tobte, gab es sogar noch eine Zugabe: Eine Solo-Akustik-Kurzversion von "All for One".
Das war ja schon mal ein Start in meine Konzertreise, der meine Erwartungen noch übertroffen hat. Aber als ich wieder im Bus saß, merkte ich doch, wie die Müdigkeit sehr in mir hoch kroch. Meine größte Sorge vor der Abreise war ja nun, dass ich auf dem Rückweg die richtige Haltestelle nicht finden würde. Ich war dann sehr beruhigt, als ein Lichtband mit den Haltestellennamen im Bus lief und diese auch riesengroß an jedem Bushäuschen standen. Aber es war fast, als hätte ich es herbeigeredet: Offenbar lief das Band falsch. Als ich beim Namen meiner Haltestelle ausgestiegen war, stand ich irgendwo in der Pampa. An einem Grünstreifen, weit und breit kein Haus und das einzige Bushäuschen Ottawas, das keinen Namen dran hatte. Panik kroch in mir hoch, doch dann erkannte ich ein Stück weiter die Hochhäuser gegenüber des Hotels, ich war wohl nur eine Haltestelle zu früh ausgestiegen und musste dann nur etwa 5 Minuten laufen. Puuuuhhh!
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