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Nach all den Interkontinentalflügen, die ja teilweise kreuz und quer und selten auf direktem Wege zum Ziel geführt haben, war der Flug nach London wirklich nur ein Hüpfer. Die Reise drittelte sich in: Flug - Zugfahrt rein nach London - U-Bahn-Fahrt nach Greenwich.
Frühling in London. Jeden Morgen joggen gehen in irgendeinem Park, abends Ausflüge ins kulturelle Leben, tagsüber Streifzüge durch die verschiedenen Stadtviertel und entlang der Themse. Alles ohne Schüler, aber leider nur über das Osterwochenende mit Hugo zusammen. Nach all den Herausforderungen des afrikanischen Kontinents war London der Kontrapunkt, den ich mir mit Absicht gesetzt habe. Großstadt pur; keine Wanderschuhe, sondern bequeme Laufschuhe; nicht auf Berge hochrennen, sondern viel auf Parkbänken sitzen; keine wilden Tiere, höchstens wilde Taxifahrer.
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich auf dem "London Eye", an einem wunderschönen Ostermontag, bei herrlichem Sonnenschein. Überhaupt habe ich fast die gesamt Zeit über bestes London-Wetter gehabt. An den warmen Tagen habe ich im T-Shirt in der Sonne gesessen, an den kalten sonnigen Tagen immerhin noch herrliche Sonnenuntergangsfotos bei klarer Luft und hübschen Farben machen können.
Christiane, die hast mal bei einem unserer gemeinsamen Schulausflüge nach London über die Stadt gesagt, dass sie einen treibt. Diesmal habe ich versucht, diese Dynamik ein wenig zu unterbrechen, oder zu rhythmisieren kann man vielleicht sagen. Oft habe ich mich durch die Straßen treiben lassen, auf Entdeckungsspaziergängen durch Shoreditch oder Hampstead Heath. Teil der Tour war aber immer, mich lange und ausgiebig in einem kleinen Restaurant oder auf einer sonnigen Parkbank mit einem Buch vor der Nase auszuruhen. Selten habe ich in einer Großstadt so viel gelesen. (Ich hatte noch ein dickes Buch über die Geschichte Afrikas nach Ende der Kolonialzeit im Gepäck. Jetzt, wo ich gerade auf Madeira bin, lese ich übrigens eines über London. Ich hinke wirklich hinterher.)
Ich könnte nun die Theater, die besucht habe, aufzählen - vom großen Globe bis zum kleinen Nachwuchstheater in Greenwich - , die Museen - vom großen British Museum bis zum kleinen Fotografiemuseum in einer Seitenstraße der Oxford Street, oder die Parks - von den Kew Gardens bis zu diesem verwunschenen Friedhof im Norden der Stadt, den ich gerade auf der Karte nicht wiederfinde. Das Spannende an London ist einfach die Bandbreite an Möglichkeiten und so Manches muss noch nicht einmal viel Geld kosten. Das Stehplatzticket im Globe gibt's für 5 Pfund, die vielen staatlichen Museen, die umsonst sind, Spazierengehen kostet sowieso nix. Einfach durch die Gegend laufen und Sachen finden, die man gar nicht gesucht hat (einen einäugigen Fuchs in den Court Inns) oder im Doppeldeckerbus, oben, erste Reihe einnmal quer durch die Stadt fahren.
Zu den Dingen, die ich mir jedoch fest vorgenommen hatte, gehörten eine Besichtung der Houses of Parliament, mir den London Marathon anzusehen und am Kanal in Camden entlang zu spazieren. Die Führung durch die Houses of Parliament habe ich mir ausnahmsweise auf Deutsch angehört; ich habe mir gedacht, da ist die Gruppe kleiner. Hat funktioniert und der nette, ältere Herr, der uns führte, sprach ganz ausgezeichnetes Deutsch. Andersherum ist ja auch mal schön.
Der Tag des Marathons war der einzige, an dem das Wetter tatsächlich ungemütlich war. Kalt und windig. Die armen Ostafrikaner in der Siegergruppe haben es hoffentlich nicht so mitbekommen, als Zuschauer aber ist man schnell durchgefroren gewesen. Da so ein Marathon sich über mehrere Kilometer und Stunden erstreckt, habe ich mir vier verschiedene Punkte zum Zusehen ausgesucht. Zunächst war ich in Startnähe in Greenwich, direkt an der Cutty Sark. Dann bin ich mit der Tube rüber zu den Docklands, um die Führungstruppe zu erwischen, danach ein kurzer Zwischenstopp auf etwa der Mitte der Strecke und schliesslich bin ich Richtung Ziel gelaufen. Interessant waren bei der ganzen Aktion zwei Sachen: Zum einen wie viele in irgendwelchen verrückten Kostümen mitliefen; als Superheld, Bernd, das Brot oder im Krankenschwester-Outfit. 80.000 Menschen, laufend, rennend, alle auf dem Weg für sich selbst zum Helden zu werden. Zum anderen war es faszinierend zu beobachten, wie sich die Konstitution der Leute über den Verlauf von 42 Kilometern verändert. Naja, nicht erstaunlich natürlich, aber trotzdem sehr eindrucksvoll. Am Anfang mit Übermut und Enthusiasmus, dann mit Ernsthaftigkeit und Konzentration, gegen Ende mit Qual und auf Autopilot. Und schliesslich, im Zielbereich, waren alle Schmerzen vergessen und alle nur glücklich.
An einem sonnigen Tag am Camdener Kanal entlang zu wandern, ist ein Traum. Losgegangen bin ich ziemlich weit im Westen, Tube Station Westbourne Park. Vorbei an herrschaftlichen Villen und charakterstarken Hausbooten, in der Nähe des Zoos und des Regent's Parks bis zu den Camden Locks; genau an der richtigen Stelle gab es sogar eine öffentliche Toilette.
Meine vier Wochen in London, in der der Frühling ausgebrochen ist und alle Obstbäume wild und überschwenglich Blüten produziert haben, sind vergangen wie im Flug. Natürlich habe ich nicht alles getan bekommen, was ich mir so vorgenommen habe. Gut so. Eine meiner letzten Entdeckungen (stand noch nicht in meinem sieben Jahre alten Reiseführer) war der Sky Garden. Eine Panorama-Dachterasse der ganz besonderen Art. Auf dem Dach eines der neuen Hochhäuser; das "Walkie Talkie" nach Londoner Sprachgebrauch. Im Gegensatz zur Aussichtsplattform der "Shard" auf der Südseite der Themse ist der Sky Garden umsonst, man muss sich nur vorher im Internet anmelden und bekommt einen bestimmten Zeitraum zu geteilt. Vielleicht ist Dachterasse der falsche Ausdruck, für das, was einen dort oben erwartet. Es ist vielmehr ein Dachgarten, ein Tropengewächshaus, über die gesamte Dachfläche, über zwei Ebenen, mit Aussenterasse und Restaurant. Der Ausblick war übrigens auch fantastisch. Die Themse entlang, zum Tower nach links, zur Shard gegenüberliegend, St. Paul's links und in der Ferne das London Eye. Erstklassig. Ich weiss nicht, ob sie das kostenfrei lassen, aber im Augenblick ist das wirklich der Geheimtipp!!
Gewohnt habe ich in meinem Londoner April an zwei verschiedenen Orten. Mein erstes Hostel stand im gutbürgerlichen, ruhigen, gediegenen Greenwich, weit im Osten, nur noch knapp in der westlichen Hemisphäre der Welt gelegen; sprich nicht weit vom Nullmeridian entfernt. Der komplette Kontrast dazu war Shepherd's Bush tief im im Westen der Stadt. Multi-Kulti, bunt, laut. Mein dortiges Hostel lag in einer lautarmen Wohnstraße, doch mein Fussweg zur Tube Station führte über eine Straße deren Geschäfte ich mal eins neben dem anderen fotografiert habe. Daraus werde ich eine Collage basteln, so wie andere das mit irischen Türen machen.
Da gab es Tür an Tür der / die / das:
Lahori Restaurant
Five Star Fish and Chips Takeaway
Juba Express Travel Agency - Service Beyond the Ordinary
The Red Sea Restaurant - Ethiopean Cuisine
Mleczko - Polskie Delikatest
Lebanese Bakery
OZ and NZ Food & Wine
Arbil Halal Meat
Patisserie La Brioche
African & European Unisex Salon (Frisör)
Laundrette
Cheap International Call Centre
The Money Shop
H & T Pawnbrokers (Pfandleiher)
The Fisherman's Hut
Doch der freundliche Besitzer des äthiopischen Restaurants hat mir erzählt, dass die Geschäfte schlecht gehen. Wenige haben noch Geld, um essen zu gehen.
Wie gesagt, die Zeit hat nicht ausgereicht, um alles an London zu entdecken, was die Stadt zu bieten hat. Aber ein paar neue Lieblingsplätze und besondere Dinge habe ich gesucht und gefunden. Der Sky Garden, der Ausblick von Hampstead Heath runter auf die Stadt, bei Sonnenaufgang durch den Hyde Park joggen, bei Sonnenuntergang die Tower Bridge fotografieren, all die tollen Parkbänke und den hunderten kleinen und großen Parks, grüne Papageien, verrückte Leute und ich weiss jetzt, wer der Mörder ist in "The Mousetrap"!
Ausserdem bin ich nach meinen zahlreichen Museumsbesuchen zu dem Entschluss gekommen, mit Schülern ab einem bestimmten Alter nur noch in ein Museum, wenn diese das ausdrücklich wünschen. Ich habe viele, wirklich viele Schülergruppen aus allen möglichen Ländern getroffen. London scheint zu jeder Zeit des Jahres von Schülern nur so zu wimmeln. Und alle Gruppen, ausnahmslos, waren sich selbst und den übrigen Anwesenden nur lästig und störend in jedem einzelnen Museum. Angeguckt hat sich keiner überhaupt nur irgendwas. Da ich ja nicht verantwortlich war, konnte ich die verschiedenen Truppen in Ruhe beobachten. Und es war immer das Gleiche!! Immer. Die sensible Phase für einen Museumsbesuch liegt nicht im Alter zwischen 13 und 18.
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