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Kuba fasziniert, begeistert und schockiert mich immer wieder aufs Neue. Santiago de Cuba war in den letzten Wochen im Ausnahmezustand, einerseits wegen dem Carnaval, andererseits wegen der 500-Jahrfeier, die am 25. Juli gefeiert wurde. Für das 500 jährige Jubiläum der Stadt wurde in den letzten Wochen und Monaten intensiv gearbeitet. Arbeitskräfte wurden vom ganzen Land nach Santiago geschickt, damit die Bauarbeiten pünktlich zum Jubiläum abgeschlossen werden. So wurde rund um die Uhr, sieben Tage pro Woche gearbeitet. Die Kubaner waren plötzlich extrem produktiv. Innert kürzester Zeit wurden Bauwerke renoviert, die noch vor ein paar Wochen fast abbruchreif dastanden. Ich war absolut beeindruckt. Santiago hat sich innert kürzester Zeit massiv verschönert. Wir haben nun ein neues wunderschönes Hotel hier, das Hotel Imperial, eine neu gestaltete Fussgängerzone, einen wunderschönen Malecon mit Park, ein Tram, eine Fähre die auf die kleine Insel Cayo Granma führt und noch etliches mehr. Alle die nach Kuba reisen, sollten unbedingt nach Santiago kommen. Hier ist das kubanische Leben noch richtig authentisch, es lebt, von allen Seiten her ist Musik zu hören, es wird getanzt und das Leben wird in einem langsameren Rhythmus genossen. Für mich unverständlich, warum so viele Touristen nur in und um Havanna bleiben. In der Karnavalszeit war dies jedoch nicht der Fall, da war die Stadt plötzlich voller Touristen und jedes offizielle (legale) Zimmer in Santiago war belegt. Kurzerhand wurden auch inoffizielle (illegale) Zimmer eröffnet, um all die Touristen unterzubringen, die den Carnaval erleben wollten. Es war eine super Stimmung in der ganzen Stadt. Zuerst fand während einer Woche der Kindercarnaval statt, wo Kinder und Jugendliche Umzüge und Tanzvorstellungen machten. Vom 20. - 27.7. fand dann der richtige Carnaval statt. Die farbenfrohen Umzüge waren wunderschön und faszinierend. Am letzten Abend durfte ich an einem Ehrenplatz dem Umzug zuschauen - Shekil's Stiefvater hat für die Familie über Beziehungen die beliebten seltenen Tickets gekriegt. Und so kam es, dass ich während fast vier Stunden immer wieder im kubanischen Fernseher zu sehen war!!Weiter waren an jeglichen Orten in der Stadt während der ganzen Woche Strassen geschlossen, Bier- und Essensstände wurden eröffnet und es dröhnte laute Musik aus den Lautsprechern. Die Leute waren fröhlich, es wurde viel getrunken, gesungen und getanzt. Auch ich genoss dies natürlich sehr. Es kamen national und international bekannte Bands nach Santiago zu Präsentationen, z.B. Pupy y los que Son Son. Während der Präsentation zweier Komödianten musste ich amüsiert feststellen, dass Kuba wohl eines der einzigen Länder auf dieser Welt ist, wo Weisse Witze über Schwarze machen können und dabei alle herzhaft lachen. Die Kubaner machen sich häufig über ihr eigenes Schicksal lustig, den Mangel aller Dinge, der Art und Weise wie sie funktionieren. Sie nehmen die ganze Situation mit Humor. Ich habe in meinem Leben noch nie so selbstsichere Leute wie die Kubaner erlebt. Kubaner haben jedoch auch eine unglaubliche Geduld und haben gelernt, die Dinge zu akzeptieren, wie sie sind, ohne dagegen zu rebellieren. Wartezeiten, Verspätungen und Nichtverfügbarkeiten werden mit einem Schulterzucken angenommen, wo wir Europäer uns schon lange heftig beklagt hätten. Kubaner sind viel gelassener, dies beginnt schon bei den Kindern. Ich hab noch selten ein kubanisches Kind weinen hören. Die Kleinsten sind überall mit dabei, egal ob frühmorgens beim Schlange stehen in der Bodega oder spätnachts bei lauter Musik am Carnaval. Sie schlafen dann friedlich auf den Armen der Eltern oder schauen dem Treiben zu.
Die 500-Jahrfeier von Santiago war für die Normalbürger nicht zugänglich, im Gegenteil. Bereits am Vortag, am 24. Juli, war die halbe Stadt gesperrt fürs Volk, Restaurants, Internetcafes und Läden wurden am Mittag geschlossen, da der Präsident anreiste, angeblich. Der Park war für Normalbürger weitläufig gesperrt, es durften nur eingeladene Gäste am Anlass teilnehmen. Ob Raul Castro wirklich hier war, weiss ich bis heute nicht?!? Um Mitternacht fand ein schönes, 20 minütiges Feuerwerk statt, wie man es hier in Santiago noch nie gesehen hatte. Angeblich sei dies eine Spende von Kanada gewesen. Tagsüber merkte man dann nichts mehr von der 500-Jahrfeier. Abends war wieder Karnaval, jedoch wurden an diesem Abend um 10 Uhr die Cafeterias geschlossen, der Bierausschank verboten. Pünktlich um Mitternacht wurde die Musik ausgeschaltet. Der 26. Juli war Nationalfeiertag, um 5 Uhr morgens fand der Feierakt dazu statt und die Bürger sollten dafür wach und nüchtern sein und den Akt am Fernseher verfolgen!!! So gingen alle mit einem Schulterzucken nach Hause. Tolle Feier zum 500 jährigen Bestehen der Stadt! Ich schien jedoch fast die einzige zu sein, die sich darüber nervte.
Strapazieren tut mich hier ansonsten nach wie vor das Klima, die Hitze scheint jeden Tag mehr, und angeblich sei der August noch schlimmer. Als meine Kollegin Jolanda nach Santiago gekommen ist, haben wir uns entschieden, ein paar Tage nach Baracoa, ganz in den Osten von Kuba, zu reisen. Baracoa ist Natur pur, für mich die schönste Stadt Kuba's. Ich hab's wahnsinnig genossen dort, tagsüber wandern in den schönen Wäldern oder auf den Hausberg ElYunque, danach ein abkühlendes Bad im Meer, Fluss, unter Wasserfall oder in der Höhle. Was könnte bei dieser Hitze besser sein?! Auch das Essen in Baracoa ist hervorragend, die Küche ist anders als im Rest von Kuba, es wird viel mit Kokosnuss gekocht. Baracoa ist auch der Ort, wo sämtliche kubanische Schokolade herkommt.
Jolanda hat auch den „Stress" mit nach Kuba gebracht. Ich bin seit sie hier ist aktiv unterwegs, wir unternehmen viel. Stress bedeutet für uns aber, wenn wir für den nächsten Tag eine Tanzstunde gebucht haben und somit ein klein wenig gebunden sind ;-) Manchmal frage ich mich, ob ich mit einem vollen Terminkalender à la Schweiz noch klar käme?!?! Hier gestalten wir unsere Tage sehr spontan, waren in den letzten Tagen mehrmals in einem Schwimmbad oder am Strand um ein bisschen abzukühlen, meist mit einer Gruppe von KubanerInnen zusammen. Der Austausch macht Spass. Wir tanzen auch viel und geniessen die Zeit. In den nächsten Tagen werden wir wohl nochmals nach Baracoa reisen und dort noch ein wenig länger die Natur, die Flüsse und das feine Essen geniessen. Ich hab auch weitere Reisepläne geschmiedet: Ich werde Kuba per Ende August vorerst mal verlassen, Richtung Bonaire, Curaçao und dann Panama. Ende September werde ich sicher nochmals nach Kuba zurückkehren, da mich dann meine Geschwister hier besuchen. So muss ich noch nicht Abschied nehmen hier, was mir nämlich unendlich schwer fallen wird… Kuba ist und bleibt magisch, trotz all der Schwierigkeiten und Mängel!
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