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Dienstag, 16. bis Freitag, 19. Januar 2018 - Schneefall, 2 Grad/sonnig, 21 Grad
Der liebe David ist leider unpässlich und kann uns dieses Mal nicht zum Bahnhof fahren. Das Stadttaxi erfüllt diese Aufgabe jedoch bestens. Mit einem Sparbillett auf dem iPhone fahren wir zum Flughafen. Dort gestaltet sich die Suche nach dem Hotel-Shuttle etwas mühsam, da nach einer anfänglichen Hinweistafel weitere Richtungsangaben fehlen und wir uns auf kompliziertem Weg durchfragen müssen. Seit unserer letzten Hotelübernachtung vor drei Jahren scheint man wieder eine Menge geändert zu haben. Im „Holiday Inn Express" finden wir ein sauberes, funktionell und einigermassen gemütlich eingerichtetes Zimmer vor. Nicht ganz perfekt ist dann die Leistung eines schwarzen Kellners. Er kann zwar einigermassen deutsch, aber das auf der Getränkekarte aufgeführte „Shorley" ist ihm unbekannt. In der nüchternen Restaurantlounge lädt uns ein älteres schwäbisches Paar ein, uns an seinen Tisch zu setzen. So haben wir etwas Unterhaltung, bis unsere Pizza serviert wird, aber dann ermüdet uns der geschwätzige Mann bald, und wir sind nicht unglücklich, als sich das Paar, das morgen früh nach Florida fliegen will, verabschiedet.
Im Zimmer setze ich den Fernseher in Betrieb, aber da der Ton nicht richtig funktioniert, legt sich Margrit bald zu Bett, während ich den Film auf dem Laptop via Internet weiterschaue.
Der Morgen ist kalt, aber zunächst noch ohne Schneefall. Dieser setzt genau eine Viertelstunde vor dem Einsteigen in den Airbus A 319 nach Kopenhagen ein. Deshalb müssen die Tragflächen eingesprüht werden, was zu einer halben Stunde Verspätung führt. Der Steigflug durch das böige Schneetreiben ist so ruppig, wie wir das schon lange nicht mehr erlebt haben. Über Deutschland kommt zeitweise dünn schneebedecktes Land in Sicht, meist breitet sich aber eine zähe Wolkendecke aus. Kopenhagen hat ruhiges und trockenes Wetter. Der Flughafen ist wohl mindestens so gross wie der Zürcher; nachdem wir das Gepäck vom „Bånd" geholt haben, marschieren wir endlos durch Gänge zu einem anderen Terminal, um es dort wieder aufzugeben. Beim Anstehen stellt uns ein Angestellter Fragen über unseren Reisezweck, woher wir kämen und wie lange der Flug von Zürich gedauert habe. Die Amerikaner schrieben das vor, erklärt er auf meine Frage. Schon erstaunlich, wie weit der Arm des mächtigen Amerika inzwischen reicht. Nachdem wir uns mit einem schrecklich teuren Sandwich gestärkt haben, besteigen wir eine Boeing 787 „Dreamliner". Besonders traumhaft wird das Flugerlebnis nicht, denn auf dem 11-stündigen Billigflug des „Norwegian Air Shuttle", der pünktlich startet, gibt es weder Wolldecken noch Kissen, und das Essen ist kostenpflichtig. Wir lassen uns damit Zeit, bis sich irgendwo über Nordkanada der Hunger meldet und wir aus der mageren Auswahl an Snacks ein getoastetes Sandwich und einen Salat teilen.
Es bleibt hell, bis wir Grönland überquert haben. Erst über der Hudson Bay tauchen wir kurz in die Polarnacht, aber schon über Nordkanada kommt der Tag zurück, und schliesslich geht über Nordkalifornien die Sonne auf - im Westen, was uns als merkwürdiger Effekt erscheint. So landen wir, nachdem wir Kopenhagen gegen 17 Uhr beim Einnachten verlassen haben, kurz vor 18 Uhr Lokalzeit noch bei Sonnenschein in Los Angeles. 10 ½ Stunden Flug und 9 Stunden Zeitverschiebung - wir sind der Abenddämmerung davongeflogen!
Ankunft im Land der unbegrenzten Möglichkeiten
Die Einreise in die USA ist die bekannte mühsame Geschichte mit langer Warterei. Neuerdings muss man zusätzlich an einer Maschine die Zollfragen nochmals beantworten, die man bereits auf einem Formular abgehakt hat, und hier werden ein erstes Mal Fingerabdrücke registriert und ein Foto genommen, das dann als Bild einer lebenden Leiche auf einem Zettel erscheint, den die Maschine ausspuckt. Bei uns streikt die erste Maschine, so dass ich das Prozedere an einer zweiten nochmals absolvieren muss. Nachher das Anstehen hinter geschätzten 200 Leuten, bis uns endlich ein Beamter bedient: Fingerabdrücke (alle 10 Finger), Foto, Fragen beantworten, Nettigkeiten austauschen - und dabei sind wir zum Umfallen müde. Dann das Gepäck abholen: Band 7, sagt eine Bildschirmliste, aber dort geschieht gar nichts, obwohl unser Flug angezeigt wird. Ein Angestellter schickt schliesslich alle Wartenden zum Band 3 in der Nebenhalle, wo alle Gepäckstücke schon herumliegen und man seinen Koffer suchen muss. Immerhin, das Gepäck ist da, was uns schon nicht mehr als selbstverständlich erscheint. Wie gehabt auf früheren Einreisen in das gelobte Land Amerika. Irgendwie finden wir dann die Taxikolonne, und nun beginnt ein neues Drama.
Unser Fahrer ist ein gesetzter Herr mit vermutlich osteuropäischem Akzent, der sich schwer damit tut, die Adresse unserer Unterkunft, die ich ihm schriftlich gebe, in die Navi-App seines Smartphones einzutippen. Der Name des Stadtteils, Windsor Hills, sei falsch geschrieben, behauptet er, was natürlich Unsinn ist, denn das habe ich mit Google Maps nachgeprüft. Währenddessen läuft der Zähler. Zu den 2,85 $ Grundgebühr plus 4 $ Flughafen-Zulage addieren sich bald weitere 2 $, bis wir endlich in einer schleichenden Kolonne den Flughafen verlassen. Nachts ist eine Orientierung in unbekannter Umgebung unmöglich; dennoch habe ich bald den Eindruck, dass unser Taxi seltsame Haken schlägt, schliesslich in eine Autobahn einbiegt, auf der ein Wegweiser „Airport" erscheint. Wieder auf „normaler Strasse", bemerke ich irgendwann ein Strassenschild „59th Street" - das ist unsere Adresse! Ich sage das dem Fahrer, aber der meint verärgert, er fahre nach GPS, und drückt aufs Gaspedal. Seine Unfreundlichkeit bereits vor Anfang der Fahrt steigert sich noch, als ich ihm sage, der „7Eleven"-Laden, an dem wir vorbeifahren, sei mir bekannt, er sei in der Nähe unserer Unterkunft. Nichts da, er befiehlt mir zu schweigen - die Deutschen (dafür scheint er uns zu halten) seien „crazy", und folgt weiter den Navi-Befehlen. Die Gegend, wo wir hinwollten, werde von Schwarzen bewohnt, da habe er noch nie Touristen hingebracht. Schliesslich wieder ein Strassenname: 48th Street. „What are we doing here?" frage ich; wir müssten an die 59. Strasse, wir seien schon viel zu weit. Die Fahrt hätte nach meinen Berechnungen maximal etwa 22 $ kosten sollen, aber der Zähler zeigt inzwischen das Doppelte an. Der Mann hält endlich und fragt nochmals nach der Adresse, stellt dann fest, er habe 50. Strasse eingegeben, das tue ihm leid. Um einige weitere Ecken erreichen wir dann endlich nach insgesamt etwa 40 Minuten unser Ziel, das nach Google Maps 5,5 Strassenmeilen vom Flughafen entfernt ist. Immerhin, der Mann besteht nicht auf den fast 50 $, die der Zähler inzwischen anzeigt, sondern gibt sich mit 24 $ zufrieden. Ein Taxifahrer, der sich stur gibt und gar die Fahrgäste beleidigt - wo gibt es denn sowas? Na ja, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist halt alles möglich.
Um so freundlicher dann der Empfang durch den jungen (in der Tat leicht dunkelhäutigen) Laurence und seinen begeisterten kleinen Hund Charlie. Das Haus ist einfach, unser Zimmer im ersten Stock nicht besonders gross, aber mit einem Kingsize-Bett. Für eine Nacht völlig ausreichend, und wir sind in einer ruhigen Gegend. Leider sorgt der Jetlag dennoch für unruhigen Schlaf.
Wanderung zur Kenneth Hahn State Recreation Area
Wir sind nicht in optimalem Zustand, als wir uns ein behelfsmässiges Frühstück aus mitgebrachtem Müesli zubereiten, aber dem armen Laurence, den eine Grippe plagt, geht es weit schlechter als uns. Gut, dass wir dagegen geimpft sind. Jetzt ist auch Loretta zu Hause, die Mutter von Laurence, eine sehr liebenswürdige Person, die sich rührend um uns kümmert. Zwanzig Grad sind es draussen, und es scheint die fast ewige Sonne Südkaliforniens! Ideales Wetter für unseren Stopover-Wandertag. Wie schon zu Hause geplant, steuern wir den 7Eleven-Laden an, an dem das Taxi vorbeirauschte, und decken uns mit Sandwiches und einem Getränk ein. Nach einer Viertelstunde durch gepflegte Quartierstrassen, wo wir in der Tat auf freundlich grüssende schwarze Einheimische treffen, taucht hinter einer Kreuzung von amerikanischen Ausmassen der Kenneth Hahn-Park auf, wo wir den Tag verbringen wollen. Anfangs auf ungepflegten, dann auf sorgfältig gekiesten breiten Wegen ersteigen wir die Baldwin Hills, die sich gute hundert Meter über die sich rund herum fast unendlich dehnende Stadt erheben. Jogger überholen uns, Männer oder Frauen mit kleinen Kindern, Spaziergänger mit Hunden. Einer, wohl ein „Dogsitter", hat gleich vier an der Leine. Oft treffen wir Sitzbänke an, einen Trinkbrunnen, neben dem, da er nicht in Betrieb ist, drei volle Wasserflaschen stehen. Auf einem steht „Dog Water" - wie rücksichtsvoll; wir sind wieder etwas versöhnt mit Amerika. Auf einem Nebenhügel eine überraschende Entdeckung: Laufende Ölpumpen! Dass hier, mitten in der Riesenstadt, immer noch Erdöl gefördert wird, hätten wir nicht erwartet. Wichtiger ist uns die Sicht zu der in dunstiger Ferne erscheinenden Ansammlung von Wolkenkratzern: Downtown Los Angeles, rund zehn Kilometer im Osten. Wir gelangen zu einigen Gebäuden, einem Wasserturm und einer Picknickanlage, nachher umrunden wir eine flache, grasige, teils mit Bäumen bestandene Senke. An der tiefsten Stelle des Randes besagt eine Infotafel, dass es hier früher einen Stausee gab. 1963 tat sich im Damm ein Riss auf, weil die Ölförderung Geländesenkungen zur Folge hatte. Innerhalb einer guten Stunde ergoss sich der Inhalt des Sees ein Tälchen hinab, zerstörte Dutzende von Häusern und tötete fünf Menschen. Eine schreckliche Katastrophe. Daraufhin ebnete man die Senke teilweise ein; von der Staumauer ist nichts mehr zu sehen.
Auf der andern Seite der Senke können wir in der Tiefe ein weiteres, viel grösseres Picknickgelände sehen. Dorthin abzusteigen, fehlt uns die Energie, wir begnügen uns mit der Aussicht zum Schriftzug „Hollywood" am Berghang jenseits der fast unendlichen Zahl von Einfamilienhäusern in dieser Ebene. Auf einer Sitzbank verzehren wir unser Picknick. Es ist erst kurz nach ein Uhr Mittags, als wir, inzwischen zum Umfallen müde, den Rückweg antreten. Gut, dass uns Laurence erlaubt, noch bis gegen Abend im Zimmer zu bleiben. Er kuschelt sich mit seinem Hündchen auf einem Sofa und guckt Star Wars-Trickfilme; ich unterhalte mich anschliessend eine Weile mit ihm über die Möglichkeit von interstellaren Raumreisen und erzähle von unserem Taxi-Abenteuer. „Uber" sei die viel bessere und erste noch günstigere Variante, sagt er, und ich bitte ihn, für uns doch eine solche Fahrt zu bestellen. Das geht dann fast blitzartig, denn in einer Grossstadt sind immer viele Fahrer unterwegs. Schon gut fünf Minuten nach der Anmeldung taucht ein Privatauto auf, gesteuert vom freundlichen jungen „Erik". Mit ihm sind wir kurz vor 18 Uhr zurück am Tom Bradley International Terminal - was für ein Unterschied zu gestern Abend!
Nachtflug nach Papeete
Unser Flug mit Air Tahiti Nui geht erst um 23.05 Uhr, wir haben also Zeit genug, uns in einem der Restaurants eine Pizza zu bestellen. Solchermassen gestärkt, unterhalten wir uns mit einem jungen Schweizer Paar am Nebentisch. Sie sind auf ganzjähriger Weltreise und wollen heute Nacht nach Shanghai und drei Tage später weiter zu den Philippinen. Was erinnern uns diese jungen Menschen an unsere eigenen langen Reiseabenteuer! Wir geraten so richtig ins Schwärmen, und ich erzähle von unseren Amerika- und Weltreisen. Nach kurzem Schlangestehen und raschem Check-In folgt ein kilometerlanger Marsch bis in eine riesige alte Halle mit einem halben Dutzend Gates. Auf uns wartet die Nummer 144, aber wir müssen noch viel Geduld aufbringen, bis wir in einen Bus steigen dürfen, der so lange zum Flugzeug unterwegs ist, dass wir uns schon auf halbem Weg nach Tahiti glauben.
Der Airbus mit Bestuhlung 2-4-2 füllt sich nur allmählich; anscheinend sich viele Busfahrten nötig. Einige Passagiere dürften einen verspäteten Flug aus Paris hinter sich haben. Es sind viele Polynesier dabei, wohl Einwohner der Inseln. Sie fallen oft durch äusserst üppigen Körperbau auf. Einer dieser Männer setzt sich neben mich, zum Glück bleibt aber der Platz zwischen uns frei. Seine Oberschenkel sind mehr als doppelt so d*** wie meine.
Air Tahiti ist keine Billig-Fluglinie und bietet guten Service: Kissen, Wolldecken, Kopfhörer, gar Socken. Trotz der späten Nachtzeit wird noch eine kalte Mahlzeit serviert und vor der Landung ein reichhaltiges Frühstück. Wir versuchen zu schlafen, leider mit wenig Erfolg, und füllen die Zeit mit Computerspielen. Eine Stunde vor der Ankunft bricht der Tag an; von links blendet die Sonne durch die Fenster. Die Verspätung ist auf eine halbe Stunde geschrumpft. Die Passkontrolle geschieht im Vergleich zu den USA geradezu blitzartig. Als Schweizer Bürger gehören wir zum Schengenraum und werden bevorzugt abgefertigt. Dafür warten wir einfach länger auf das Gepäck.
Am Ausgang entdecken wir eine wunderhübsche junge Frau mit einem Schild „Heinrich". Es ist unsere Vermieterin namens Tim (ich dachte immer, das sei ein Männername), die uns Leis um den Hals hängt und vor Liebenswürdigkeit überfliesst. Wunderbar, dass sie uns zu dieser frühen Stunde abholt. Feuchte Wärme empfängt uns, der Parkplatz ist nass und der Himmel voller dicker Wolken. Es herrscht stockender Verkehr Richtung Stadt; Tim sagt, daran seien die Eltern schuld, die alle ihre Kinder zur Schule brächten, und informiert uns während der Fahrt über Sehenswürdigkeiten. Ihr Französisch ist gut, ich habe dennoch etwas Mühe, alles zu verstehen. Wir wohnen in der „Résidence Hokulea" an der Rue Cook unweit vom Zentrum. Lift zum 5. Stock, Tür Nummer 507. Wir betreten ein hübsches Studio mit grosser Fensterfront, die Ausblick auf die stark befahrene Hauptstrasse, besiedelte Hügel und dazwischen zur Nachbarinsel Mo'orea bietet. Tim zeigt uns kurz das Wichtigste und verabschiedet sich bald; sie hat wohl Wichtigeres zu tun.
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Christel Das war jetzt echt toll zu lesen, die Amis haben mich an meine letzte Reise nach NY erinnert, brauche ich nicht mehr. Aber dann war ich voll mit auf der Reise, es war spannend, herzlichen Dank! Komme bald wieder zum Lesen zu euch . . .