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Eigentlich hatte ich erwartet, dass mich die Ankunft in Alice Springs nach unserer Tour in ein tiefes Loch werfen würde. Nach 10 Tagen mehr oder weniger allein und ohne Zivilisation, ohne Mauern dafür grenzenloser Freiheit, kann das schlafen in 4 Wänden sehr bedrückend sein. Jedoch ist Alice Springs ein so entspannter Ort mit freundlichen Menschen und auch mein Hostel ist wie ein kleines Paradies mit bunten Farben, Garten, Pool und Hängematten, irgendeiner spielt meistens etwas auf der Gitarre und alle sind total entspannt und die Atmosphäre ist so friedlich und relaxt, dass von Trübsal keine Spur ist. Obwohl wir uns im tiefsten Australischen Winter befinden, strahlt die Sonne von einem tiefblauen Himmel, der sich fantastisch gegen das rot der Erde und das Grün der Blätter der River Red Gums absetzt. Die Temperaturen sind sommerlich warm und in der Sonne muss man aufpassen nicht sofort zu verbrennen. Das was hier Winter ist, hätte ich in Deutschland gern mal im Sommer! Der Abschied von den Mädels meiner Outbacktruppe erfolgt auch in Etappen, da die meisten von uns noch 1-4 Nächte in Alice Springs verbringen. So verbringen wir weiterhin viel Zeit miteinander. Helen und ich sind die letzten, die die Weiterreise antreten und so fahren wir noch gemeinsam in den Desert Park, den Corbin uns ans Herz gelegt hatte und haben ein letztes gemeinsames Dinner. Dann heißt es auch für uns Abschied nehmen.
Mein nächstes Ziel heißt ‚Cairns‘ und liegt recht weit im Norden der Ostküste Australiens. Ich hätte auch den Bus nehmen können, allerdings wurde mir mehrfach davon abgeraten. Inzwischen hätte ich den Bus dem Flug aber eindeutig vorgezogen. Ich würde gern so lange wie möglich noch diese Landschaft genießen. Der Start des Flugzeugs erfolgt bei Sonnenuntergang und so kann ich noch einen letzten Blick auf die von der untergehenden Sonne in warme Farben getauchte und von mir so geliebte Umgebung werfen. 2 Stunden später - Ankunft in Cairns. Im Shuttlebus Richtung City wird schnell klar, ich bin in einer anderen Welt gelandet. Obwohl es schon dunkel ist, erkenne ich doch deutlich die vielen grünen Bäume und Büsche am Straßenrand. Das Hostel liegt zum Glück verhältnismäßig ruhig und nicht mitten auf der Partymeile, trotzdem fühle ich mich vom ersten Moment an völlig fehl am Platz. Der ganze Ort passt so gar nicht zu dem, wo ich gerade herkomme und wie ich mich gerade fühle. Inmitten von lauter partywütigen jungen Backpackern entwickele ich erste Anzeichen von Liebeskummer, will zurück, zurück ins Outback, denn ja irgendwie habe ich mich tatsächlich ein bisschen verliebt. Mit dem neuen Klima habe ich echt zu kämpfen. Es ist schwül warm mit tropischer Luftfeuchtigkeit, wobei es im Vergleich zu Asien immer noch harmlos ist.
Ich mache eine Tagestour weiter in den Norden, zum Regenwald, mit Lunch am Strand und Bootsfahrt auf einem Fluss mit wilden Krokodilen und einigen anderen Stops. Krokodile in freier Natur zu sehen, finde ich sehr beeindruckend. Nach meinen ausgiebigen Wanderungen in den neuseeländischen Regenwäldern kann mich der kurze Rundweg jedoch leider nicht so begeistern, wie ich es mir gewünscht habe. Bei so einer Tagestour sind ausgiebige Wanderungen aber natürlich leider nicht möglich.
Da ich mich in Cairns am Great Barrier Reef befinde, darf natürlich auch ein Schnorchelausflug nicht fehlen. Das Boot, für das ich mich entscheide, soll laut mehrfacher Empfehlung von verschiedener Seite das beste am Platz sein, vor allem wegen seiner Crew und dem ausgezeichneten Essen während des Tagesausflugs. Wichtig war mir auch, dass ich eine Schnorchelbrille mit Stärke ausleihen kann, was nicht jeder Veranstalter anbietet, da ich keine Kontaktlinsen trage. Die Crew ist wirklich klasse und kümmert sich sehr um alle Passagiere. Beim Essen muss ich passen. Der Seegang ist so stark, dass ich mich hundeelend fühlend in eine Ecke in der Nähe der Reling verkrümele. Schon der Gedanke an Essen verstärkt meine Übelkeit. Ich bleibe nicht allein in meiner Ecke. Weitere Opfer der Seekrankheit gesellen sich zu mir und wir bilden eine Art Leidensgemeinschaft. Die beiden Schnorchelgänge sind ok. Durch den Seegang ist das Meer stark aufgewühlt und auch das Wetter ist alles andere als sonnig, so dass die Sicht nicht optimal ist. Zusätzlich hat Zyklon Debbie, der vor kurzem hier gewütet hat, wohl viel zerstört. Ich bin trotzdem etwas enttäuscht. Im Roten Meer und der Karibik gab es deutlich mehr zu sehen.
Ein Highlight ist neben den Turtles am zweiten Spot ein riesengroßer Barracuda, der sich am ersten Spot herumtreibt. Die Crew hatte uns bereits von ihm erzählt. Trotzdem bin ich im ersten Moment etwas erschrocken, als er unerwartet neben mir auftaucht. Immerhin ist er länger als ich! Nach all den Erlebnissen im Outback ist der Schrecken jedoch nur von kurzer Dauer und meine Neugier überwiegt wieder. Er bleibt eine ganze Weile in meiner Nähe bevor er genug von meiner Foto- und Videosession mit ihm hat.
Ich reise von Cairns in südlicher Richtung und nehme den Greyhound Bus, der eine sehr entspannte Abwechslung zu dem Stray Bus in Neuseeland bietet. Von hop on hop off habe ich erstmal genug. Klar, mit einem ‚normalen‘ Bus, der mich nur von A nach B bringt, fährt man vielleicht auch mal an Sehenswürdigkeiten vorbei, aber dafür bleibt mir auch die ganze Animation im Bus erspart. Außerdem ist die Strecke bis Sydney ziemlich weit und meine Zeit leider begrenzt. Daher habe ich meine weitere Route auf ein paar Highlights, an denen ich mehr Zeit verbringen will, begrenzt. Mein nächstes Ziel heißt Townsville. Allerdings bleibe ich hier nur eine Nacht und der Stopp dient lediglich dazu, die lange Fahrt bis Airlie Beach etwas zu splitten. Townsville selbst hat nicht viel zu bieten und die eine Nacht ist mehr als genug. Das gleiche gilt für Airlie Beach. Mich beschleicht zunehmend das Gefühl, dass ich besser an die Westküste anstatt der Ostküste geflogen wäre. Vor der Küste von Airlie Beach liegen allerdings die Whitsunday Islands, die ich unbedingt sehen will. Ich buche eine Tour mit dem vielversprechenden Namen ‚Ride to paradise‘. Klassischerweise übernachten die meisten Backpacker auf einem Boot. Ich habe mir bereits im Vorwege Fotos einiger dieser Segelboote im Internet angeschaut und schnell war klar, dass ich keine Lust habe, wie eine Sardine in der Dose zwischen allen anderen eingequetscht auf etwas zu schlafen, was sehr unbequem aussah. Außerdem habe ich wilde Geschichten über diese Partyboote gehört. Irgendwie fühle ich mich dafür zu alt und nach meinem letzten Bootstrip reizt mich eine oder vielleicht sogar zwei Übernachtungen auf einem Boot gerade überhaupt nicht. Die Kombination Speedboot (durch die Schnelligkeit ist das Boot weniger anfällig für Wellengang und somit sehr geeignet um Seekrankheit vorzubeugen) und schlafen an Land überzeugt mich da eindeutig mehr. Das Resort ist exklusiv unserer überschaubaren Gruppe vorbehalten und quasi nur vom Wasserweg zu erreichen. Obwohl wir auch in Mehrbettzimmern mit Etagenbetten schlafen, hat das Resort nichts mit einem klassischen Hostel gemein. Ursprünglich mal für eine Fernsehshow angelegt, wurde die Anlage anschließend von einem Millionär gekauft, der sie jetzt hin und wieder als Feriendomizil nutzt und ansonsten an ‚Ride to Paradise’ vermietet. Ich schwelge zwei Tage und Nächte ungeplant in Luxus. Tagsüber sind wir mit dem Boot unterwegs und erkunden die Umgebung. Am Whitehaven Beach wäre ich am liebsten ‚verlorengegangen‘. So einen schönen Strand habe ich selbst in der Karibik nicht gesehen. Wir haben aber auch reichlich freie Zeit im Resort für diverse Wasseraktiväten oder wonach einem auch immer der Sinn steht. Es fühlt sich an wie Urlaub. Leider gehen die zwei Tage viel zu schnell vorbei. Einziger Lichtblick - als ich von Bord gehe, wartet bereits Elisabeth auf mich. Wir haben uns in Neuseeland angefreundet und da sie die Ostküste in umgekehrter Richtung reist, war klar, dass wir uns irgendwo treffen werden. Allerdings haben wir nicht viel Zeit, denn sie geht kurz darauf auf die gleiche Tour, von der ich gerade zurückgekommen bin. Wir hätten die Tour gern zusammen gemacht, allerdings hat das auf Grund unserer weiteren Reiseplanung nicht geklappt. Es ist trotzdem schön, dass wir uns wiedersehen. Mir bleiben noch ein paar Stunden in Airlie Beach bevor ich den Nachtbus nach Rainbow Beach nehme. Die 15 Stunden vergehen schneller als erwartet und da ich zwei Sitze für mich allein habe, ist es auch sehr komfortabel. Mit dem Schlafen will es trotzdem nicht so richtig klappen. Wir machen regelmäßig Stopps an den Haltestellen, die auf der Strecke liegen und hin und wieder muss der Fahrer natürlich auch seine gesetzlich vorgeschriebenen Pausen einhalten, so dass die Fahrt immer wieder unterbrochen wird, das Licht eingeschaltet wird, Leute ein und aussteigen und Durchsagen gemacht werden. Entsprechend müde komme ich in Rainbow Beach an und nach dem super schönen Resort der letzten zwei Tage, trifft mich der Absturz ziemlich hart. Das Hostel gefällt mir überhaupt nicht, gehört aber leider zu dem Anbieter über die ich meine Tour auf Fraser Island gebucht habe, so dass es sich anbot, dort vorher zu übernachten, da alles von dort aus koordiniert wird und auch das Safety Briefing (für das Fahren in Kolonne und im Sand) etc. stattfindet. Leider kann auch der Ort nicht wirklich überzeugen und meine Überzeugung mit der Ostküste die falsche Wahl getroffen zu haben verfestigt sich. Von schwerem Heimweh geplagt, bin ich vollkommen ratlos, was ich mit mir und der Situation anfangen soll, denn Heimweh bin ich nicht von mir gewöhnt. Eigentlich will ich nur noch weg. Das Wetter passt sich meiner Stimmung an und trägt dadurch nicht gerade zur Verbesserung bei. Outback, ich vermisse dich ganz schrecklich!! Witzigerweise treffe ich am zweiten Abend Judith wieder, mit der ich zusammen auf der Outbacktour war. Wir wussten nicht, dass wir uns dort treffen, dachten wir verpassen uns knapp und freuen uns nun umso mehr, dass wir uns so überraschend wiedersehen. Zwei Nächte verbringe ich in dem Hostel bevor es nach Fraser Island, einer riesengroßen Sandinsel, geht. Es gibt keine asphaltierten Straßen und keine öffentlichen Verkehrsmittel. Ohne Fahrzeug mit Allradantrieb lassen Sie einen deshalb vermutlich nicht mal auf die Fähre, man würde nicht weit kommen. Da ein Trip nach Fraser Island alleine keinen Spaß bringt, ich mich im übrigen mit Sicherheit bei erster Gelegenheit im Sand festfahren würde und die Kosten für einen alleine zu teuer sind, schließe ich mich mal wieder einer Tour an. Die 31 Teilnehmer verteilen sich auf 4 Fahrzeuge. Allerdings haben wir nur einen Guide, was bedeutet, man hat die Gelegenheit auch selbst zu fahren. Da ich seit Jahren gar kein Auto gefahren bin, überlasse ich das dann aber doch lieber den anderen. Hatte ich mich am Abend zuvor beim Safety Briefing und der Zuteilung der Autos noch gefragt, womit ich eigentlich eine Gruppe mit ausschließlich native English speakern verdient habe (zwar gut für mein Englisch, aber ich weiß, dass wenn native speaker unter sich sind, wird schnell genuschelt oder der Schlagabtausch geht so schnell hin und her, dass ich einfach raus bin. Wenn die Gruppen internationaler sind, ist es einfacher.), wird kurz nach Abfahrt klar - weil es definitiv die coolste ist.
Mit 4 Mädels und 4 Jungs sind wir eine ausgewogene Mischung, verstehen uns gut und haben von Anfang an jede Menge Spaß, so dass Heimweh erstmal kein Thema mehr ist. Noch bevor wir überhaupt die Fähre erreichen, gibt es einen Gruppennamen ‚rainbow lizards‘ und ich stelle fest, mein Englisch ist inzwischen besser, als ich dachte und was ich nicht verstehe, ist dann auch nicht so schlimm. Hin und wieder ergeben sich recht lustige Situationen dadurch, was für weiteren Spaß sorgt. Die Insel hat wunderschöne Natur zu bieten und einige der Highlights klappern wir nacheinander ab. Der Strand dient quasi als Highway. Geschlafen wird im Zelt und für’s Essen sind wir pro Gruppe selbst verantwortlich. Obwohl wir nun in einem offiziellen Camp schlafen mit normalen Toiletten, Duschen und Gasherd, war die Outbacktour erheblich besser organisiert und wir hatten gefühlt mehr ‚Luxus’. So hatten wir z.B. zum Abwaschen immer heißes Wasser (im Feuer erhitzt) und es gab Geschirrhandtücher. Im Camp wird mit kaltem Wasser abgewaschen und bei dem ganzen rohen Fleisch, was regelmäßig von den Horden Backpackern, die besonders im Sommer ins Camp kommen, verarbeitet wird, ist es eigentlich verwunderlich, dass sich noch keine Salmonellen oder ähnliches bemerkbar gemacht haben. Anscheinend ist auch mein Magen inzwischen abgehärtet, denn Gemüse abwaschen oder so, ist auf Touren aufgrund des oft eingeschränkt zur Verfügung stehenden Wassers meist nicht der Fall. Optimal finde ich die Situation im Camp trotzdem nicht.
Unser Geschirr (Teller, Becher und Schüssel) haben wir vom Hostel gegen 20 Dollar Pfand pro Person ausgeliehen. In einem unaufmerksamen Moment ist mir gleich am ersten Abend mein Teller geklaut worden. Zwar hat uns der Guide schon zu Anfang davor gewarnt, aber gutgläubig wie ich bin, hatte ich bei der noch überschaubaren Größe der Gruppe auf mehr Ehrlichkeit gesetzt. Mit zu wenig krimineller Energie ausgestattet, dauert es fast bis zum letzen Moment, bevor ich mir einen Teller zurückergattern kann, ohne direkt erwischt zu werden. Meine 20 Dollar hätte ich schon gern zurück. Der Guide erklärt, dass die Einführung des Pfands und des personalisierten Geschirrs notwendig geworden war, da nach dem Genuss von u.a. zu viel Alkohol das Geschirr vorher quer durchs Camp flog und regelmäßig nach Abreise der Gruppen von den Bäumen etc. gesammelt werden musste. Parallel tagt in Deutschland der G20 Gipfel und Hamburg befindet sich im Ausnahmezustand. Ich frage mich, ob den Leuten eigentlich kein Benehmen mehr beigebracht wird?!
Am Morgen des dritten Tages gibt es dann noch spontan die Möglichkeit in einer kleinen Propellermaschine einen kurzen Rundflug zu machen. Für 60 Dollar ist das ein echtes Schnäppchen. Ich bin schwer begeistert. Teile der Insel von oben zu sehen, die mit dem Auto nicht zu erreichen wären, ist nochmal ein besonderes Highlight und als Zugabe sehen wir auch noch Wale aus der Luft, die auf dem Weg nach Norden sind. Viele ihrer Artgenossen haben wir bereits aus der Ferne vom Land an uns vorbeiziehen gesehen. Die Perspektive aus der Luft auf Mutter- und Babywal lässt sich aber nicht mit der Sichtung von Land vergleichen und ist fantastisch. Am Ende bin ich aber doch froh, dass der Flug nur relativ kurz ist. Durch die einzelnen Flugmanöver ist mir schon wieder unendlich schlecht.
Nach Fraser Island muss ich nochmal für eine Nacht in das ungeliebte Hostel bevor ich am nächsten Morgen schon fast flüchte. Weit vor der Zeit stehe ich an der Bushaltestelle und kann es kaum abwarten endlich wegzukommen.
Mein nächstes Ziel heißt Noosa und befindet sich lediglich knapp 3 Busstunden von Rainbow Beach entfernt. Schon beim Aussteigen aus dem Bus fühle ich eine ganz andere Atmosphäre in dem Ort und positiv vibrations. Ebenfalls mit im Bus saß Lara, allerdings lernen wir uns erst beim Aussteigen kennen. Wir haben zufälligerweise das gleiche Hostel gebucht. Das Hostel liegt etwas außerhalb, weshalb das Hostel einen regelmäßigen Shuttle Richtung Strand und City anbietet. Das ist unglaublich praktisch. Während der Fahrt stellen wir fest, dass wir gewissermaßen Leidensgenossinnen sind. Sie hat gerade eine ähnlich schlechte Hostelerfahrung hinter sich. Ganz anders unser Hostel in Noosa, das einfach fantastisch ist. Innerhalb von Sekunden fühle ich mich zu Hause. Ich verabrede mich mit Lara zum Lunch und nach einem Luxus Sandwich mit Avocado, Spinat, Ei und Tomatensalsa (es lebe all day breakfast) geht's uns richtig gut. Tolles Hostel, nette Begleitung, überall freundliche Leute, leckeres Essen, schöner Ort - mir geht's super! Heimweh? Was ist das denn?!
Beim Check-in im Hostel habe ich auch noch Bianka und Christof wiedergetroffen, die ich schon flüchtig in Rainbow Beach kennengelernt habe. Zum Glück bietet sich nun Gelegenheit den Kontakt zu vertiefen. Zu meinem äußersten Bedauern habe ich nur 3 Nächte in Noosa, die ich aber voll ausnutze. Für den nächsten Tag dachte ich eine Kanutour in die everglades gebucht zu haben, aber anscheinend ist bei der Buchung irgendwas schief gegangen, so dass ich statt paddelnd im Kanu entspannt im überdachten Boot sitze. Da das Wetter nicht ganz optimal ist, bin ich nicht so enttäuscht. Die Tour ist schön allerdings auch ein bisschen langweilig und da ich auch noch antiseekrank Pillen eingeworfen habe, die mich immer ziemlich müde machen, habe ich einige Mühe wach zu bleiben.
Surfen (Wellenreiten) wollte ich eigentlich erst in Byron Bay ausprobieren, aber da habe ich nur eine Nacht und der Flyer, der im Hostel liegt, liest sich echt gut. Als Lara, die den Surfkurs bereits probiert hat, während ich gemütlich durch die everglades geschippert bin, davon vorschwärmt, buche ich spontan für nächsten Morgen auch einen Platz im Kurs. Ich habe ein bisschen Sorge wegen meiner Brille. Aufbehalten möchte ich sie nicht und ohne sehe ich nicht mehr allzu viel. Angeblich ist das aber kein Problem. Nach einer kurzen theoretischen Einführung und ein paar Trockenübungen, wie wir aufstehen, wenn die Welle kommt und anschließend auf dem Brett stehen sollen (einiges kommt mir vom Karate bekannt vor), geht's auch schon ins Wasser. Die Wellen sind mir eigentlich viel zu hoch. Normalerweise würde ich vermutlich nicht mal zum Schwimmen ins Wasser gehen aufgrund der hohen Wellen. Schon bricht die erste Welle weit über meinem Kopf zusammen und da ich nicht aufgepasst und das Brett nicht ausreichend festgehalten habe, wirbeln wir nun gemeinsam im Schleudergang durch’s Wasser. Nachdem ich reichlich Salzwasser geschluckt habe, tauche ich wieder auf, fange mein Surfbrett ein, dass durch ein Seil mit meinem Fuß verbunden ist und nehme mir vor, dass das nicht nochmal passiert. Der Surflehrer hilft uns nacheinander bei den ersten Versuchen. So brauche ich mich nur auf mich zu konzentrieren und nicht auch noch nach der Welle zu schauen. Ich liege bereits bäuchlings auf dem Brett. ‚One, two, three…‘ er gibt mir einen kleinen Schubs, die Welle erfasst mich. ’CHICKENWINGS!!!‘ brüllt er und auf sein Kommando stehe ich auf, wie wir es geübt haben. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass das klappt. Zu meiner eigenen riesen Überraschung, bleibe ich auf dem Brett stehen bis ich am Strand auf Grund auflaufe. Wow, das macht Spaß! Gleich nochmal! Auch die nächsten beiden Male laufen gefühlt wie im Lehrbuch. Warum habe ich das früher noch nie gemacht?! Nach und nach gibt er mehr Verantwortung an uns ab und wir müssen nun selbst nach den Wellen schauen und den richtigen Zeitpunkt abpassen. Ab jetzt geht es schief. Die hohen Wellen sind mir viel zu hoch, vor denen habe ich so schon genug Angst und die kleinen Wellen geben nicht genug Antrieb um überhaupt vom Fleck zu kommen. Spaß macht es trotzdem nur mit dem echten Wellenreiten klappt es nicht mehr so richtig. Später denke ich darüber nach. Ich bin mir sicher, dass der Surflehrer mir genau bei Eintreffen der gleichen hohen Wellen, die mich später ängstigten, das Kommando gegeben hat. Als ich nicht wusste, wie hoch die Welle ist, ging es ohne Probleme, konnte mich ganz auf mich und mein Gefühl für die Welle konzentrieren, habe auf die Erfahrung des Surflehrers vertraut. Erst als ich die Welle dann wirklich mit eigenen Augen sehe, entscheidet der Kopf, dass geht nicht, zu hoch, zu gefährlich, was auch immer. Angst ist also ein Gefühl und entsteht trotzdem irgendwie im Kopf. Makes sense? Wahrscheinlich nicht, aber es fühlt sich trotzdem irgendwie richtig an.
Da meine Arme nach dem Surfen ziemlich lahm sind, bin ich froh, dass ich zum Wandern nur die Beine brauche. Den coastal walk will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen und in den Nationalpark wollte ich auch unbedingt noch. Zum Glück reicht der Nachmittag gerade so und ich bin bei Sonnenuntergang zurück. Gelohnt hat es sich allemal. Schweren Herzens verlasse ich Noosa am nächsten Morgen. Es hat mir einfach so gut gefallen, dass ich drauf und dran war mir dort einen Job zu suchen.
Im Bus google ich ein bisschen, was ich in Brisbane, wo ich für zwei Nächte bleiben werde, machen kann. Ich bin überrascht und total erschlagen von der Vielzahl der Möglichkeiten. Es gibt so vieles, was sich interessant anhört und ich gern machen möchte. Das schaffe ich alles auf keinen Fall in anderthalb Tagen. Am Ende mache ich nichts von dem was im Internet stand. Ich laufe einfach drauf los, lasse mich treiben und fühle mich total wohl in dieser Stadt. Auch ohne Reiseführer entdecke ich schöne Gegenden, den botanischen Garten, lande durch Zufall auf einem Food Festival und beobachte mitten in Brisbane einige australische Wasseragamen. Ich bin die einzige, der die Tiere auffallen, alle anderen laufen einfach vorbei. Ich frage mich, wann ich zu Hause das letzte Mal so durch die Stadt gelaufen bin. Mich einfach hab treiben lassen, mal abseits der gewohnten Wege gewandelt bin, ohne Zeitdruck, Termine oder bereits mit dem Plan der nächsten zwei Wochen im Kopf. Ich kann mich nicht erinnern und frage mich, muss das so sein? Ist das das Leben, was ich noch führen will?
Obwohl ich nur zwei Nächte in Brisbane war, habe ich das Gefühl schon Ewigkeiten hier gewesen zu sein, mich zu Hause zu fühlen und eigentlich möchte ich gar nicht weg. Wie unterschiedlich Orte auf einen wirken können. Im oberen Teil der Ostküste wäre ich am liebsten direkt nach dem Aussteigen jedes Mal gleich wieder in den Bus gesprungen und jetzt möchte ich mich am liebsten am Bett festketten und bleiben. Könnte ich, stimmt. Allerdings habe ich inzwischen einen Weiterflug gebucht und die Gefahr, dass ich sonst wirklich in Australien ‚hängenbleibe‘ kann ich nicht von der Hand weisen.
In Byron Bay empfängt mich eine entspannte Hippieatmosphäre mit alternativen Läden und interessanten Leuten. Dieser Ort ist so ganz anders als alle anderen Orte bisher. Auf einer großen Wiese vor dem Strand treffen sich Touristen wie Einheimische, jemand spielt wunderschön Gitarre und singt, an einer anderen Stelle wird gegrillt, Kinder wuseln durch die bunte Szenerie.
Am späten Nachmittag unternehme ich den Lighthousewalk und genieße den Sonnenuntergang am Meer. Wieder habe ich jede Menge Wale gesehen, aber immer aus großer Entfernung. Bisher hatte ich immer Pech auf whale watching Touren - seekrank, aber keine Wale. Das soll sich jetzt ändern! Wenn es hier nicht mit den Walen klappt, dann weiß ich es auch nicht mehr. Und so - believe it or not - befinde ich mich am nächsten Tag schon wieder auf einem Boot. Seekrank hin oder her - ich will jetzt Wale sehen! Das Boot ist ne Nussschale und mit 10 Leuten inkl. Skipper voll. Dafür haben wir beste Sicht. Da wir die Tiere nicht bedrängen wollen, fahren wir raus auf’s Meer, halten Ausschau und wenn wir am Horizont Wale sichten, stoppen wir den Motor, treiben nur noch im Wasser und lassen die Tiere auf uns zukommen. Es dauert eine Weile. Einige ziehen lediglich in entsprechender Entfernung an uns vorbei. Wir müssen ein paarmal unsere Position korrigieren. Doch dann liegen wir genau richtig. Ein Weibchen dicht gefolgt von zwei Männchen nähert sich. Es ist Paarungszeit und um auf sich aufmerksam zu machen, vollführt das Weibchen allerlei Sprünge und Flossenschläge und taucht sogar einmal direkt vor uns auf! Die riesigen Tiere aus so unmittelbarer Nähe zu erleben, übersteigt alles, was ich mir vorher vorgestellt habe. Es ist gigantisch! Ich hätte noch stundenlang dort draußen auf dem Meer bleiben können, aber leider ist auch irgendwann die aufregendste Bootsfahrt vorbei. Noch vollkommen berauscht von den Erlebnissen erreichen wir wieder den Strand. Kurz darauf befinde ich mich wieder in einem Nachtbus, der mich an mein vorerst letztes Ziel in Australien bringt - Sydney.
Der Vorteil, wenn man nicht bereits alles von zu Hause aus plant, ist, dass man unterwegs sehr flexibel ist und seine Reisepläne immer wieder anpassen kann. Der Nachteil ist, dass die Planung von unterwegs relativ viel Zeit kostet, die einem dann für Aktivitäten vor Ort fehlt. Trotzdem bin ich sehr froh, diese Flexibilität zu haben, da während der Reise plötzlich Länder und Optionen in den Fokus getreten sind, an die ich vorher im entferntesten nicht gedacht hätte. Dadurch stehen allerdings nun ganz andere Fragen im Raum. Wie komme ich da hin? Lohnt sich ein Stopover? Wenn ja, wo? Brauche ich ein Visum oder ähnliches für eins der Länder? Reicht mein Versicherungsschutz, bzw. deckt meine Auslandskrankenversicherung diese Länder überhaupt ab? Wie steht es mit zusätzlichen Impfungen? Was will ich da eigentlich machen? Und noch viele weitere Fragen… Mit einigen Themen hatte ich mich schon entlang der Ostküste grob beschäftigt, da ich in wenigen Tagen Australien verlassen werde, muss ich mich nun konkret mit den Antworten auseinandersetzen. So ist mein Aufenthalt in Sydney stark durch Organisationsthemen geprägt. Trotzdem nehme ich mir Zeit für Ausflüge nach Manley und Bondi Beach und natürlich erkunde ich auch Downtown Sydney. Ein besonderes Highlight ist allerdings für mich mein Tagesausflug zu Helen (von der Outbacktour) in die Blue Mountains.
Knapp 2 Monate war ich in Australien, hatte eine fantastische Zeit und doch habe ich nur einen Bruchteil von diesem riesigen Land gesehen. Es gibt noch so viel tolles zu entdecken und ich hoffe, bald wiederkommen zu können.
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