Profile
Blog
Photos
Videos
Tiefschwarze Nacht umgibt uns. Nur die hellen Scheinwerfer unseres Trucks weisen den Weg durch die Dunkelheit. Lärmend durchdringt der Motor die morgendliche Stille. Es ist kurz nach sechs Uhr am Morgen von Tag 3. ‚Good job, Team!‘ lobt Corbin, unser Guide, vom Fahrersitz. Wir haben es bereits beim zweiten Mal geschafft, unsere Zeit für Frühstück und Zusammenpacken des Camps vom ersten wake up Song bis zum Start des Motors deutlich zu verbessern und auf 60 Minuten zu reduzieren. Das ist eine gute Zeit. Wir, 8 Mädels (Helen, Cass, Heather, Judith, Val, Cornelia, Katja und ich) bestehend aus einer bunten Mischung aus aller Herren Länder quer über den Globus (Australien, USA, Kanada, Niederlande, Frankreich, Deutschland), sind gespannt, was uns am heutigen Tag erwartet. Vor zwei Tagen sind wir gemeinsam aus Adelaide aufgebrochen für ein Abenteuer im Australischen Outback mit Ziel Alice Springs. 10 Tage und 9 Nächte über die dirty roads mit viel Staub und Dreck, wenig bis keiner Zivilisation, dafür ein knallroter Truck, der von uns den Beinamen ‚Bush Tomato‘ erhält, schlafen im Swag unter freiem Himmel, zusammen mit einem Guide, der sich im Busch bestens auskennt. Klingt gut? Ist fantastisch! Leider habe ich einige Anfangsschwierigkeiten und auch die zweite Nacht in Folge kein Auge zugemacht. So cool ich das ganze finde, schlafen unter freiem Himmel mitten in der Pampa in fast völliger Stille und der Ungewissheit, ob nachts Tiere um mich herum sind, ist ungewohnt und mir ein bisschen unheimlich. Außerdem habe ich die erste Nacht in meinem Swag so gefroren, dass an Schlaf ohnehin nicht zu denken gewesen wäre. Für die, die noch nicht in Australien waren oder keine Erfahrung im Biwaken haben eine kurze Erklärung: Ein Swag ist wie ein übergroßer Schlafsack aus einer Art Canvas Material. In dem Swag befindet sich eine dünne Matratze. Im Sommer kann man sicher auch ohne zusätzlichen Schlafsack im Swag schlafen, da wir aber im Juni unterwegs sind und somit im tiefsten australischen Winter, wird es nachts recht kalt (an einem Morgen hatte sich Eis auf unseren Swags gebildet), und wir haben zusätzlich warme Winterschlafsäcke. Am Kopfteil befindet sich eine Art Überwurf, auch Monsterklappe genannt, die man sich wahlweise zum Schutz über den Kopf legen kann oder weglässt um den herrlichen Sternenhimmel zu bewundern. Morgens wird das ganze dann einfach aufgerollt, zugebunden und wieder im Truck verstaut. Normalerweise schläft man mit dem Swag direkt auf der Erde. Da es in letzter Zeit aber viel geregnet hat und der Touranbieter, Heading Bush, kein Risiko im Hinblick auf Skorpione und ähnliche Krabbeltierchen eingehen wollte, genießen wir den Luxus von Feldbetten, auf denen wir unseren Swag ausrollen. In der zweiten Nacht hatte dann Heather, die aus Kanada kommt und mehr Outdoorerfahrung hat als wir alle zusammen, Mitleid mit mir und hat mir aus ihrer Trinkflasche eine Wärmflasche gebastelt. Ich war unendlich dankbar und konnte mein Glück kaum fassen. Zusätzlich zu der Wärmflasche habe ich härtere Geschütze in Sachen Klamotten für die Nacht aufgefahren um der Kälte zu trotzen. Mit dicken Socken, Thermolangarmshirt und Thermohose unter dem Schlafanzug, sowie Fleecehalstuch, Mütze und Handschuhen fühlte ich mich gut ausgestattet. Schlafen konnte ich zwar trotzdem nicht, aber immerhin war es jetzt schön warm. Wer denkt, ich bin ein Frosti, hat nicht unrecht, aber die anderen sind genauso eingemummelt in ihre Swags gekrabbelt.
Die asphaltierte Straße haben wir bereits ziemlich schnell auf unserer Tour kurz hinter Port Augusta verlassen und sind in den Flinders Ranges National Park abgebogen. Mit unserem 4wd Truck ist das alles kein Problem. Von Anfang an haben wir Einblicke in Corbins nahezu unerschöpfliches Wissen über die Flora, Fauna, Kultur der Aborigines und Geologie der Umgebung erhalten. Er macht es spannend, baut die Informationen aufeinander auf, jeden Tag ein bisschen, so dass wir neugierig bleiben, wie es am nächsten Tag weiter geht. Viele Informationen verpackt er in Geschichten, die er so interessant zu erzählen weiß, dass es nie langweilig wird ihm zuzuhören und gleichzeitig lernen wir unglaublich viel. Jede Wanderung wird zur Lehrstunde mit - sofern möglich - praktischen Erlebnissen. Corbin erklärt uns die einzelnen Pflanzen und deren Früchte, wie sie heißen und wozu die Aborigines sie verwenden. Viele Pflanzen dienen nicht nur der Nahrung oder als Feuerholz sondern haben weitere praktische Eigenschaften, wie z.B. Heilkräfte und werden als Medizin verwendet, die Knolle des Mellybaums dient mitunter als Korb während andere Pflanzen sich als Baumaterialien für Häuser, Waffen oder Werkzeug eignen. Erste weiße Siedler bauten mit normalem Holz und verloren ihre Häuser in kurzer Zeit an Termiten. Es gibt jedoch eine Pinienart, die resistent gegen Termiten ist und deren Harz klebstoffartige Eigenschaften besitzt. Da Winter ist, ist es oft schwierig die entsprechenden Früchte zu finden. Wir lernen über Bushplum, Bushtomato und viele weitere. Da es im Outback selten regnet, muss sich alles anpassen, alles ist viel kleiner dafür aber umso intensiver. Der Vitamin C Gehalt der Früchte, obwohl sie klein sind, ist enorm. An einem Baum erhalten wir die Gelegenheit die Süßigkeit der Aboriginalkinder zu probieren. Etwas gewöhnungsbedürftig, denn es handelt sich um s*** von Läusen, den sie in einem weißen Sekret auf den Blättern hinterlassen. Die Kinder sammeln die kleinen weißen süßlich schmeckenden Hinterlassenschaften von den Blättern und rollen sie zu einer größeren Kugel.
Das Outback hat mich vom ersten Moment an fasziniert und mit einem Guide wie Corbin wird es zum echten Erlebnis. Viele werden denken, warum, da ist doch nichts, maximal vielleicht ein paar schöne Fotomotive. Corbin lehrt uns, das Outback mit den Augen der Aborigines zu sehen. Sie lesen die Landschaft wie wir eine Straßenkarte, die Anordnung der Bäume, die auf Wasser schließen lässt, Millionen Jahre alte Fels- und Bergformationen, Tiere, Fossilien im Boden, die zeigen, dass sich dort einmal ein Ozean befunden hat und noch so unendlich viel mehr und plötzlich erwacht die Wüste zu einem sehr lebendigen Ort, der weit mehr als nur ‚nichts‘ ist.
Auf einer weiteren Wanderung kommen wir zum Akaroo Rock unter dessen Vorsprung sich ein Klassenzimmer für Aboriginalkinder befindet, das heute noch genau wie bereits seit vielen Generationen genutzt wird. Hier lernen sie weniger lesen und schreiben nach unserer Vorstellung sondern vielmehr die Inhalte ihrer Kultur und wie sie in einer Umgebung wie dem Outback überleben. Der ‚story teller‘ erzählt Geschichten und durch die kindliche Interaktion wird ihnen das Wissen vermittelt, das sie brauchen. Ähnlich wie bei uns die Klassenstufen gibt es auch hier verschiedene Level, wenn auch das Prinzip für die nächste Stufe ein anderes ist. Nach dem letzten Level erreicht man den Status eines ‚Älteren‘, die im Ältestenrat des Stammes wichtige Entscheidungen treffen. Dieses Level erreichen aber nur die wenigsten. Die ‚stories‘ sind sehr wichtig. Sie beinhalten neben Informationen, wo und wie finde ich Wasser, Nahrung etc. auch moralische Lehren, Verhaltensweisen und Warnungen, ähnlich eines Märchens oder einer Fabel. Gleichzeitig dient die Story als eine Art Ausweispapier um andere (befreundete) Stämme zu besuchen. Nur wer die richtige ‚Story‘ kennt, darf bleiben (ähnlich vergleichbar mit unserem Visum). Die ‚Story‘ kann man sich vorstellen wie ein Lied aus mehreren Strophen, die je nach erreichtem Level immer weiter ergänzt werden. Gereist wird nur entlang der Songline, das heißt zu den Stämmen, die die gleiche ‚Story‘ haben/kennen, denn die ‚stories‘ variieren natürlich von Stamm zu Stamm. Die ‚stories‘ gehen Jahrhunderte weit zurück.
Jeder Stamm hat zusätzlich zu den allgemeinen australischen Gesetzen seine eigenen Gesetze. Wer gegen die Regeln verstößt, wird bestraft. Interessant ist, dass Kinder nicht von ihren Eltern bestraft werden sondern die Mädchen von den Tanten und die Jungs von den Onkeln um eine gerechte Strafe zu gewährleisten. Eltern sind in der Regel entweder zu streng oder zu weich.
Die Geschlechterrollen sind sehr strikt getrennt und sowohl Männer als auch Frauen haben ihre eigenen Riten, Zeremonien und Plätze, die für das jeweilig andere Geschlecht Tabu sind. Außerdem sind einige Tätigkeiten nicht für alle erlaubt. So ist zum Beispiel das Schreiben mit Oker und das Digeridoo spielen den Männern vorbehalten.
Natürlich kommen auch die unbeschreiblich schrecklichen Dinge, die die Weißen den Ureinwohnern Australiens in den letzten 200 Jahren angetan haben, zur Sprache. Der Fokus liegt aber auf den positiven Aspekten und auf der Kultur und wie sie es geschafft haben Jahrtausende im Einklang mit der Natur zu überleben. Für die Aborigines ist alles auf der Welt miteinander verbunden und hängt direkt miteinander zusammen. Nach diesem Grundsatz leben sie. Statt das stärkste Tier aus einer Herde (z.B. Kängurus) zu töten, nehmen sie das Schwächste. Das stärkere Tier bringt zwar im ersten Moment mehr Fleisch, kann aber für viele weitere starke Nachkommen sorgen, das den Erhalt der Herde und somit den Erhalt des Stammes sichert. Auch das Wasserloch, das in der Wüste essentiell und existenziell ist, ist für alle (Mensch und Tier) da und wird entsprechend gepflegt. Der Grundsatz ‚lieber ein bisschen stinken und dafür sauberes Wasser, als persönlich sauber und dafür das Trinkwasser verunreinigen‘ hat ihnen Jahrtausende lang das Überleben gesichert. Erst mit Eintreffen der Weißen, die ihr Hufvieh mitbrachten, gab es innerhalb kurzer Zeit Probleme, denn Hufvieh hat keinerlei Bewusstsein für die enorme Wichtigkeit des Wasserlochs. Eine Herde Hufvieh verwandelt das schönste Wasserloch innerhalb von Minuten in eine matchige Jauchegrube und macht das Wasser somit ungenießbar. Ureinheimische Tiere gehen respektvoll mit dem Wasserloch um. Sie wissen, dass ihr überleben davon abhängt.
Wir sind inzwischen weitergefahren, haben uns Fossilien in Parachilna angesehen, Quandong Pie probiert (Pie aus der Quandongfrucht, schmeckt ein bisschen wie Erdbeere, ist jedoch säuerlicher), hatten das Glück einen sehr interessanten Mann namens Talc Alf anzutreffen, der Wörter auf eine erstaunliche Weise neu interpretiert und waren bei Reggie zu Besuch, einem ‚Älteren’ seines Stammes, der ein kleines Museum führt und uns viele tolle Sachen erzählt und zum Abschluss sogar noch auf seiner Gitarre etwas vorspielt und dazu singt bevor wir am späten Nachmittag den Dingo fence (Dingo Zaun) erreichen. Der Dingo Zaun ist mit 5614 km der längste Zaun der Welt und trennt sheep country und dingo country in zwei Welten. Zu groß waren die Verluste der Farmer ihrer Schafe und anderer kleinen Tiere an die Dingos. Wir befinden uns ab jetzt in Dingo country, was für uns erhöhte Vorsicht bedeutet. Da wir nicht auf Campingplätzen übernachten, sondern wann immer es Zeit ist unser Lager aufzuschlagen links oder rechts von unserer dirty road ins Gelände abbiegen (Corbin hat besonderes Talent jeden Tag aufs Neue wunderbare Plätze zu finden), befinden wir uns mitten in der Natur ohne jegliche Art von Zivilisation. Wir haben schon vorher nach dem Grundsatz ‚leave nothing than footprints, take nothing than photos‘ gelebt, allerdings werden die Regeln jetzt nochmal verschärft. Dingos sind nicht wirklich gefährlich für uns Menschen, allerdings sollte man sie nicht als Haustiere betrachten und schon gar nicht versuchen anzufüttern. Sie sind toll, so wie sie sind, nämlich wild und scheu. Genauso wollen wir sie belassen. Das bedeutet für uns, nicht nur keine Lebensmittel nachts unverschlossen liegen lassen, sondern wir ‚verbrennen‘ oder verbuddeln auch unser Abwaschwasser, denn logischerweise bleiben immer ein paar Krümel oder Essensreste im Topf oder auf den Tellern hängen. Corbin weist uns außerdem an, unsere Schuhe nachts mit in den Swag zu nehmen. Dingos stehen wohl drauf. Na toll, ich hatte gehofft endlich mal eine Nacht schlafen zu können. Ich beschließe jedoch Corbin zu vertrauen, denn ich bin mir sicher, er weiß, was er tut. So langsam fange ich an, die Tour zu genießen. Die Tage sind aufgrund der Winterzeit sehr kurz, daher weckt uns Corbin meistens bereits gegen fünf. Unser wake up Song ‚Follow the Sun‘ von Xavier Rudd wird für mich vermutlich auf ewig mit der kühlen frischen Morgenluft, dem Geräusch der Reißverschlüsse, wenn die ersten sich aus ihren Swags schälen und dem Geruch nach frischem Kaffee und Feuer verbunden sein. Es ist noch dunkel, wenn wir bereits schon wieder unterwegs sind. Dafür bekommen wir nicht nur jeden Abend wunderbare Sonnenuntergänge sondern so auch jeden Morgen mindestens genauso schöne Sonnenaufgänge geboten. Einige sind so spektakulär, dass wir anhalten um Fotos zu machen. Durch das 360 Grad Panorama sind sie einmalig schön. Das gleiche gilt für den unglaublichen Sternenhimmel, den wir jeden Abend/Nacht genießen dürfen. So klar sieht man ihn sonst nur an wenigen Plätzen dieser Erde. Ich fühle mich wie im Planetarium nur besser, weil die Sterne nicht auf irgendeine Leinwand projiziert sondern echt sind. Das ist einmalig schön und oft liege ich abends einfach nur in meinem Swag und bestaune die Milchstrasse bis mir vor Müdigkeit die Augen zufallen.
Viele werden denken: 8 Frauen 10 Tage lang auf einem Haufen - geht das gut? Ja, mit den richtigen Mädels geht das super gut und ich habe verdammtes Glück genau mit diesen 7 Mädels unterwegs zu sein. Dass wir nur Mädels sind, ist Zufall. Normalerweise sind die Gruppen deutlich gemischter. Wir kommen jedenfalls alle gut miteinander aus und sind irgendwie in vielerlei Hinsicht ne echte Mädchentruppe. Als wir am ersten Abend noch eine Art Toilettenhäuschen vorfinden, dass aber recht weit entfernt von unserem Lager ist, der Weg stockdunkel und im Waldgebiet ein bisschen unheimlich, ist es selbstverständlich, dass wir mind. zu zweit gehen. Eines Tages haben wir einen blinden Passagier an Bord. Ein Handgroßer Grashüpfer hat sich zu uns in den Truck gesellt und bereitet der ersten Reihe etwas Unbehagen. Die Wellen des Unbehagens sind so groß, dass Corbin den Truck kurzerhand stoppt und den Grashüpfer mit dem halb belustigten, halb resignierten Kommentar ‚Come on, girls, it‘s just a grashopper…!!’ wieder nach draußen befördert. Zum Glück ist Corbin nicht in der Nähe als wir einige Zeit später zum Tanken anhalten und sich durch die geöffnete Fahrertür ein Vogel zu uns verirrt, woraufhin mittlere Panik im gesamten Truck ausbricht. Grashüpfer - ok, aber Vogel?! Glücklicherweise bemerkt der Vogel seinen Irrtum schnell von selbst und verschwindet auf dem gleichen Weg, wie er gekommen ist. Als Corbin zurückkommt, ist es, als wäre nichts gewesen.
Mädchen sind aber nicht nur schreckhaft, was Tiere im Truck angeht, sondern tun auch unglaublich gut, sind füreinander da und nehmen einander hin und wieder einfach mal in den Arm. Die meisten von uns sind schon seit Wochen und Monaten unterwegs und da ist es schön, nicht allein zu sein. Ich lerne viel auf diesem Trip ins Outback, viel mehr als ich je erwartet hätte - auch über mich selbst.
Nach 5 Tagen erreichen wir das erste Mal wieder echte Zivilisation. Wir verbringen einen Großteil des Tages in Coober Pedy. Die Stadt ist berühmt für seine Opalminen und wir bekommen eine Führung in eine ehemalige Mine. Das besondere an Coober Pedy ist, dass viele Menschen nicht in Häusern sondern im Berg bzw. unter der Erde wohnen. Da die Stadt mitten in der Wüste in the middle of nowhere liegt und es seinerzeit schwer war Baumaterialien heranzuschaffen und vor Ort nicht ausreichend zu finden waren, haben die Leute kurzerhand ihre Wohnungen in den Berg bzw. unterirdisch gebaut. Noch heute wohnt mehr als die Hälfte der Einwohner so. Während der Minenführung schauen wir uns eine Musterwohnung an und ich finde sie gar nicht mal schlecht. Sehr geräumig und abgesehen vom Tageslicht fehlt es an nichts. Außerdem bleiben die Temperaturen auch im Sommer konstant angenehm. Funfact am Rande: Lange Zeit gab es keine Auflagen und der Bau in den Berg wurde nicht kontrolliert. Das heißt, bei Familienzuwachs etc. wurde einfach ein neues Zimmer gebohrt. Da man aber nicht wusste, wohin der Nachbar vorher seine Wohnung erweitert hatte, konnte auch schon mal einen unfreiwilliger Durchbruch zum Nachbarn erfolgen.
In Coober Pedy befindet sich auch die einzige Känguru Notfall Station im Umkreis von mehreren hundert Kilometern. Die Besitzer machen das ehrenamtlich und ich habe großen Respekt vor ihrem Engagement. Am Tag zuvor haben sie das kleine Baby Känguru ‚Daniela‘ bekommen, dass sie nun versuchen mit der Flasche aufzupäppeln. Ihre Mutter wurde vom Auto überfahren. Das Baby konnte im Beutel der Mutter überleben.
Nachdem wir unsere Vorräte und Trinkwasser aufgestockt und außerdem geduscht haben, geht es wieder auf die dirty road. Im Busch haben wir natürlich normalerweise keine Möglichkeit zu duschen und mit unserem kostbaren Trinkwasser müssen wir sehr sorgsam umgehen, denn das brauchen wir zum Trinken, Kochen und irgendwie auch zum Abwaschen. Trotzdem bekommen wir etwa alle zwei Tage irgendwo die Gelegenheit z.B. auf einem Campingplatz meistens während der Lunchpause zu duschen - echter Luxus. Manchmal frage ich mich jedoch wofür eigentlich. Klar, man fühlt sich hinterher sehr erfrischt, aber spätestens wenn wir wieder alle Sachen in den Truck geladen haben, ist man schon wieder von einer dicken roten Schicht Staub und Dreck überzogen. Hinzukommt, dass irgendwann seit dem zweiten Tag oder so die Klimaanlage ausgefallen ist, d.h. morgens ist es recht kühl im Truck, aber spätestens gegen Mittag ist es richtig warm und bei geöffneten Fenstern dringt erst recht viel Staub herein, der fröhlich in der Sonne tanzt und sich überall im Truck und auf uns ausbreitet. Ich kann mich nicht erinnern schon mal so lange so staubig und dreckig gewesen zu sein, aber irgendwann habe ich aufgehört darüber nachzudenken - Part of the experience.
Da wir nur Mädels sind, genießen wir abends/nachts im Camp einen besonderen Luxus - das Buschklo - ein würfelförmiges Etwas mit Klappe, das auf einem zuvor gebuddelten tiefen Loch steht und uns alle sehr happy macht. So einfach geht das.
Unsere Fahrt geht weiter, die Landschaft wartet mit immer neuen eindrucksvollen Schönheiten auf und Corbin wird nicht müde uns spannende Informationen zu geben. Auch die Musik, die wir im Truck hören, hat immer Bezug zu Australien, dem Outback und seinen Ureinwohnern. Jeden Tag erklärt Corbin uns die Bedeutung von ein oder zwei Songs. Einige Lieder kenne ich, z.B. ‚Beds are burning‘ von Midnight Oil oder Waltzing Matilda, aber ich wusste nicht, dass es in ‚beds are burning‘ darum geht, den Aboriginals ihr Land zurückzugeben und die ganze Geschichte, die dahinter steckt oder das ‚Matilda‘ der Kosename für den Swag ist, wenn junge Burschen auf die Waltz gehen. Am meisten hat mich der Song und auch die unglaubliche Geschichte hinter dem Song ‚Spirit Bird’ von Xavier Rudd berührt. Er ist zu meinem absoluten Lieblingssong geworden. (Einfach mal reinhören)
Wir überqueren die Grenze zum Northern Territory und bekommen noch an der Grenze eine Vorstellung, was uns nun die nächsten Tage permanent begleiten wird - Fliegen!! Kleine, fiese Biester, die sich auf einen stürzen, wie auf Kuhs*** und in Mund, Nase und Ohren krabbeln und so klein sind, dass man sie kaum merkt. Corbin beruhigt uns und meint, im Sommer sei es noch viel schlimmer. Wieder einmal bin ich mehr als froh, im Winter nach Australien gekommen zu sein.
Northern Territory bedeutet auch, dass wir nun endlich in der Nähe vom Uluru (Ayers Rock) sind, dem wir alle schon sehr entgegen gefiebert haben. Und so steht der nächste Tag ganz im Zeichen des Uluru. Als wir endlich davorstehen, haut es mich fast um und das was ich gesehen und empfunden habe, lässt sich nicht in Worte fassen. Hatte ich bisher geglaubt, es handelt sich bei Uluru um einen glatten einfachen Felsblock, werde ich nun eines besseren belehrt. Er ist weit mehr als das. Nicht nur das die Beschaffenheit ganz anders ist, als sie von Ferne und auf Bildern aussieht, auch dient Uluru nach wie vor als heiliger Ort für Zeremonien und ich spüre, das dies ein ganz besonderer Ort ist. Da es in den letzten 18 Monaten verhältnismäßig viel geregnet hat, ist es um den Uluru so grün wie sonst nie. Natürlich schauen wir uns auch den Sonnenuntergang an. Das Farbenspiel ist sehr beeindruckend. Anschließend wartet Corbin mit einem sehr besonderen Dinner auf uns. Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, das ausgerechnet die Tage im Outback die bisher gesündesten 10 Tage am Stück im Hinblick auf Ernährung seit Start meiner Reise sind. Corbin ist ein hervorragender Koch (natürlich helfen wir beim Vorbereiten), zaubert mitten in der Wildnis und mit begrenzten Möglichkeiten wirklich leckeres und gesundes Essen und über’m Lagerfeuer zubereitet, das wir jeden Morgen und Abend haben, schmeckt es sowieso gleich doppelt gut. Natürlich dürfen ausgiebige Wanderungen zu Kata Tjuta (die Olgas) und dem Kings Canyon nicht fehlen. Beide Orte beeindrucken ebenfalls mit ihrer Schönheit und Millionen Jahre alter Geschichte.
Leider bleibt es bei so einer Tour nicht aus, dass am Truck auch einmal etwas kaputt geht. Einen platten Reifen musste Corbin bereits ersetzen. Ich denke mir also erstmal nichts dabei, als Corbin plötzlich links ran fährt (in Australien fährt man ja auf der linken Seite) und aus dem Truck springt. Auch als er kurz darauf das Kommando zum sofortigen Verlassen des Trucks gibt, gehe ich noch von einem weiteren Platten aus. Allerdings ergänzt er, wir sollen uns beeilen und unsere Tagesrucksäcke und Wertsachen mitnehmen. Das klingt nicht gut…. Während wir so schnell es geht aus dem Truck klettern, entlädt Corbin bereits in Windeseile unsere Swags und Feldbetten. Wir helfen ihm natürlich. Es stellt sich heraus, dass wir ein kleines Feuer im Maschinenbereich haben. Der Brand ist schnell gelöscht, jedoch steht logischerweise anschließend eine Reparatur an. Wir Mädels sind kurz ratlos und machen dann einfach das, was wir immer machen. Quatschen, Busch für Toilettenpause suchen, für Fotos posieren, das Gruppenfoto des Tages schießen, welches wir spontan ‚when the car broke down Foto’ taufen und bevor wir so richtig damit fertig sind, ist der Truck auch schon wieder fahrtüchtig. Wow! Das hätte ich nicht erwartet. Besorgt war aber ohnehin niemand von uns. Wir haben uns zur Abwechslung mal am ‚Highway‘ befunden, hatten gerade erst unsere Essens- und Wasservorräte aufgefüllt und außerdem geduscht und ob wir nun an Ort und Stelle schlafen oder 20 km weiter ebenfalls in der Pampa, ist auch irgendwie egal. Immerhin finden wir nach diesem Vorfall endlich unseren Gruppennamen. Auch wenn wir selbst wenig zur Reparatur beigetragen haben, taufen wir uns ‚Corbin and the Mechanics‘.
Als wäre unser Guide mit dem Feuer und der Reparatur nicht schon genug geplagt, muss er nachts auch noch einen Dingo jagen, der sich bis auf einen halben Meter an ihn herangewagt und geschnüffelt hat. Als Corbin am nächsten Morgen davon erzählt, muss ich unwillkürlich an ‚der mit dem Wolf tanzt‘ denken, denn der Dingo wollte nichts böses sondern einfach ein bisschen spielen, hat sich mitten in der Nacht aber die falsche Zeit ausgesucht. Tief in meinen Swag vergraben, habe ich von dem ganzen nichts mitbekommen. Jeden Tag kamen mehr mögliche Tiere hinzu (neben Dingos, Kängurus, Kühe, wilde Kamele und wilde Pferde), so dass es mir nach dem Motto ‚ich seh dich nicht, also siehst du mich auch nicht’ inzwischen quasi egal ist. Ich habe mich irgendwie an die Vorstellung gewöhnt nachts nicht allein zu sein und genieße das schlafen im Swag und die überhaupt die ganze Tour sehr.
Unser Trip neigt sich so langsam dem Ende zu. Bevor wir jedoch Alice Springs erreichen, verbringen wir noch einen Nachmittag in Palm Valley, einer kleinen Oase inmitten des Outbacks mit unzähligen Palmen, sehr entspannter Atmosphäre und Vogelgezwitscher.
Und dann… am späten Nachmittag von Tag 10 hat die Zivilisation uns wieder. Meinen Swag vermisse ich bereits in dem Moment als ich ihn zum letzten Mal im Truck verstaue und auch die Trennung von den anderen Mädels und Corbin fällt mir schwer. Wir sind in der kurzen Zeit erstaunlich schnell und eng zusammengewachsen.
Als ich die Tour noch von Neuseeland aus gebucht habe, hatte ich keine Vorstellung was mich erwartet, lediglich eine vage Ahnung, dass mich diese Tour in verschiedener Hinsicht vor große Herausforderungen stellen wird und dass es vermutlich entweder die längsten oder die mitunter besten 10 Tage meines Lebens werden. Heute kann ich sagen, es war eine der besten Touren, die ich je gemacht habe und all das was wir gemeinsam erlebt haben, die vielen kleinen und großen Momente, die lustigen Dinge, die passiert sind und so vieles mehr lassen sich schwer in ein paar Zeilen wiedergeben. Es war eine großartige Zeit, von der ich keine Sekunde missen möchte und mich dankbar macht, dass ich all das erleben durfte.
‚Sometimes you find yourself in the middle of nowhere, and sometimes in the middle of nowhere you find yourself.‘ (unknown)
- comments