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Die Berichte anderer Leute über "Fahrradfahren in Polen" unterscheiden sich stark, genauso wie das, was man im Internet findet. Masuren - wunderbar und einmalig bis "Da kannste auch in Mecklenburg-Vorpommern bleiben." und "Die Straßen sind einfach nervtötend." Naja, irgendwo dazwischen war's dann auch. Zum Segeln ist die Masurische Seenplatte ein kleines Paradies. Schon im Zug nach Olstyn trafen wir eine, jetzt in Frankfurt/Main lebende, Polin, die jedes Jahr eben nur zum Segeln die zeitraubende Zugreise auf sich nimmt. Denn kleine Segelboote kann man überall mieten und dann über Seen, Kanäle und Flüsse durch die masurische Gegend schippern. Kanu- oder Kajakfahren ist auch sehr beliebt, aber das mit dem Fahrradfahren ist wirklich so eine Sache.
Die Straßen ... ja, zusammengerechnet sind wir wahrscheinlich nur 15km über Kopfsteinpflaster gefahren, gefühlt waren es aber mindestens 50 oder 150. Mit Gepäck und Stahlrahmen ohne Federung ist das nix. Da bekommt man nur eine Gehirnerschütterung vom Geruckel, aber keinen schönen Eindruck von der Landschaft. Der Hauptanteil der Straßen jedoch war entweder verkehrsarm, aber schlaglochreich oder frisch asphaltiert und schlichtweg gefährlich. Fahrräder sind auf polnischen Landstraßen sind besonders gut in das Verkehrsgeschehen integriert. Wenn auf der Gegenfahrbahn ein Bus von einem LKW überholt wird, ist nicht viel Platz übrig. Es gibt bisher kaum Autobahnen im Land, deswegen läuft der gesamte Güter- und Personenverkehr über die Landstraßen. Mit 40 bis 50 Tageskilometern war man den Tag über gut ausgelastet, weil holpern einfach langsam macht. Schlimm war das nicht, aber man kam sich ein bisschen wie eine kleine, langsame Ameise vor.
Die Landschaft ... hat sich eigentlich, seit wir Berlin verlassen hatten, nicht großartig verändert. Leicht wellig, hier mal ein Wäldchen, dort ein See, viele Felder, ein paar Wiesen. Hübsch, aber nicht spektakulär. Die Seen waren anfangs toll zum Schwimmen, dann wurde es leider empfindlich kälter und damit hat der Badespaß etwas nachgelassen. Oft kamen wir abends erst so spät am Campingplatz an, dass sich das mit dem Baden kaum noch gelohnt hat.
Die Polen ... habe ich ja bereits erwähnt und Interpretionsvorschläge bekommen, die ihre offenkundige Zurückhaltung erklären können. Nicht alle sind so, natürlich. Im Zug haben wir eine polnische Plaudertasche getroffen, die, nein der auch eine Radtour durch Masuren vorhatte. Allerdings wohnt er inzwischen in Regensburg. Vielleicht wandern die kommunikativeren Polen einfach eher aus.
Die Städte ... waren so eine Mischung historischer Reste der Ordensritter oder Preußen und nicht so ansehnlicher Überbleibsel kommunistischer Plattenbauarchitektur. Dazwischen vereinzelt oder wild über's platte Land verteilt schicke Einfamilienhäuser, die aussahen, als wären sie vom Mond gefallen. Keine gesunde Mischung. Am schönsten fand ich eigentlich die Häuser mit Aufschrift Baujahr 1920 oder 1930, aber die schien keiner haben zu wollen. Neuer Wohlstand drückt sich allein in neuen Häusern aus. Wohl auch verständlich.
So haben wir eine verschnörkelte Runde durch die Masurische Seenplatte gedreht, ziemlich entspannt, ohne körperliche Höchstleistungen, um dann mit dem Zug nach Danzig zu fahren und das war das wirkliche Highlight der Reise. Hübsch herausgeputzt mit einer schönen Altstadt und den vielen internationalen Touristen, die wir vorher überhaupt nicht getroffen haben. Der Campingplatz war 5 Fahrradkilometer ausserhalb, direkt am Ostseestrand, und nur durch ganz normale, nicht "aufbereitete" Vororte zu erreichen. Das ist das Schöne, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist. Man sieht wirklich alles, weil man durch alles durch muss.
Ein bisschen getrübt wurde mein positiver Eindruck von Danzigs Altstadt, als ich in meinem Reiseführer gelesen habe, dass der Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg "historisch selektiv" stattgefunden haben muss. Es wurde nicht etwa die Altstadt so rekonstruiert wie sie vor dem Krieg ausgesehen hat, sondern man hat sich sehr an der eigentlichen Blütezeit Danzigs im 17. Jahrhundert orientiert und alles, was mit der deutsch-preußischen Zeit zu tun gehabt hat, einfach ausgeblendet. Disneyland quasi.
Also, Polen ist nicht mein neues Lieblingsfahrradland. Interessant fand ich aber zu sehen, wie es dem Land und den Leuten geht; 25 Jahre nach Ende des Kommunismus, als Mitglied der EU, als Land, in dem die Wirtschaft wächst und das trotzdem noch einen weiten Weg vor sich hat. Straßen werden gebaut, Fahrradweg angelegt, Neubauviertel entstehen, Danzigs Hafen wird einfach zum als Neubaufassung neben den alten gebaut. Bin mal gespannt, ob es in 20 Jahren noch in jedem kleinen Ort einen Tante-Emma-Laden gibt und ob es einen dann noch schwer fallen wird, im Land Geld auszugeben.
- comments
Torsten Da scheint wohl was dran zu sein. Wir kennen da doch noch so eine Kölner Plaudertasche die ausgewandet ist :-)
Verena Janssen Torsten, du hast Recht. Das ist das System. Wahrscheinlich müssen die raus. ;-)