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Bevor wir La Paz verliessen, besuchten wir einen richtigen Supermarkt. Unsere Freude über die vielen, tollen Produkte wurde etwas getrübt, da nach 5 Minuten der Strom weg war und wir alles im Dunkeln ertasten mussten. Luc hatte wie immer sein kleines Kurbel-Taschenlämpchen dabei und damit fanden wir dann doch das meiste. Nach dem Einkauf machten wir uns auf unsere nächste Fahrt, der wir mit Spannung entgegensahen: „The world's most dangerous road". Die Strasse von La Paz runter in die Yungas galt früher als die gefährlichste Strasse der Welt. Sie stellte eine Hauptverbindungsachse zwischen La Paz und dem Tiefland dar, war aber nicht entsprechend ausgelegt. Das heisst, sie ist mehrheitlich nicht mehr als eine Spur breit und bei Regen (der hier nicht selten ist), verwandelt sich der Boden in rutschigen Matsch. Dies allein ist ja noch nichts aussergewöhnliches in Bolivien. Speziell nervenkitzelnd sind aber die Abgründe. Die ganze Strecke fällt innert kurzer Zeit um 2'500 Höhenmeter ab. Zum Teil hat man das Gefühl, dass man neben sich genau diese Distanz bis nach unten in die grünen Täler sieht. Und wenn dann noch die Lastwagen und Busse an den engsten Stellen kreuzen müssen, dann kann man sich vorstellen, was nicht allzu selten passiert ist. Die vielen Kreuze am Wegrand erinnern daran, dass viele Menschen hier ihr Leben gelassen haben. Jetzt aber ist alles anders und seit einigen Jahren fahren alle Fahrzeuge über die neuere, sichere Strasse. Die alte Strecke wird vorallem noch von Bike-Downhiller genutzt. Dieses Business hat ebenfalls schon einige Opfer gefordert. Wir entschlossen uns also, diese berühmte Strecke nach Coroico zu fahren.
Die Aussicht war spektakulär, jedoch tauchten wir schon bald in den Nebel der feuchten Wälder ein. Auf der Strecke herrscht Linksverkehr, damit man milimetergenau am Abgrund vorbeimanövrieren kann. Ausserdem haben alle Fahrzeuge Richtung La Paz, also aufwärts, Vortritt. Die einzigen Fahrzeuge, die uns jedoch begegneten, waren nur Velo-Transportfahrzeuge, die ihre Kunden wieder nach La Paz beförderten. Als wir in Coroico ankamen, hatten wir trotzdem ein „Geschafft"-Gefühl. Dass die wirkliche Herausforderung noch vor uns lag, war uns dann noch nicht bewusst.
In Coroico fühlten wir uns sofort wohl. Ein warmer Wind wehte uns um die Ohren und Tropenfeeling kam auf. Wir quartierten uns in einer herrlichen Ferienanlage ein, wo wir ein kleines Cabana bewohnten. Die wärmenden Kleider vom Altiplano wurden tief unten vergraben und kurze Hosen und Bikinis hervorgeholt. Als wir in der Sonne sassen und gerade dachten, dass es perfekter nicht sein kann, kamen sie... Die Moskitos. Ein regelrechtes Bad in Off-Lotion kam etwas zu spät und die Stiche dieser aggressiven Moskitoart waren noch zwei Wochen später zu spüren. Die Anlage war voller tropischer Pflanzen, Pools sowie Cabanas unterschiedlicher Art und Grösse. In dieser Zeit machten wir effektiv auch nicht viel mehr als dies alles zu geniessen. Alles andere wäre bei dieser feuchten Hitze für uns Untrainierte auch viel zu anstrengend gewesen.
Nach unserem Aufbruch in Coroico zielten wir in Richtung Trinidad im Amazonasbecken. Die geschätzten 300 km sollten in einem Tag zu schaffen sein, zumal wir aufgrund der Pflastersteinstrassen positiv gestimmt waren. Da wir ohne Navi unterwegs waren, wussten wir zum einen nicht, dass es effektiv etwa doppelt so weit war und dass wir in 8 Stunden Fahrt nur 200 km weit kommen würden. Aber zuerst von Anfang an...
Die Strasse nach Coroico war ziemlich bald nicht mehr Pflasterstein, sondern wie üblich Tierra. Ein Schild weist darauf hin, dass ab hier wieder Rechtsverkehr gelte. 20 Meter später hatten wir beinahe einen Frontalzusammenstoss mit einem Taxi, dass uns auf unserer Seite entgegenkam. Hupend wiesen wir uns gegenseitig die Schuld zu. Bis wir merkten, dass alle auf der „falschen" Seite entgegenkamen. Also fahren wir eben doch wieder lieber links. Schon bald stellte sich ein neues Problem. Da die Strassen trocken, oder eher staubtrocken, waren, wirbelte jedes Fahrzeug eine Unmenge Staub auf. Ausserdem war die neue Strasse hier zu Ende und der ganze Schwerverkehr schlängelte sich auch wieder hier durch. Die Sicht betrug nur ca. 3 Meter. Die Strasse war nicht breiter als die befahrene „Gefährlichste Strasse der Welt". Um uns herum war also alles staubbeige und im letzten Moment erkannte man jeweils die Front der Lastwagen und Busse. Zum Glück fuhren sie hier ausnahmsweise mit Licht. Zum Teil hupten sie warnend und man konnte sich bereits in eine Nische beim Abgrund drücken und abwarten, bis man sie erblickte. Auch hier herrschte die La Paz-Vortrittsregel. Dies hinderte jedoch auch Busse nicht daran, an unübersichtlichen Stellen vorbeizudrücken, nur um danach 100 Meter wieder rückwärts um Kurven weichen zu müssen. Wir vermuteten, dass es hier wahrscheinlich schon mehr Todesopfer als auf der anderen Strassen gegeben hat. Nur hat's im Staub niemand gesehen...
Im Verlauf der Strecke wechselten sich dann Links- und Rechtsverkehr immer wieder ab. Mit der Zeit erkannten wir das System. Immer die Amazonasgerichteten Fahrzeuge (also wir) mussten an der Abgrundseite fahren. Auch wenn dieser auf der rechten Seite war. Irgendwann hörte der Staub auf und wurde zu gehärtetem Schlamm mit tiefen Furchen und Löchern. Wir holperten die Strecke entlang und bestaunten die neue Tierwelt links und rechts der Strasse. Diverse langbeinige Vögel, farbige Papageien, weisse Schlappohr-Kühe und undefinierbare über die Strassen rennende Nagetiere begleiteten uns auf dem Weg. In den von der Erde braun gefärbten Lagunen sprangen die Fische umher. Wahrscheinlich wollten sie auch mal was sehen und sprangen deshalb andauernd aus dem Wasser. Da wir nur schleichend vorankamen, wurde es schon bald Abend und es ergab sich ein traumhaftes Bild des Sonnenuntergangs über dem dichten Dschungel mit dem Rio Beni, der weit unten durchfloss. Wir kamen bis Yucumo, wo wir einen Stopp für die Nacht einlegten. Auf das Schlafen im Auto verzichteten wir für eine Zeit. Bei diesen Temperaturen müssten wir alle Fenster offenlassen. Da uns die Moskitonetz bei der Verschiffung gestohlen wurden und hier nirgends neue zu finden waren (häufige Antwort: Ah ja, von so was habe ich auch schon gehört. Wir verkaufen dies aber nicht und wissen auch nicht, wo es so was gibt.), wäre eine Nacht draussen zur Qual geworden. Bei der zugewachsenen Landschaft wäre es auch schwierig geworden, irgendwo das Zelt aufzubauen. So leisteten wir uns in der Zeit im Amazonasbecken häufig Hotels, die sogar einen Ventilator hatten!
Wir hatten auf der Fahrt nach Trinidad noch die Reserva Biosferica del Beni auf dem Plan. Ein kleines Biosphären-Reservat mit diversen Aktivitäten, wie Lehrpfaden, Flussfahrten, Vogelbeobachtungstouren, etc. Als wir dort ankamen, fanden wir jedoch nur einige verlassene Häuschen vor. Der zuständige Herr erklärte uns, dass der Park auf unbestimmte Zeit geschlossen sei. Sie hätten keine Bewilligung mehr. Er verzichtete auf weitere Erklärungen. Später erfuhren wir, dass der Betrieb von Parks, die zum Erhalt von Flora und Fauna sowie zur Förderung des Tourismus gegründet wurden, sehr schwierig sei. Die beiden grossen Parks im bolivianischen Tiefland, der Madidi und der Noel Kempff Mercado profitieren stark von Staatsgeldern. Diejenigen Parks, die keine hilfreichen Kontakte zu Regierungsmitgliedern in La Paz besitzen, haben das Nachsehen. Früher kamen diese durch internationale Spenden über die Runden. Seit einiger Zeit gibt es aber das Gesetz, dass alle Spendengelder durch die Regierung verteilt werden. So haben die kleinen Parks kaum eine Überlebenschance. Dieser Park ist sogar von der UNESCO als Biosphären-Reservat anerkannt, was jedoch den Staat nicht daran hinderte, die Bewilligung zu entziehen.
Etwas enttäuscht zogen wir von dannen und machten einen Stopp im Städtchen San Ignacio de Moxos. Dieser Ort ist vorallem für sein alljährliches Fest (leider erst ca. einen Monat später) bekannt, das durch eine Mischung von traditionellen Jesuitischen Festivitäten und Festivitäten der indigenen Moxos bekannt ist. Speziell ist auch, dass ein grosser Teil der Bevölkerung eine Sprache spricht, die nur in dieser Region exisitiert: das „Ignaciano".
Nach Überquerung des Rio Marmoré mittels einiger schwimmender Holzbretter (sie nennen es „Fähre"), kamen wir in Trinidad an. Als erstes fällt auf: Autos gibt es nur wenige, alle sind auf Motorrädern unterwegs. Wirklich alle! Nicht nur zu zweit, nein auch zu dritt oder gar zu viert sitzen sie auf ihren Gefährten und beanspruchen die Strasse für sich. An der Plaza von Trinidad gehört es zum Vergnügen, den ganzen Abend rundherum zu fahren, immer wieder neue Leute zu treffen, einige Runden miteinander zu fahren und sich dann wieder andere „Mitfahrer" zu suchen. Das ganze nennt sich Vuelta de perro (die Jungs gehen mit oder ohne Chica auf eine kleine Runde). Mittlerweile war die Aussentemperatur im Gegensatz zum Altiplano um ca. 25° gestiegen und entsprechend mussten wir mit den neuen Umständen kämpfen. Nun schliefen wir nachts also nicht mehr weils zu kalt und zu hoch sondern eben zu warm war. Aber das nahmen wir gerne in Kauf!
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Doris und Xavi Unglaublich was ihr erlebt. Unsere Erinnerungen werden wach. Die "Fähre" über den Marmoré... Die Töfffahrer in Trinidad...Schade wir hätten euch gerne unsere Käferbar für Whisky in Trinidad empfohlen- oder vielleicht doch besser nicht? Sind zurück aus dem Bärencamp in Homer und denken im Herzen an euch.