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Oha, vor zwei Tage war es fast um uns geschehen, aber alles der Reihe nach.
Am Tag nach meinem letzten Blogeintrag haben wir uns entschlossen zum Eissee zu wandern. Erneute 1000 Hoehenmeter angefangen bei 3000 m warteten darauf von uns bewältigt zu werden. Im Gegensatz zum Weg am Tage zuvor war dieser Weg deutlich alpiner und weniger Leute gingen auf diesen Pfaden. In der Sonne gingen wir los und in der Sonne sollten wir zum Glueck wiederkommen.
Den Weg zum See durch immer karger und kleiner werdende Waelder bewältigten wir wieder in drei Stunden weniger als von unserem Hostelbesitzer Gilbert prophezeit. Zum Ende hin als es auf den See zuging verschwand die Vegetation vollends und wir stapften ueber Geroell. Der See ist Azurblau und wird von mehreren Gletschern gespeißt bevor er sich in einem das Tal dominierenden Gletscherfluss in tiefere Gefilde ergießt. Um den See bauen viele Chinesen Steinmanderl, wahrscheinlich um dem heiligen Berg ihren Tribut zu zollen. Ich habe auch mal eins gebaut. Zwei Chinesen sind sogar in dem Gletschersee kurz schwimmen gegangen aber wir hatten weder ein Handtuch noch Lust auf der Haelfte unserer Wanderung in nassen Klamotten 1 Stunde zurueck zu laufen, zumal ihr euch vorstellen koennt, dass an einem Gletschersee in 3600 m nicht grad Badetemperaturen herrschen ;).
Jetzt war es gerade mal 11 Uhr und wir waren am Endpunkt der Wanderung. Etwas unbefriedigend und so beschlossen wir zu einem Gletscher aufzusteigen, was nicht unsere beste Idee war. Also gings los, Wegfindung. Es gab keine Pfade hinauf zum Gletscher sodass wir uns unseren eigenen suchen mussten. Um die Steinlawinen zu umgehen vor denen gewarnt wurde gingen wir in einem ehemaligen Lawinenhang mit ausreichend Vegetation steil den Berg hinauf bis zur Abbruchkante welche von großem Wurzelwerk stabilisiert wurde. Auf der Kante entlang, links dichten Wald rechts steiler felsiger Abhang kaempften wir uns durch Gebüsch und Bäume den Berg hinauf. In einer Schrecksekunde brach Joschua mit seinem rechten Bein komplett durch den moosigen Boden konnte sich aber noch an einem Baum festhalten. Wir waren wohl auf einer Waechte aus Moos und Wurzeln. So ging es immer weiter an der Kante entlang und die Vegetation wurde zunaechst dichter was den Aufstieg deutlich erschwerte.
Irgendwann ging dann der Wald ueber zu schwarzem Gestein welches keine großen Pflanzen mehr aufwies. Drei Stufen maessiger Kletterei aber mit Laufschuhen und ohne Sicherung durchaus nicht zu unterschaetzen trennten uns vom Gletschereis. Inzwischen war ein Chinese zu uns gestoßen der die gleiche Idee hatte oder von uns inspiriert wurde.
Zusammen wagten wir die Zwei Stufen der Kletterei bevor es anfing zu regnen. Anscheinend mochte der Berg es garnicht wenn jemand in Richtung Gletscher auf Ihm rumturnte. Jetzt sagt ihr vielleicht, dat bisschen Regen, aber auf einer Schwarzen Steinflaeche mit Laufschuhen auf einem 4000 m hohen Berg, denn so hoch waren wir inzwischen, wird es verdammt rutschig und all die kleinen Tritte die den Aufstieg erleichterten waren nun wenig hilfreich. Als die Wolkendecke um uns herum immer dichter und der Regen immer staerker wurde, beschlossen wir 100 Meter unter dem Gletschereis umzukehren wohingegen der Chinese sich noch weiter wagte. Er war mit ordentlichen Schuhen, Kleidung und Stock aber wesentlich besser ausgerüstet.
Vorsichtig kletterten wir nun zurueck auf das Plateau welches zwischen Wald und Fels lag und beratschlagten wie wir komplett absteigen wollten. Leider machten wir hier einen riesen Fehler aufgrund von Gruppendynamik. Wir beschlossen einen anderen, uns unbekannten Abstieg zu nehmen der uns einfacher erschien als unser Aufstieg. Quasi die eine Gerade zwischen der Schutzhuette und unserer Position. Es war eine Rinne und weit konnte man nicht sehen aber es ließ sich vermuten, dass sie auf eine Almwiese fuehrte was sich aber als grundlegend falsch herausstellen sollte.
In der noch leicht bewachsenen Rinne stiegen wir ab bis wir an eine Kante kamen nach der es sehr steil wurde. Es ging nur langsam voran und der Regen wurde staerker. Die Rinne in der wir uns befanden wurde zu einem leichten Bach was den Stein sehr glatt machte und den Abstieg erheblich erschwerte. Es wurde so steil und abschüssig dass ein Ausrutscher hoechstwahrscheinlich im Tal 800 m unter uns geendet haette. Von Halt zu halt kaempfen wir uns herunter und ich zog irgendwann meine Schuhe aus denn ich vertraute meinen Fuessen mehr als den klobigen Schuhen. Der leichte Bach in dem wir uns befanden wurde immer staerker und ward bald dem Namen Fluss gerecht aber weder die Naesse noch die Kaelte des Wassers interessierte uns denn wir hatten nur noch ein Ziel; einen Weg finden der nach unten fuehrt und Ueberleben. Nach vielen Schrecksekunden und leichten Panikanzeichen standen wir auf einem kleinen Plateau hinter dem es 80 Meter herunter ging. Wir kamen also nicht weiter. Weder hoch, denn die Steine waren zu glatt und steil, noch hinunter ging es voran. Wir steckten fest. Bergrettungsdienst gibt es in China nicht sodass es die Option des Hilferufs nich gab. Schon hatten wir Bedenken dass wir aufgrund des anhaltenden Regens auf dem Berg fuer die Nacht biwakieren muessen. Zwar hatte ich zwei Notdecken im Rucksack aber so nass und kalt wie wir waren waere es sicher keine angenehme Nacht geworden zumal es zwar Tagsueber 20 Grad in der Sonne ist, es jedoch auf knapp 4000 m Hoehe Nachts sehr kalt mit an die Null Grad wird. Wir brauchten andere Optionen.
Die einzige die wir noch hatten war die andere Seite der Bergflanke zu unserer Rechten welche die Rinne in der wir uns bisher befunden hatten mit beschrieb. Durch ein paar Buesche bekamen wir Halt und kletterten auf die andere Seite. Von dort aus fuehrte der erste Versuch wieder in eine Sackgasse vor einer Klippe und wir waren so langsam recht verzweifelt. Noch immer regnete es und durch Zufall fand ich eine weitere Moeglichkeit Richtung der Almwiese zu kommen die sich als weiter weg herrausstellte als vorausgesehen. Durch den Regen war inzwischen selbst das Gras rutschig geworden und wir krallten uns bei jedem Schritt tief in den moosigen Boden. Ueber eine Kante blickend erkannte ich eine Moeglichkeit von der Steilwand in den Wald zu gelangen der sich unterhalb befand. Es waren wohl 100 Hoehenmeter kniffliger Kletterei mit einigen Plateaus zum ausruhen aber es war unsere einzige Chance. Ich rief Josch voller Erleichterung zu, dass es machbar sei und in meiner Freude wiederholte ich es mehrere Male. Fuer den ganzen "Weg" von oben nach unten ist diese Situation beispielhaft denn wir konnten immer nur bis zur naechsten Kante sehen von der wir uns den weiteren Verlauf des Abstiegs ueberlegen mussten. Oft schien es zunaechst keine Moeglichkeit zu geben weiter zu kommen und wir waehlten immer das geringste Uebel.
Also ging es los in die steilste Wand der Unternehmung. Wenig konnten wir uns auf Griffe im Fels verlassen denn er war brüchig oder einfach glatt. Oft mussten die kleinen alpinen Bergpflanzen herhalten deren Wurzeln oft nicht die Festigkeit aufwiesen die wir ihnen zugedacht hatten. Die Wand hatte ungefaehr einen Winkel von 80 Grad und nährte sich im späteren Verlauf dem rechten Winkel zum Tal. Wir kamen langsam voran und ein paar Male dachten wir es ginge weder vor noch zurueck doch mit Teamarbeit und einem riesigen Haufen Glueck schafften wir es kurz bis vor die Wipfel der ersten Bäume. Von dort aus ueberlegen wir kurzerhand ob wir uns in einen der Baeume fallen lassen sollten, verworfen den Gedanken jedoch denn unterhalb war es immernoch nicht flach. Die letzten 10 Meter hatten es nocheinmal in sich und erforderten einiges an Ueberlegung denn inzwischen war die Wand komplett Steil und wir hingen mit Haenden und Fuessen in Griffen und Tritten sowie mit der Nase im Moos. Mit Muehe, Not und viel Adrenalin stiegen wir auf das letzte Plateau des Berges vor dem dichten Wald mit niedrigen Bäumen ab und freuten uns unseres Lebens nach zwei Stunden Panik.
An einem großen Wasserfall ueberquerten wir einen der Fluesse der sich aus einer der Rinnen ergoss die wir fuer unseren Abstieg waehlten. Der Weg war nun klar, wenn auch nicht einfach, denn es ging durch dichte Vegetation auf eine Almwiese die dann weiter ins Tal fuehrte. Hoert sich einfach an aber bedenkt es gibt keinen Pfad. Keine Anzeichen dass schonmal jemand vor uns den einen Weg durch das Dickicht geschlagen hat. Was von oben aussah wie leicht zu begehendes Grasland stellte sich bei naeherer Betrachtung als ein Geflecht von dickerem Geaest herraus. Aber wir mussten weiter denn so langsam fohr es uns schon ziemlich in unseren duennen Jacken und kurzen Hosen. Letzteres war auch fuer den Dickicht sehr schlecht und vielleicht koennt ihr euch vorstellen wie unsere Beine malträtiert wurden waehrend wir versuchten uns einen Weg durch die zwei Meter hohen Gewaechse zu bahnen. Das Untergestruepp peitschte unsere Waden und versagte uns auch mehrere Male den Halt sodass jeder von uns mehrfach stürzte. Auch das Aufstehen gestaltete sich recht schwer.
Zunaechst versuchten wir nun den Fluss entlang zur Schutzhuette zu gehen jedoch fuehrte dieser auch wieder ueber eine Klippe die uns den Weg versperrte. Notgedrungen schlugen wir uns also wieder durch das Dickicht an Gestruepp und etwas das wohl zwischen Busch und Baum eingeordnet werden konnte. Inzwischen waren wir etwas erleichtert denn wir wussten dass es ein Moeglichkeit gab zur Schutzhuette zu gelangen. Nach anderthalb Stunden Aeste wegschieben und in Mulden versinken sowie auf verdeckten Felsbrocken ausrutschend kamen wir auf der Almwiese an von der sogar ein Pfad Richtung Huette fuehrte. Aus der Ferne sahen wir eine hektisch winkende Frau die uns, als wir auf sie zukamen mit wirren panisch klingenden chinesischen Worten ueberfiel. Mit Joschs Chinesischkenntnissen ergründeten wir den Grund fuer ihre Panik. Es war eine Freundin des Chinesens der uns nach oben gefolgt war und sie wusste nichts ueber seinen Verbleib. Mit Händen und Fuessen haben wir versucht ihr zu vermitteln, dass wir auf dem Weg zum Gletscher einem Chinesen begegnet sind.
Als sie nun einigermaßen beruhigt schien sind wir zur Huette geeilt wo ein großes Feuer brannte an dem wir unsere Sachen trocknen und uns Aufwärmen konnten. Es war das gemuetlichste Feuer ever denn es brannte stark und warm in einer dunklen offenen Huette. Auf ihm wurde ein riesiger Topf Wasser abgekocht und eine milchige Suppe brodelte vor sich hin. Es war himmlisch und kein Film der Welt koennte diese Situation darstellen. Interessanterweise reichte uns ein zunaechst unbekannter Chinese einen Schokoriegel zur Staerkung. Eben diesen Chinesen identifizierten wir bei naeherer Betrachtung als unsern Wanderpartner vom Gletscher nach dem die eben erwaehnte Frau so panisch suchte. Wir erzaehlten ihm von der armen Frau aber er beteuerte mehrmals er sei allein unterwegs und niemand wuerde sich Sorgen machen. Ihr koennt euch nicht vorstellen was fuer einen Einlauf er bekam sobald doch eine nach seinen Erzaehlungen nicht existente Frau die Huette erreichte. ..
Passend zu unserer Ankunft ließ sich auch wieder die Sonne blicken und nach einer Zeit am gemuetlichen Feuer legten wir uns komplett psychisch und physisch fertig aber unendlich gluecklich noch zu leben in die heiße Sonne der Berge und ruhten uns aus bevor es den, zu dem vergangenen Abenteuer harmlosen Pfad durch die Abendsonne hinab zu unserer Unterkunft ging. Leider hat sich Josch aufgrund der auch mir inzwischen fehlenden Konzentration noch den Fuß stark verstaucht sodass es langsamer vorran ging und wir ihn nachher noch mit dem First Aid kit versorgen mussten. Insgesamt 9 Stunden waren wir unterwegs bevor wir wieder die Gemuetlichkeit unseres Hostels bei Gilbert erleben durften. Das Essen schmeckte wie noch nie zuvor und alle Eindruecke auf dem Weg schienen intensiver als auf jedem Pfad zuvor. Noch jetzt im Bus zurueck nach Shangri-La schuetteln wir beide noch den Kopf wenn wir an diesen Tag denken.
Wie es immer so ist muss es weitergehen und so sind wir am naechsten Tag zwar ausgeschlafen aber immernoch angeschlagen in der Sonne aufgewacht. Beim Fruehstueck habe ich noch einen chinesischen Gitarrenspieler kennengelernt mit dem ich eine Stunde Musik gemacht hab. Zwei Lieder haben wir sogar aufgenommen und wenn ihr wollt koennt ihr sie mal hoeren. Die Baenke die Gilbert in das Hostel gezimmert hatte waren aus Holz, komplett verkleidet und hohl, beste Vorrausetzungen also fuer einen Cajonersatz. Die ohnehin leicht zu beeindruckenden Chinesen waren aus dem Haeuschen als wir zusammen chinesische Musik gemacht haben und auch als ich eine Runde Knockin on heavans door gesungen habe fanden sie es klasse. Zum Abschied spielte er noch ein chinesisches Abschiedied fuer uns und das Abschied von diesen lieben Menschen dort und der unendlich gemuetlichen und ruhigen Atmosphäre in einem der letzten ruhigen Taeler Chinas fiel uns und ihnen glaube ich auch sehr schwer. Lange standen sie noch an der Strasse und winkten uns hinterher als wir uns auf den sechsstündigen Weg am Gletscherfluss entlang aus dem Tal machten.
Der Weg aus dem Tal heraus war gewaltig. Das gilt sowohl fuer den Fluss als auch fuer den Weg und die steil Aufragenden Berge die die Schlucht des eiligen Wassers einschlossen. Von einer satten gruenen Umgebung rund um den Gletscherfluss aenderte sich die Natur in eine lebensfeindliche felsige Wueste mit hohen Bergen die durch wenig Errosionsschutz durch die fehlenden Pflanzen staendig mit Steinschlag oder Steinlawinen drohten. Das ist uebrigends auch ein großes Problem auf den abenteuerlichen Gebirgsstrassen hier. Steinlawinen sind hier total normal und weggemacht werden sie hoechstens auf einer Strasse und auch nur wenn man sich nicht am Rand des Abgrunds noch vorbeiquetschen kann. In der prallen Sonne haben wir uns dann nach Ninang begeben einer kleinen gruenen Enklave inmitten der unwirtlichen Steinwueste um den braunen Fluss Mekong. Die Stadt bezieht ihr Wassr durch einen am Rand unseres Weges geschickt angelegten offenen Kanal durch dessen Wasser wir unseren Durst stillen konnten. Nocheinmal einen abenteuerlichen Abstieg in einer ehemaligen Gesteinslawine und wir erreichten eine selbstgezimmerte Haengebruecke ueber den maechtigen Mekong in seinem aus rotem schieferaehnlichen Gestein bestehendem Flussbett. Auf der anderen Seite befindet sich eine kleine Industriesiedlung bestehend aus einem Dach unter dem viele Fahrer von Minivans auf Kundschaft warteten. Es sah aus wie in einem Steinbruch, heiß, staubig und drückend. Als wir unser Ziel, Feilai Si, nannten wurde geknobelt wer uns fahren dürfe und so kamen wir wieder in die Müllhalde in der wir einige Tage zuvor naechtigten. Auch dieses Mal mussten wir in dem Hostel einen Stopp einlegen bekamen aber zum Glück einen Minibusfahrern für den nächsten Morgen zurück nach Shangri-La sodass wir das hässliche Deqin ueberspringen können. Morgens haben wir uns noch den, dieses Mal wirklich schönen Sonnenaufgang angesehen bevor wir wieder lecker unser aus Deutschland mitgebrachtes Müsli gegessen haben. Jetzt, mit jeder Menge Eiern eingedeckt sitzen wir in dem erwähnten Minibus. Eier sind die einzige Moeglichkeit hier an Proteine zu kommen und damit unser allabendliches Training nicht umsonst ist haun wir uns gleich den Bauch damit voll.
Zurück gehts nun also. Wir haben noch einiges an Strecke vor uns bevor wir dann hoffentlich zügig und sicher in Nanning ankommen werden wo wir Joschs Lampenlieferu g kontrollieren werden. Dali und Kunming liegen zwischendurch noch auf dem Weg.
Beste Grüße aus den Bergen Westchinas
- comments
Novretete OMG! Dies Geschichte hört sich wirklich sehr abenteuerlich und gefährlich an. Zum Glück ist mit euch beiden nichts passiert! Beruhigend zu wissen, dass ihr so sportlich und fit im Klettern seid!
Bazz Jo war schon n Abenteuer.... Froh jetzt in Kunming in der Sonne sitzen zu koennen....