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Accra, Ghana
Ankunft in Ghana
9.Feb. 2011
Susan und ich sind nach zwölfstündiger Reise Mittags - mit nächtlichem Aufenthalt in Dubai - glücklich und übermüdet in Accra gelandet. Mit unseren deutschen Winterstiefeln betreten wir tropisches Gewächshausklima, und ein feuchter Film legt sich auf unser Gesicht (wie überflüssig die Feuchtigkeitscreme war!). Schon auf dem Weg zu unseren Koffern bemerken wir, wie viele neue und unbekannte Düfte und Gerüche in der warmen Luft liegen. Es riecht überall nach Essen, Pflanzen und Menschen. Es ist kein unangenehmer Geruch, nur ungewohnt und irgendwie aufregend anders.
Nachdem wir uns auf der Toilette aus unserer Winterausstattung herausgeschält und der völlig verdutzten Dame, die nur zufällig neben der Toilettentür saß, Euromünzen in die Hand gedrückt haben, fühlen wir uns bereit für das Abenteuer Ghana.
Wir befinden uns in einem Internationalen Flughafen, trotzdem sind fast alle Menschen um uns herum deutlich anderer Hautfarbe. Wir bekommen zum ersten Mal eine Ahnung davon, was für ein Gefühl es ist, so sehr aus der Norm herauszufallen und ganz offensichtlich nicht hierher zu gehören.
Draußen wartet Yaw (Regieprofessor von NAFTI) mit den beiden NAFTI (National Film and Television Institute) Studentinnen Hanna und Lola. Alle drei begrüßen uns furchtbar nett und herzlich. Yaw lacht über unsere Winteroutfits und fragt ob wir schon de-frostet seien.
Auf der Autofahrt zu unserer Unterkunft reden wir über ghanaisches Essen, deutsches Wetter und die bevorstehende Fufu-Party (Aha Fufu-Party...?). Ich kann nicht aufhören, Hannas und meine Arme heimlich zu vergleichen und festzustellen, dass ich nicht nur weiß sondern durchsichtig bin!!
An einer roten Ampel erscheinen aus dem Nichts eine Hand voll Straßenverkäufer, Männer und Frauen, mit den lustigsten Waren auf dem Kopf und laufen an den Autos vorbei. Alles Erdenkliche von Wasser bis frittierten Kochbananen, Pralinen und natürlich Schnurlose Kopfhörer, wird an den Autofenstern höflich angeboten. Susan und ich drehen uns beschämt zur Seite, wir halten diese Verkäufer für eine Art Bettler. Zur unserer Überraschung zückt Lola ihr Geld und ruft eines der Wassermädchen zum Auto, um sich ganz selbstverständlich ein Wasser zu kaufen. Erst jetzt sehen wir, dass fast jeder dritte oder vierte Auto seine Scheibe herunterkurbelt und einem der Verkäufer etwas abkauft. Lola lacht über unsere Gesichter und erklärt, dass es in Ghana ganz normal sei und diese Leute ihr Geld damit verdienen.
NAFTI
Unser erster Stopp ist die Hochschule- ein weißes Gebäude mit Palmen im Vorgarten. Die Wachmänner begrüßen uns freundlich und wir bestaunen die vier NAFTI-Busse auf dem Parkplatz. Echte schicke Oldtimer, von denen leider nur zwei funktionieren.
In der Hochschule weht uns die kühle Luft der Klimaanlagen entgegen. Wir wissen zwar nicht, was als Nächstes passieren soll, aber alle lächeln uns freundlich zu. Jeder, den wir unterwegs antreffen, wird uns vorgestellt und es scheint, als wüssten alle bereits, wer wir sind. Wir betreten verschiedene Büroräume. Die Räume sind sehr einfach eingerichtet und es wirkt alles ein bisschen provisorisch. Dann endlich sind wir am Ziel und werden der „Dean of Studies" vorgestellt und damit offiziell von NAFTI begrüßt.
Dann geht's es nochmal kurz zum Goethe Institut um die Direktorin kennen zu lernen und danach geht es endlich zum Student Hostel.
NAFTI HOSTEL
Unser Zimmer ist riesengroß, mit einem rotem Teppich ausgelegt und eigentlich als Zimmer für internationale Gastdozenten gedacht. Wir haben eine eigene Küche, ein eigenes Bad, und bewohnen ganz allein den oberen Stock mit einem großen Ess- und Wohnzimmer. Susan und ich jubeln. Doch gleich danach sind wir ein bisschen beschämt, als wir realisieren, was für eine außerordentliche Extrawurst wir im Gegensatz zu den anderen Studenten bekommen haben.
Lola und Hannah bleiben bei uns, während wir unsere Koffer auspacken und uns umziehen. Sie bringen uns noch zwei große und zwei kleine Eimer und leere Seifenkisten. Die großen sind zum Wäsche waschen und zum Wasser holen, wenn das Wasser ausfällt. Und die kleinen? Die sind zum Wasser schöpfen und zum Duschen, wenn das Wasser ausfällt. Aha! Und die Seifenkisten? Zum Wäsche waschen.
Susan und ich beschließen, die kleinen Schöpfeimer erst einmal als Tupperdosen zu benutzen und füllen unseren Kaffee hinein. Schwerer Fehler!
Trotro Abenteuer
„So, habt ihr fertig ausgepackt? Okay, dann fahren wir euch jetzt eine neue SIM-Karte für's Handy holen!"
Wir laufen mit Hanna das erste Mal durch das eigentliche Studenten-Hostel. Es ist dunkel im Flur, alle Fenster sind verhangen, um den sengenden Sonnenstrahlen zu entgehen. Man hört Türen schlagen, laute Stimmen, ein bisschen Musik und hin und wieder nackte Männer mit Handtuch um die Hüfte über den Flur laufen. Millionen von Gerüchen wehen uns entgegen. Einige Studenten kochen Reis in ihren Zimmern.
Wir fühlen uns wie Touristen oder Eindringlinge. Alle kennen sich untereinander, nur wir torkeln wie verschreckte, von all den Eindrücken überrollten Kleinkinder durch die Flure. Im Zweifelsfall lächeln wir, wenn wir einen Akzent nicht verstehen, und sagen allen freundlich ‚Hallo'. Diese dämlichen deutschen, wir müssen über uns lachen. Trotzdem freuen sich alle, uns kennen zu lernen, und heißen uns herzlich willkommen.
Die Studentenzimmer sind schlicht und sehr klein. Die Einzelzimmer sind zwischen 9-12 m⊃2;. Ein eingebauter Schrank, an dem fast immer die Tür kaputt ist, und ein kleiner Schreibtisch gehört dazu. Wir holen noch zwei Mädchen, Angelica und Mariam, aus ihren Zimmern ab und machen uns zu sechst auf den Weg zu den SIM-Karten.
Nach einem fünf-minütigen Fußmarsch am Straßenrand entlang (Bürgersteig gibt es hier meist nicht), an der überaus riesigen amerikanischen Botschaft vorbei, die wichtigtuerisch alle zwei Meter ein metergroßes Schild mit roten Buchstaben angebracht hat, auf dem 'Fotografieren verboten' steht, und wo ein fetter, silberner Geländewagen neben dem anderen parkt, erreichen wir die Trotro Station.
Das Trotro steht, alle Türen geöffnet, unter einer Palme im roten Sand: ein kleiner Bus mit ca. 14 Sitzplätzen. Wir sind beeindruckt, dass dieses Auto überhaupt noch fahren kann - könnte auch ein Abenteuerspielplatz für Kinder oder ein Auto von Pipi Langstrumpf sein. Es einen ganz eigenen Charme, und wir setzten uns einfach in das leere und noch fahrerlose Auto und warten ab, was passiert. Ups, mein Sitz hat ein Loch. Achso. Ist egal? Ok.
Alle sitzen völlig entspannt auf ihren Sitzen, während sich das Trotro nach und nach füllt, niemand fragt nach einer Abfahrtszeit. Plötzlich steigt ein Fahrer ein, ein weiterer Mann schließt die Tür und es geht los. Spotz.
Ich dachte, das Auto ist voll! Der Mann an der Schiebetür ruft immer wieder Passanten am Straßenrand etwas zu, wenn sie nicken, lässt er anhalten, und sie steigen zu. Irgendwo finden sich immer noch Klappsitze oder eine Stufe, bis der Platz tatsächlich ausgereizt ist. Schüler sitzen zwischen Anzugträgern oder alten Frauen vom Markt, Christen neben Moslems, und wir sind zusammengepfercht wie in der Legebatterie. Manchmal sitzt man eher auf jemandem als neben ihm. Platzangst ist hier dein Tod.
Der Wagen hält plötzlich, und die kräftige Dame ganz hinten links muss aussteigen. Alle klettern heraus, Klappsitze werden umgeklappt - klapper, stolper, holper! - sie steigt aus und alle anderen wieder ein - klapper, stolper, holper! - wow!
Wir sind angekommen. Die Fahrt hat umgerechnet etwa 15 Euro-Cent pro Person gekostet. Wir realisieren, dass Trotros das öffentliche Verkehrsmittel in Accra sind, und dass wir unbedingt bald die Trotro Sprache lernen müssen.
Trotros sind überall. Überall hupt und schreit es, Trotrofahrer winken einem zu, am Straßenrand fährt mich fast ein Schubwagen mit grünen, Melonen ähnlichen Früchten um. Als wir fragen, ob das eine Melone ist, lachen die Mädels. Kokosnüsse Mann! Wir armen Opfer des Supermarkt-Essens in Europa.
Am Straßenrand kann man Schuhe, Kleidung, Mangos, Ananas, Schmuck, Plastikwannen, Handys und noch viel mehr kaufen. Wir gehen zu einer jungen Frau, die auf einem Stuhl unter einem Sonnenschirm sitzt und Getränke verkauft. Die Mädels verhandeln mit ihr und anschließend sind wir stolze Besitzer einer neuen SIM-Karte. Fast hätte Susan ein neues Handy gekauft. ‚Ach so, nein Missverständnis, Handy haben wir!',
Plötzlich knattert ein Trotro vorbei, das in unsere Richtung fährt, und alles muss ganz schnell gehen. Es steht mitten auf der Straße. Wir krabbeln über die Hintertür hinein und sind auf dem Weg zurück zum Hostel.
Ich muss natürlich am gleichen Abend mein Fliegennetz aufhängen und hab meine Patsche-hand am Ventilator blutig gehauen. Aua. Wer ahnt denn dass dieses Teil sich dreht wenn ich gerade auf einem Tisch stehe um mein Netz an der Decke festzuschrauben. Hat zumindest zur Belustigung des Abends geführt. War ganz gut dass ich nicht erst mit meinem Kopf an der falschen Ecke stand.
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